| # taz.de -- CSU-Parteitag in Nürnberg: Söder – wohlhabend, sexy und klug? | |
| > Die CSU hat ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt. Das | |
| > Rennen macht ein Anwärter mit einer unspektakulären Bewerbungsrede. | |
| Bild: Sichtlich von sich selbst gerührt: der Spitzenkandidat | |
| Nürnberg taz | Nur noch 3728 Stunden, so hat Markus Söder ausrechnen | |
| lassen, dann schließen die Wahllokale in Bayern. Höchste Zeit also für die | |
| CSU, in den Vorwahlkampf einzutreten und ihren Spitzenkandidaten zu | |
| nominieren. Um das zu tun, sind die Delegierten der Partei an diesem | |
| Samstagmorgen auf dem Messegelände in Nürnberg zusammengekommen. Die CSU, | |
| so viel noch schnell zur Einordnung, ist „die Partei für alle, die morgens | |
| aufstehen, um zu arbeiten und nicht um sich irgendwo anzukleben“. So | |
| zumindest fasst es ihr Generalsekretär Martin Huber zu Beginn des | |
| Parteitags zusammen. Das Niveau ist gesetzt. | |
| Nun also gilt es, einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 8. | |
| Oktober zu küren, und freilich ist die Versuchung groß, Parallelen zu einer | |
| zeitgleich in London stattfindenden Krönungsmesse zu ziehen. Immerhin: Im | |
| Direktvergleich nehmen sich die Feierlichkeiten in Söders Heimat geradezu | |
| bescheiden aus. Dabei gehört Bescheidenheit zu den Eigenschaften, die den | |
| Christsozialen, allen voran Söder, doch recht selten zugeschrieben werden. | |
| So kommt denn auch seine gut anderthalbstündige Bewerbungsrede nicht | |
| komplett ohne Superlative aus. Eine kleine Auswahl: 90 Prozent der Menschen | |
| hier lebten gern in Bayern. Sagt Söder. In jeder Statistik liege man auf | |
| Platz eins oder zwei. Der Freistaat sei das sicherste Land, habe den besten | |
| Innenminister Deutschlands, und Kreuzberger Nächte werde es hier ganz | |
| bestimmt nicht geben. Bayern habe mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen | |
| als Frankreich und als einziges Land Pflegegeld, Familiengeld und die | |
| kostenlose Meisterausbildung eingeführt. Hier befänden sich die meisten | |
| Dax-Unternehmen und die meisten Meister. Es sei „quasi notariell belegt“, | |
| dass sein Land Nummer eins bei den erneuerbaren Energien sei, behauptet | |
| Söder. Hier werde Supercomputing auf dem Level von Südkorea entwickelt, und | |
| selbstverständlich bleibt auch das in Bayern geplante Mondkontrollzentrum | |
| nicht unerwähnt. Kurzum: „Wir sind wohlhabend und sexy und klug.“ | |
| ## Söder wettert gegen Berlin | |
| Das Wir-Bayern-sind-immer-und-überall-die-Besten-Mantra ist den Zuhörern | |
| nicht gänzlich unbekannt. Die Rede hat Söder so oder so ähnlich in der | |
| jüngeren Vergangenheit schon öfter gehalten. Je nach Anlass mal dezenter, | |
| mal deftiger. Der Parteichef trägt sie routiniert und souverän vor, | |
| besondere Aufbruchstimmung versprüht er nicht. Muss er vielleicht auch gar | |
| nicht. Die Umfragen wiesen zuletzt darauf hin, dass Söder und seine CSU auf | |
| einen klaren Wahlsieg zusteuern, die Schmach von 2018 hinter sich lassen | |
| können. Damals landete die Partei bei einem historischen Tief von 37,2 | |
| Prozent und in einer Koalition mit den Freien Wählern. Jetzt erscheint | |
| sogar eine Rückkehr zur absoluten Mehrheit als ein zwar unwahrscheinliches, | |
| aber nicht unmögliches Szenario. | |
| Auf seine bayerischen Mitbewerber geht Söder in seiner Rede gar nicht | |
| weiter ein, kokettiert allenfalls damit, noch nicht einmal ihre Namen zu | |
| kennen. Stattdessen arbeitet sich der Ministerpräsident an der | |
| Bundesregierung ab – gewissermaßen als die Blaupause für das, was die | |
| bayerischen Wähler erwartet, sollten sie ihr Kreuz an der falschen Stelle | |
| machen. | |
| Auch hier sind es die altbekannten Kampfbegriffe, mit denen Söder um sich | |
