# taz.de -- Kritik nach Räumung von Waldbesetzung: Vorgeschobene Gründe für … | |
> An der Räumung der Waldbesetzung in der Berliner Wuhlheide mehrt sich die | |
> Kritik. Der schwarz-rote Senat ließ mit teils hanebüchener Begründung | |
> räumen. | |
Bild: Aktivist*innen im Baumhaus sind aus Sicht der Polizei wegen martialischer… | |
Berlin taz | Es gibt deutliche Kritik von Linken, Grünen und | |
Aktivist*innen nach der Räumung der Waldbesetzung in der Berliner | |
Wuhlheide am Mittwoch. Die Linke kündigte an, den Polizeieinsatz politisch | |
aufarbeiten zu wollen und kritisierte „Law-and-Order“-Politik mit viel | |
Abschreckung und Schikane für Klimaaktivist*innen. | |
Der Umweltschutzverband BUND Berlin schloss sich der Kritik an und | |
kritisierte darüberhinaus die vom schwarz-roten Senat ins Spiel gebrachte | |
Verlängerung der Präventivhaft für Klimaktivist*innen. Die | |
queerfeministische Besetzer*innen-Gruppe „Wuhli bleibt“ sprach von einem | |
„unrechtmäßigen und unverhältnismäßig brutalen Einsatz“. | |
Im Laufe des Mittwochs war das kleine Baumhausdörfchen in der Wuhlheide mit | |
400 Polizist*innen, einer Klettereinheit, Räumfahrzeugen und Hebebühnen | |
geräumt worden. Die Polizei rückte unangekündigt um 5:30 Uhr an und sprach | |
mit Blick auf „prognostizierte Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ f… | |
die gesamte Wuhlheide ein Versammlungsverbot bis zum 30. September aus. | |
Gegen [1][14 Personen wurden Platzverweise ausgesprochen] und Anzeige | |
erstattet. Am Ende klebten sich noch [2][Aktivist*innen der Letzten | |
Generation] auf die stundenlang gesperrte Rudolf-Rühl-Allee, um eine | |
Zufahrtsstraße zu blockieren. | |
Der Einsatz verlief für eine unangekündigte Räumung überaus friedlich: Die | |
Aktivist*innen in den Baumhäusern begaben sich ohne großen Widerstand | |
auf die Hebebühnen oder ließen sich abseilen. Jenseits von verbalem Protest | |
der Besetzer*innen und einer angemeldeten Soli-Demo gab es weder | |
militante oder gewaltsame Gegenwehr noch Rangeleien oder sonstige | |
Auseinandersetzungen. | |
Um 15:38 verkündete die queerfeministische Gruppe „Wuhli bleibt“ | |
schließlich: „Alle Aktivisti sind von den Strukturen geräumt. Passt auf | |
euch auf, wir kämpfen weiter und halten euch auf dem Laufenden!“ Eine | |
Eilverfügung gegen die Maßnahmen war zuvor gescheitert und entfaltete auch | |
keine aufschiebende Wirkung – die Polizei hatte vor Ort ohnehin schon | |
Tatsachen geschaffen. | |
Am Donnerstag kritisierte das Bündnis das Verbot ihrer Versammlung und die | |
Räumung [3][als „unrechtmäßig und unverhältnismäßig brutal“]. Eine | |
Gefährdung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die Baumhäuser seien | |
baumschonend angebunden worden, kletternde Personen seien gesichert | |
gewesen, man habe Hindernisse markiert und sogar sanitäre Anlagen besorgt. | |
Ebenso wie die parlamentarischen Beobachter*innen vor Ort kritisierte | |
das Bündnis zudem, dass [4][keine Gespräche zu Auflagen stattgefunden | |
hätten], die das Versammlungsgesetz eigentlich vorsehe. Am Mittwoch seien | |
mehrfach Kommunikationsversuche der Besetzer*innen von der Polizei | |
ignoriert worden. | |
## Law-and-Order-Allgemeinplätze | |
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach dennoch von einer | |
sorgfältig abgewägten Entscheidung der Polizei mit Blick auf „mögliche | |
Gefahren, die von der Besetzung ausgehen“. Dass er sich als | |
„Law-and-Order“-Mann präsentieren will, teilte er nicht gerade subtil mit: | |
„In Berlin gelten Gesetze und Regeln, an die sich alle halten müssen“, | |
allgemeinplatzte Wegner. Die Koalition werde geltendes Recht durchsetzen. | |
Auch SPD-Innensenatorin Iris Spranger sprach dem Protestcamp den | |
