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# taz.de -- Journalist Wallraff über seine Arbeit: „Immer häufiger Medienan…
> Investigativjournalist Günter Wallraff kritisiert zunehmende
> Behinderungsversuche seiner Arbeit. RTL hat er sich bewusst für seine
> Sendungen ausgesucht.
Bild: Eine seiner berühmtesten Recherchen: 1977 arbeitete Wallraff undercover …
taz: Herr Wallraff, bei der letzten [1][„Team Wallraff“-Sendung] über
Missstände in Krankenhäusern erhielten Sie im Vorfeld rund 140
Anwaltsschreiben …
Günter Wallraff: Es ist der Normalfall, dass Anwälte schon im Vorfeld einer
investigativen Berichterstattung in Stellung gebracht werden, um sie zu
verhindern. Aber über 140 Anwaltsschreiben für eine einzige Sendung, das
haben wir bisher noch nicht erlebt. Als Faustregel gilt: Die
Allerschlimmsten betreiben den größten juristischen Aufwand, um
einzuschüchtern und damit Missstände zu vertuschen.
Wie gehen Sie mit den Angriffen um?
Bei RTL habe ich einen redaktionellen Freiraum und kann auch Missstände bei
großen potenziellen Werbekunden thematisieren. Wie zum Beispiel bei Amazon,
in der Paketbranche oder bei Burger King, wo Hygiene- und
Arbeitsschutzbestimmungen systematisch missachtet werden. Damals haben wir
erreicht, dass sich der Deutschlandverantwortliche öffentlich entschuldigte
und letztlich die von Burger King zu Unrecht Entlassenen wieder eingestellt
wurden. Der Sender hat engagierte und kämpferische Jurist:innen.
Wie schätzen Sie die [2][Rolle der Medienanwälte] ein?
Immer häufiger werden Medienanwälte vorgeschaltet, um kritische
Berichterstattung gezielt zu verhindern. So versucht ein bekannter
Promi-Anwalt, Zeugen einzuschüchtern, indem er ihnen immense
Schadenersatzansprüche androht und sie warnt, aus diesen Anwaltsschreiben
zu zitieren, da dies weitere finanzielle Ansprüche gegen sie auslösen
würde. Eine größtmögliche Drohkulisse – juristisch allerdings haltlos.
Früher hätte man Günter Wallraff und RTL nicht unbedingt in einen
Zusammenhang gebracht.
Ich bin auf RTL zugegangen, auch weil ich hier jüngere Zuschauer erreiche,
von denen viele in prekären Arbeitsverhältnissen leben, die seit jeher mein
Thema sind. Bei den Öffentlich-Rechtlichen musste ich zuvor erleben, dass
einzelne meiner Rollenreportagen nicht durch die zuständigen Redakteure,
sondern durch Intervention leitender Bürokraten oder juristische
Bedenkenträger verhindert wurden. In dieser Hinsicht bin ich ein gebranntes
Kind, was die Öffentlich-Rechtlichen angeht …
Wieso?
Mein Film über die Bild-Zeitung für die ARD verschwand über 30 Jahre im
„Giftschrank“, bis er dann 2010 in einer gekürzten Fassung im Dritten
gezeigt wurde. Auch die Kinodokumentation „Ganz unten“ ist in den 80er
Jahren weltweit gelaufen und hat internationale Preise bekommen.
Hierzulande verhinderten die CDU-regierten Länder auf Betreiben der CSU die
Ausstrahlung, obwohl der Film bereits für den 1. Mai in den
Programmzeitschriften angekündigt war. Das holländische Fernsehen sendete
die Dokumentation dann mit deutschen Untertiteln, so bekamen ihn wenigstens
die deutschen Grenzbewohner zu sehen.
Rechtliche Auseinandersetzungen haben Sie in Ihrer Laufbahn schon immer
erlebt …
Meine Arbeit wurde immer wieder von Prozessen begleitet, jahrelang vor
allem durch Springer. Sie versuchten, meine Arbeit zu kriminalisieren, und
konstruierten dafür den sogenannten „Tatbestand des Einschleichens“. Der
Bundesgerichtshof hat schließlich entschieden: Wenn es um gravierende
Missstände geht, hat die Öffentlichkeit ein Recht, darüber informiert zu
werden, auch wenn die Erkenntnisse unter anderer Identität zustande kommen.
Durch die sog. „Lex Wallraff“ sind deshalb bis heute Undercover-Einsätze
vom BGH und Bundesverfassungsgericht abgesichert.
Wo liegt der Unterschied [3][der Methoden, die Sie angewendet haben], im
Vergleich zu den Methoden der Bild-Zeitung und anderer?
Ich wurde bis ins Privatleben hinein bespitzelt und abgehört und als so
bezeichneter „Untergrund-Kommunist“ zum Feindbild stilisiert. Kai Diekmann
beschreibt das in seiner Festschrift kritisch, was die Verantwortlichen wie
der ehemalige Bild-Chef Günter Prinz und andere da verbrochen haben: Bild,
lange Jahre nicht nur eine professionelle Fälscherwerkstatt, sondern auch
das Zentralorgan des Rufmordes.
Welche Grenzen ziehen Sie bei Ihrer Arbeit?
Bei mir liegt die Grenze eindeutig dort, wo der Privatbereich, erst recht
die Intimsphäre beginnt: Die ist absolut tabu – selbst bei meinen größten
Widersachern habe ich mich immer daran gehalten.
29 Jun 2023
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## AUTOREN
Wilfried Urbe
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