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# taz.de -- Fußball in der Ukraine: Liga der Oligarchen
> Mit Wiederaufnahme des Spielbetriebs wollte die ukrainische Liga ihr
> korruptes Image abstreifen. Doch die Mäzene bestimmen weiter den Kurs.
Bild: Vor den Augen der Kamera: Dynamo Kiew beim Gastspiel im westukrainischen …
Luzk taz | Mit dem Krieg sind die ukrainischen Oligarchen aus der
Öffentlichkeit verschwunden. Einige sind aus der Ukraine geflohen, andere
schweigen ganz einfach. Es gibt auch welche, die das Land im Krieg mit
ihren Finanzmitteln unterstützen. [1][Ihor Kolomojskyj] ist einer der
verrufensten unter diesen Geschäftsleuten. Er einer der großen Unterstützer
von Wolodimir Selenski bei den Wahlen 2019. Dann wurde er von den USA mit
Sanktionen belegt und ist wegen Korruption ins Visier des FBI geraten,
sodass er es nicht riskieren kann, die Ukraine zu verlassen. Auch in
Kriegszeiten ist er immer für einen Skandal gut. Zum Beispiel im Fußball.
So ist es Kolomojskyj und seinen Oligarchenkollegen, den Brüdern Igor und
Grigorij Surkis, gelungen, den Beschluss zur Zentralvermarktung der
TV-Rechte im ukrainischen Fußball zu torpedieren. Über einen TV-Pool
sollten Mittel für den Aufbau einer Profi-Eliteliga gesammelt werden. Doch
daraus wurde nichts.
Ihor Kolomojskyj stand lange an der Spitze des FK Dnipro, Medien
behaupteten sogar, er kontrolliere fünf weitere Vereine in der ersten und
zweiten Liga. Nach dem Konkurs von Dnipro – immerhin Europa-League-Finalist
2015 – übernahm Kolomojskyj einen neu gegründeten Verein mit ähnlichem
Namen, den SK Dnipro 1.
Die Spiele seiner Mannschaften sind immer vom TV-Sender 2plus2, der
Kolomojskyj gehört, übertragen worden. Andere Spiele wurden von den
Fernsehsendern des Oligarchen Rinat Achmetow, des Eigentümers von Schachtar
Donezk, übertragen. Alle kochten ihr eigenes Süppchen, auch die
Surkis-Brüder, denen Dynamo Kiew gehört, oder der Charkiwer Oligarch
Oleksandr Jaroslawskyi. In der Ukraine gab es immer wieder die Idee, die
Fernsehrechte aller Klubs in der ukrainischen Premier League (UPL) zentral
zu vermarkten, aber d[2][ie Oligarchen waren nie zu einem Kompromiss
bereit]. Nach und nach stellte sich der Ligaverband als Totgeburt heraus.
Nicht einmal zur Wahl eines Chefs war man in der Lage. Seit drei Jahren ist
die UPL ohne Präsident.
## Oligarchen in Schwierigkeiten
Mit dem Krieg gegen die russischen Invasoren hat sich sowohl der Fußball
als auch die Fernsehlandschaft verändert, vor allem nachdem Achmetow die
Schließung seiner Fernsehsender – einschließlich der Fußballgruppe –
angekündigt hatte. Auch für Kolomojskyj ist das Leben schwieriger geworden.
Die von ihm gegründete PrivatBank wurde verstaatlicht, außerdem leidet er
unter den US-Sanktionen.
Grigorij Surkis, der ältere Bruder des Dynamo-Präsidenten Ihor Surkis und
einst Mitglied der Uefa-Exekutive, lebt in Europa, und musste von da aus
zusehen, wie seine vom prorussischen Politiker und Geschäftsmann Wiktor
Medwedtschuk gegründete Partei in der Ukraine verboten worden ist.
Ein weiterer Player hat sich ganz vom Fußball verabschiedet. Oleksandr
Jaroslawskyi, lange Zeit Mäzen von Metalist Charkiw, hat nicht nur
geschäftlich Sorgen. Seit dem Tod eines Fußgängers, der von einem Auto aus
dem Wagenpark des Oligarchen erfasst worden war, hat die Polizei Fragen an
ihn. Immer weniger Geld floss in den ukrainischen Fußball.
Auch deshalb war die Freude bei etlichen Fans groß, als zum ersten Mal in
der Geschichte des ukrainischen Fußballs ein ausländisches Unternehmen den
Zuschlag für die Übertragung von Spielen der ersten Liga erhielt. Elf der
16 Liga-Mitglieder haben für das Geschäft gestimmt. Die verbleibenden fünf
Vereine – Dynamo, Dnipro, Zorya, Metalist und Ruch – lehnten das Angebot
des einzigen Bieters ab – Setanta Sports, ein irisches Unternehmen, das
auch etwa in Georgien TV-Rechte an der Fußballliga besitzt.
## Streit ums Prinzip
Die Gegner der Zentralvermarktung argumentierten wie die besten Patrioten.
