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# taz.de -- Ukrainischer Fußball im Exil: Der FC Mariupol spielt in Brasilien
> In Guarapuava spielt der örtliche Klub in den Trikots des Vereins aus der
> von Russland besetzten Stadt. Dessen Anlagen sind allesamt zerstört.
Bild: Solidarität: Ein Spieler des brasilianischen Klubs AA Batel küsst das W…
Luzk taz | Kurz vor Spielbeginn wird es ganz leise im Stadion von
Guarapuava im brasilianischen Bundesstaat Paraná. Die Spieler des örtlichen
Klubs AA Batel und ihre Gegner haben sich in der Mitte des Spielfelds
aufgestellt. Ein älterer Mann und zwei Kinder kommen dazu, sie tragen
ukrainische Tracht. Der Mann schwenkt die blau-gelbe Flagge der Ukraine,
die Kinder tragen die Flaggen Brasiliens und des Bundesstaates Paraná auf
das Feld.
Die ukrainische Nationalhymne erklingt. Die Fans auf den Tribünen erheben
sich. Dann wird die brasilianische Nationalhymne gespielt. Vor dem Anpfiff
fassen sich die Spieler im Mittelkreis an den Händen und legen eine
Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des russisch-ukrainischen Krieges
ein.
So beginnt in diesen Tagen ein Fußballspiel in der dritten Liga des
Bundesstaates Paraná im Süden Brasiliens. Aus Solidarität mit dem
ukrainischen Volk hat sich der Klub AA Batel für sechs Spiele eine neue
Identität gegeben. Er tritt als FC Mariupol in den Farben und mit dem Logo
des ukrainischen Klubs an, so hat es das Präsidium des brasilianischen
Vereins beschlossen. Es ist dies eine Ehrerweisung an den Verein, dessen
Aktivitäten durch den Angriff Russlands auf die Ukraine jäh gestoppt worden
waren.
Diese ungewöhnliche Zusammenarbeit hat eine Vorgeschichte. Etwa drei
Viertel der 52.000 Einwohner der Stadt Guarapuava haben ukrainische
Wurzeln. Sie sind Nachkommen einer Einwanderungswelle, die zu Beginn des
20. Jahrhunderts Zehntausende Ukrainer nach Südamerika spülte.
## Gegen das Vergessenwerden
Sie waren einer Einladung der Behörden Argentiniens, Brasiliens und
Paraguays gefolgt, Ländereien für die landwirtschaftliche Nutzung zu
erschließen. Der Bundesstaat Paraná liegt im Grenzgebiet der drei Staaten.
In Guarapuava gibt es bis heute eine besonders aktive ukrainische Gemeinde.
Sie folgte der Idee der Klubführung des FC Mariupol, den Klub von
Südamerika aus zu unterstützen.
Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wollte der FC
Mariupol den Namen des Klubs endlich wieder zurück ins Bewusstsein der Fans
rücken. Die Mannschaft des Erstligisten kann aus nachvollziehbaren Gründen
derzeit nicht an der Meisterschaft teilnehmen. Die Zugehörigkeit zur ersten
Liga ist so lange ausgesetzt, bis nach einer möglichen Befreiung von der
russischen Besatzung der Spielbetrieb in der Stadt wieder aufgenommen
werden kann.
„2022 haben wir [1][von der ukrainischen Premier League] die Erlaubnis
bekommen, die Saison 2022/2023 ausfallen zu lassen“, erläutert Andrij
Sanin, der Vizepräsident des FC Mariupol. „Während dieser ganzen Zeit
spielte die Mannschaft nicht, die Fans begannen, unsere Farben, unser Logo
und unseren Namen zu vergessen“, sagt er. Vergessen zu werden, sei ein
Albtraum für einen Fußballverein.
Dann erklärt er, wie es zur Zusammenarbeit mit AA Batel gekommen ist: „Wir
wussten von ‚Little Ukraine‘ in Paraná und sind auf Batel zugegangen.
Dessen Präsident fand unsere Idee gut, den Namen des FC Mariupol am Leben
zu erhalten.“ Die Initiative #FCMariupolLives war geboren. Ihre Aktivitäten
lassen sich unter diesem Hashtag in sozialen Medien verfolgen.
Alex Lopez, der Präsident von Batel schwärmt von der großen Identifikation
der Fans mit dem FC Mariupol und deren Engagement für die ukrainische
Community in der Region. Die Mannschaft sei der Stolz und die große
Leidenschaft der geplagten ukrainischen Stadt. Er sagt: „Unsere Botschaft
an die Welt ist Frieden und Unterstützung für den Kampf um die Souveränität
der Ukraine.“
Und er glaubt an die Zukunft des FC Mariupol: „Es besteht kein Zweifel
daran, dass der Verein die Menschen bald wieder an dem Ort begeistern wird,
an den er gehört.“ Natürlich hat er auch nichts dagegen, dass die Spiele
seiner Mannschaft in der ganzen Ukraine übertragen werden.
## Zerstörte Infrastruktur
In Mariupol ist man gerührt von der Haltung der Brasilianer. „Dass ein Team
am anderen Ende der Welt sich bereit erklärt hat, unseren Namen in dieser
dunklen Zeit am Leben zu erhalten, ist ein Wunder. Es ist schwer zu
erklären, wie viel uns das bedeutet“, sagt Mariupols Klub-Vize Sanin.
Die Kriegsverluste des FC Mariupol, erläutert er, belaufen sich auf
umgerechnet mehr als 10 Millionen US-Dollar. Doch das sei keine endgültige
Berechnung. Während der Belagerung von Mariupol vom Februar bis zum April
2022 [2][haben russische Einheiten die Stadt beinahe ununterbrochen mit
schweren Waffen bombardiert]. Alle Sporteinrichtungen des Vereins – das
Stadion, der Landesfußballstützpunkt, die Trainingsplätze, die
Geschäftsstelle – wurden auf die eine oder andere Weise getroffen.
Klubvertreter hätten schon ein paar Mal heimlich die zerstörte
Fußballinfrastruktur im besetzten Mariupol in Augenschein genommen. „Was
wir gesehen haben, war völlige Verwahrlosung und Zerstörung“, sagt Sanin
und berichtet vom Kluballtag in Kriegszeiten. „Wir haben eine kleine
Arbeitsgruppe von Managern gebildet, die aus der besetzten Stadt fliehen
konnten.“
Über ganz Europa seien sie verstreut. „Wir arbeiten online, um einen
minimalen Betrieb aufrechtzuerhalten“, sagt er. [3][Auch in der kommenden
Saison wird kein Spielbetrieb möglich sein.] Der Klub hat die gleiche
Regelung wie für die laufende Spielzeit beantragt. Und dann? „Wir warten
auf die Befreiung unserer Heimatstadt“, sagt Sanin.
18 May 2023
## LINKS
[1] /Fussball-in-der-Ukraine/!5886803
[2] /Alltag-im-russisch-besetzten-Mariupol/!5922993
[3] /Zukunft-des-ukrainischen-Fussballs/!5853796
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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