| wirft. Gegen Wokeness wettert er und stellt ihr als vermeintliches | |
| Gegenmodell die Liberalitas Bavariae gegenüber. Er malt das Horrorszenario | |
| einer bayerischen Ampelregierung an die Wand – als ob diese eine | |
| realistische Aussicht sei. Bayern müsse Freistaat bleiben und kein Verbots- | |
| oder Zwangsstaat werden, fordert Söder. | |
| ## „Nichts anderes als grüne Korruption“ | |
| Die Ampel sei das „größte Armutsrisiko der jüngeren deutschen Geschichte�… | |
| durch ihre Fehlentscheidungen maßgeblich an Inflation und hohen | |
| Energiepreisen schuld. Es sei ein Fehler gewesen, die Kernkraftwerke | |
| abzuschalten. Die Grünen hätten das aus reiner Ideologie durchgesetzt. | |
| Dabei sei es ihnen weder ums Klima gegangen, wie der verschobene | |
| Kohleausstieg gezeigt habe, noch um die Sicherheit, denn nun, so Söder, | |
| müsse Strom aus Frankreich und Tschechien importiert werden. „Wer | |
| Doppelmoral hat, soll endlich von seinem hohen moralischen Ross | |
| heruntersteigen.“ | |
| Von Wirtschaftspolitik habe die Ampel ohnehin keine Ahnung. | |
| Wirtschaftsminister Robert Habeck sei lediglich ein erfolgreicher | |
| Kinderbuchautor, das Hirn seines Ministeriums sei Patrick Graichen, wobei | |
| Söder auch gleich bei der Trauzeugenaffäre um den Staatssekretär angelangt | |
| ist. „Die ganze grüne Sippe wird da irgendwie beschäftigt“, schimpft er, | |
| und das sei „nichts anderes als grüne Korruption“. | |
| Und um den Rundumschlag komplett zu machen, folgt natürlich stehenden Fußes | |
| auch die Klage über und gegen den Länderfinanzausgleich, diesen „PCR-Test | |
| der Ehrlichkeit und Leistungsfähigkeit“: „Habt ihr das schon mal erlebt, | |
| dass ihr jemandem alles gebt, was ihr habt, und trotzdem macht er euch | |
| nieder?“ Dazu noch das Bekenntnis zum Auto („Die CSU bleibt Autopartei!“), | |
| zur Tierhaltung („Jeder soll essen, was er will!“) und zur bäuerlichen | |
| Lebenskultur. Auch die Krankenhausreform der Ampel sei verfassungswidrig, | |
| und mit der deutschen Staatsangehörigkeit gehe sie zu freigiebig um: | |
| „Staatsbürgerschaft erfordert Bekenntnis zu Werten und Sprache. Wer | |
| Deutscher werden will, der muss Deutsch oder zumindest Bairisch sprechen | |
| können.“ Der Bairisch-Gag geht bei Söders Tempo etwas unter – oder wird v… | |
| den Delegierten gar nicht als solcher verstanden. | |
| ## Söders Gänsehautmoment | |
| Natürlich kommt auch die Wahlrechtsreform zur Sprache, die Bayern | |
| diskriminiere. Gegen sie werde man ebenfalls klagen. Dass Söder auch gegen | |
| Cannabis, [1][Wolf und Fischotter ist], muss nicht weiter erwähnt werden. | |
| Aber selbst ein Söder kommt nicht ganz ohne Pathos aus. Von der weinenden | |
| Landfrau berichtet er, die vor ihrem Haus das vom Wolf gerissene Schaf | |
| gefunden habe. „Wir blicken nicht nur ins All, sondern auch tief ins Herz | |
| der Menschen“, sagt er an anderer Stelle. Und dann berichtet er noch von | |
| einem echten „Gänsehautmoment“: als die mitgebrachte Blaskapelle beim | |
| Requiem für Benedikt XVI. auf dem Petersplatz die Bayernhymne angestimmt | |
| habe. | |
| Bevor dann das neue Grundsatzprogramm der CSU verabschiedet wird, das | |
| selbst der Münchner Merkur als „dünn“ bezeichnet, als „eine Umformulier… | |
| bekannter Positionen, nichts, was neue Wählerschichten anzöge“, lässt | |
| Innenminister Joachim Herrmann noch schnell über den Spitzenkandidaten für | |
| die Landtagswahl abstimmen. Es wird offen abgestimmt, die Delegierten | |
| recken ihre Stimmkarten für Söder in die Höhe. Gegenstimmen? Keine. | |
| Enthaltungen? Keine. | |
| Jetzt sind es nur noch 3726 Stunden. | |
| 6 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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