Angeblich sollten sowohl die einfachen Menschen als auch die Soldaten in
den Schützengräben kostenlos Fußball sehen können. Die Übertragung der
Spielen auf Setanta-Kanälen kostet umgerechnet 3 Euro. Dafür garantierte
der Sender allen Teilnehmern am TV-Pool Einnahmen von rund 100.000 Euro pro
Saison – eine kleine Summe in der Welt des modernen Fußballs, aber gerade
in Kriegszeiten für ärmere Klubs durchaus eine wichtige Unterstützung.
Doch Setanta hatte die Rechnung ohne die Oligarchen gemacht. Deren Klubs
behaupteten, sie seien durch den Deal unrechtmäßig benachteiligt worden.
Sie beschlossen, ihre Heimspiele weiter auf dem Kanal 2plu2, über ihre
Klubportale oder Youtube-Kanäle zu zeigen. Zudem sind die Klubeigner vor
Gericht gezogen und haben sich dabei an einen Richter gewandt, dessen
Rechtschaffenheit von Anti-Korruptions-Organisationen immer wieder infrage
gestellt worden war.
Tatsächlich ist es zu merkwürdigen Entscheidungen gekommen. Zunächst
untersagten sie Setanta, sich bei Youtube über die Übertragung von Spielen
auf den Kanälen der abtrünnigen Klubs zu beschweren. Zudem wurde der Liga
untersagt, Strafen für Verstöße gegen die Regelungen des TV-Pools zu
verhängen. Der Richter ist kein Unbekannter. Serhiy Wowk hob im Juli 2019
einen Beschluss zur Beschlagnahme von 415 Immobilien einer mit Kolomojskyj
verbundenen Firma auf. Dass die verstaatlichte PrivatBank daraufhin 350
Millionen Dollar an Unternehmen von Surkis überweisen musste, ist auch
einem Urteil von Richter Wowk zu verdanken.
## Rückenwind aus dem Parlament
Doch nicht nur mit Hilfe des Gerichts kämpften die Oligarchen um ihre
Pfründen. Es kam auch zu eklatanten Schikanen gegenüber dem Investor: Die
rebellischen Klubs verwehrten Setanta-Kamerateams den Zugang zu ihren
Heimspielen. Und auch vom ukrainischen Parlament bekamen die Oligarchen
Unterstützung. In nur zehn Tagen hat die Werchowna Rada Änderungen des
Gesetzes „Über Körperkultur und Sport“ ausgearbeitet und verabschiedet.
Urheber der Änderungen war der Abgeordnete Andrij Koschemjakin, der oft in
den VIP-Logen von Dynamo Kiew zu sehen ist.
Mit der Gesetzesänderung wurde das Recht zum Verkauf von TV-Rechten von den
Veranstaltern des Wettbewerbs, in diesem Fall der Premier League, auf die
Teilnehmer, also die Vereine, übertragen. Er wurde in nur zwei Minuten von
317 Abgeordneten verabschiedet. Jetzt kann jeder Klub selbst entscheiden,
ob er den Verkauf der TV-Rechte an die Veranstalter überträgt oder sie
selbst vermarktet.
„Unter der Gesetzesänderung leiden das Image und die ökonomische Lage des
ukrainischen Sports. Welcher ausländische Investor wird in der Ukraine
einsteigen, wenn die Oligarchen ihre Interessen mithilfe gewogener Richter
und Abgeordneter schützen können“, sagt Serhii Bolotnikow, ein Journalist,
der seit Langem gegen die Dominanz der Oligarchen im ukrainischen Fußball
anschreibt.
Fußballblogger Andrej Senkiw meint: „Eigentlich hatte man eine gesunde
Formel gefunden: Fans zahlen für Übertragungen. Dieses Geld geht an die
Liga, die es unter den Vereinen verteilt, sodass die Klubs Mittel für ihre
Entwicklung zur Verfügung haben. Nach dem Scheiterns des TV-Deals haben die
großen Klubs alles und die kleinen Klubs nichts.“
Doch es gibt einen weiteren Aspekt, der bei vielen Fans in der Ukraine für
Empörung sorgt: Der ukrainische Fußballverband hat sich bislang noch gar
nicht zu dem Fall geäußert. Dabei kam dessen Präsident Andrij Pawelko 2015
in Amt, um den Fußball zu reformieren, die Korruption zu beseitigen und den
Einfluss der Oligarchen zu verringern. Doch Pawelko kümmerte sich vor allem
um die Konsolidierung seiner Macht und suchte die Nähe zur Politik. So war
er Leiter des parlamentarischen Haushaltsausschusses für die Partei des
ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko. Nach der Wahl Wolodimir Selenskis
verhielt sich der Verbandschef sofort loyal gegenüber dem neuen
Präsidenten.
„Pawelko ist unser Lukaschenko“, scherzt der ukrainische Sportautor
Michailo Spiwakowski. Tatsächlich geht es Pawelko nur um Machterhalt.
Deshalb hat er es tunlichst unterlassen, auf das Einwirken der Oligarchen
in die Geschäfte der Liga zu reagieren. In der Folge bleibt die Liga ohne
Investorengelder und vollständig vom Wohlwollen einiger Geschäftsleute
abhängig, die die Spitzenklubs des Landes finanzieren.
16 Oct 2022
## LINKS
[1] /Vor-den-Wahlen-in-der-Ukraine/!5580019
[2] /Fussball-nach-dem-Krieg/!5857736
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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