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# taz.de -- Hamburger Harley Days: Maulhelden im Rückwärtsgang
> Die Hamburger Harley Days sind eine sexistische Veranstaltung aus dem
> letzten Jahrtausend. Das Gute daran: Man muss sie nicht ernst nehmen.
Bild: Mit der Maschine übers Veranstaltungsgelände: Harley-Fahrer auf den Ham…
Wie kommt man hin zu den [1][Harley Days]? Die verkehrsgünstigste Anreise
ginge so: mit der Bahn zum Hamburger Hauptbahnhof, von da mit dem Stadtrad
in acht Minuten zum Veranstaltungsgelände. Auf diese Idee würden der
[2][Naturschutzbund Deutschland] (Nabu), der grüne Verkehrssenator oder
taz-Leser*innen kommen. Aber die Harley Days ticken anders. Wer zu den
Harley Days will und mehr ist als ein Zuschauer, der reist mit der Harley
an. Und parkt nicht vor, sondern auf dem Gelände.
Ort des Geschehens ist die Asphaltfläche um die Hamburger Großmarkthallen.
Die sieht auf den ersten Blick aus wie ein Stadtfest: Es gibt ein
Riesenrad, Fress- und Verkaufsbuden und zwei Bühnen für Livemusik. Im
Unterschied zu einem Stadtfest gibt es vor den Buden durchgängig einen
Parkstreifen für Motorräder. Außerdem gibt es einen steten Strom Harleys,
die in Schrittgeschwindigkeit über das Gelände fahren. Gut geordnet immer
in eine Richtung.
Der stete Strom ist der Vorgeschmack für die große Parade, bei der am
letzten Tag tausende Harley-Fahrer 30 Kilometer durch Hamburg brettern. Dem
Nabu tut das [3][seit Jahren weh]: die Abgase, der Lärm, das Sinnlose. In
diesem Jahr [4][nannte der Nabu die Harley Days eine „Geiselhaft“], in die
Hamburg von tausenden Motorrädern genommen werde.
Überraschend ist, dass die Laune der Harley-Fahrer ebenso schlecht zu sein
scheint wie die des Naturschutzbundes. Jedenfalls wird man niemals einen
Harley-Fahrer im Sattel lächeln sehen. Zum Harley-Fahren gehört ein
grimmiger Gesichtsausdruck. Zusätzlich zu ihren Halbschalen-Helmen tragen
Harley-Fahrer gerne Sonnenbrillen und Bärte, und wenn sie Haar zeigen, dann
ist dieses grau oder auf dem besten Weg dahin. Beliebt ist die Farbe
Schwarz, vor allem in Form von Leder. Manche tragen auch Jacken mit
Fransen, wie man sie von [5][Old Shatterhand] kennt.
Ein gewisser Used-Look ist obenrum willkommen. Untenrum aber, da, wo das
Blech beginnt, ist Makellosigkeit angesagt. Man möchte es sich nicht
ausmalen, dass jemand seine Pommes-Schranke beim Wegtreten von der
Fressbude aus Versehen auf den Ledersessel einer parkenden Harley kippt.
Oder mit seinem Rucksack den blitzblank polierten Totenkopf-Blinker
touchiert …
Die andere Sache ist die mit den Frauen. Gibt es Harley-Fahrerinnen? Ja, es
gibt sie, und zwar in etwa so oft wie Falafel-Stände zwischen den
Bratwurst- und Burger-Buden.
Ansonsten kommen Frauen als Mitfahrerinnen, Begleiterinnen und in zwei
Fällen als Showtänzerinnen vor. Da stehen also zwei Fressbuden, auf deren
Dächern umzäunte Tanzflächen angebracht sind, auf der sich Tanga-tragende
Blondinen in High Heels mittelmotiviert zur Musik bewegen. Auf einer der
parkenden Harleys davor steht „My other toy has tits“ und „No fuck no
ride“.
Die gute Nachricht ist: Das alles muss man nicht ernst nehmen. Die vielen
alten Männer, die hier unterwegs sind, haben hormonell betrachtet die
Wechseljahre schon hinter sich. Das behauptete und das tatsächlich
vorhandene Testosteron stehen in einem indirekt proportionalen Verhältnis.
Die Harley Days sind eine Veranstaltung, auf der das Alter als solches
präsent ist und beruhigend wirkt.
Erstaunlich ist allerdings die Verehrung nicht nur der Männer, sondern auch
ihrer Begleiterinnen für die Marke [6][Harley-Davidson]. Sehr viele tragen
Harley-Davidson-Klamotten und gehen darin auf, alte und neue Harleys zu
beschauen. Im Museumszelt, wo Modelle der letzten 100 Jahre ausgestellt
sind, sind Sätze wie „Mit der Softail Springer hatte Harley-Davidson zu
sich selbst gefunden“ zu lesen.
Die Zuneigung der Fans zu dem, was sie „die Company“ nennen, ist die, die
Fußball-Fans zu ihrem Verein haben. Harley- und Fußball-Fans sind bereit,
viel Geld hinzulegen für ein anonymes Versprechen der Zugehörigkeit zu
einer Community. Geprägt ist die Harley-Community von einem Gestus des
Nonkonformismus, den die Popkultur aus Hippies und Rockern der 60er
zusammengemischt hat. Wahrscheinlich hat die Company ein echtes
[7][Nachwuchsproblem], weil der Mythos der 60er zunehmend verblasst.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch kann „Nazareth“ als Haupt-Act im
Bühnenprogramm auftreten. Noch ist dem Nabu das Ganze alljährlich eine
Pressemitteilung wert.
Und dann? Baut Harley-Davidson E-Bikes und bemüht sich um Fahrer*innen –
oder endet als Nischenprodukt für Nostalgiker.
28 May 2023
## LINKS
[1] https://hamburgharleydays.de/
[2] https://hamburg.nabu.de/
[3] /Hamburger-Harley-Days/!5313482
[4] https://hamburg.nabu.de/modules/presseservice/index.php?popup=true&db=p…
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Old_Shatterhand
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Harley-Davidson
[7] /Harley-Davidson-und-Donald-Trump/!5512733
## AUTOREN
Klaus Irler
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