friedlichen Charakter ab und verwies auf „Vermummungen“ sowie „Barrikaden | |
und Aushebungen, die fast an Fallgruben erinnern“. Die Versammlungsfreiheit | |
sei kein Deckmantel für radikalen Protest, sagte Spranger. | |
Tatsächlich zeugt das Herbeireden von Gefahr durch die Besetzung von recht | |
viel Fantasie. So wird im Schreiben der Polizei zum Versammlungsverbot, das | |
die taz einsehen konnte, die „martialische Aufmachung“ der | |
Besetzer*innen herausgestellt, die angeblich „auf Außenstehende eine | |
suggestiv militante Wirkung“ erzeugen könne. | |
[5][Vor Ort war während der Besetzung eher das Gegenteil zutreffend], die | |
Besetzer*innen plenierten im Sitzkreis, chillten in Hängematten oder | |
werkelten an Baumhäusern, Plattformen und Tripods, luden Anwohner*innen | |
ein, vorbeizukommen. Selbst während der Räumung blieben die | |
Besetzer*innen überwiegend gut gelaunt, trugen bunte Perücken, sangen | |
und warteten auf die Polizei. Ihr gewähltes Wappentier war ein Maulwurf, | |
den sie auch in Plüschform dabei hatten. | |
Der BUND Berlin kritisierte das restriktive Vorgehen des Senats scharf: | |
Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Naturschutzvereins, sieht in der | |
Räumung einen Widerspruch zum „neuen Miteinander“, das die schwarz-rote | |
Koalition in Berlin etablieren wolle. Eine inhaltliche Auseinandersetzung | |
mit den Argumenten der Gegner*innen der „Tangentialen Verbindung Ost“ | |
(TVO) habe nicht stattgefunden: „Angesichts der Klimakrise und der nötigen | |
Verkehrswende ist der Bau neuer Hochleistungsstraßen aus unserer Sicht | |
nicht vertretbar. Statt darüber zu sprechen, will die neue Koalition | |
offenbar den Widerstand einfach aus dem Stadtbild verschwinden lassen“, | |
sagte Heuser. | |
Ebenso kritisierte er die „Begeisterung“ von Politiker*innen von CDU | |
und SPD für eine Verlängerung der Präventivhaft auf fünf Tage mit Blick auf | |
die Letzte Generation: „Dabei handelt es sich um ein Instrument, das zur | |
Verhinderung schwerster Straftaten gedacht ist. Das gegen Protestformen | |
anwenden zu wollen, die vielleicht lästig sind, aber keine erhebliche | |
Gefahr darstellen, sprengt den Rahmen der rechtsstaatlichen | |
Verhältnismäßigkeit“, so Heuser. | |
Auch mehrere Abgeordnete, die die Räumung begleiteten, hatten bereits am | |
Mittwoch das Vorgehen kritisiert. Ferat Koçak sagte: „Die Polizei hatte | |
heute ein klares Ziel: trotz des friedlichen Protests die | |
Law-and-Order-Politik der schwarz-roten Regierung konsequent und mit viel | |
Abschreckung und Schikane gegenüber Klimaaktivist*innen | |
durchzusetzen.“ Der Linken-Abgeordnete Tobias Schulze sprach davon, [6][die | |
Räumung politisch aufarbeiten zu wollen]. | |
Der Grünen-Abgeordnete Vasili Franco nannte den Verweis auf die | |
vermeintlich martialische Aufmachung „einen schlechten Witz“ und ebenso die | |
Bezugnahme auf „Naturschutz“. Die Polizei hatte geltend gemacht, dass die | |
Bäume durch die Baumhäuser beschädigt würden. Franco verwies darauf, dass | |
der Wald vor Ort für die TVO komplett gerodet werden solle und der Verweis | |
auf Naturschutz entsprechend [7][„schon etwas lächerlich“] sei. | |
Bei der Räumung schließlich ließ die Polizei selbst einen Baum fällen, um | |
Platz für ihr schweres Gerät zu schaffen, das dann gar nicht mehr nötig | |
war. Auch sägte sie für ihre Räumfahrzeuge den Weg frei. Für die unnötige | |
Rodung machte die Polizei dann die Aktivist*innen verantwortlich. | |
Die Aktivist*innen sprach trotz „des negativen Bildes“, das die Polizei | |
Berlin gezeichnet habe, am Ende von einem erfolgreichen Protest. Zahlreiche | |
Anwohner*innen hätten sich solidarisiert, durch die Waldbesetzung sei | |
ein Ort des Austauschs und Aufmerksamkeit für das Straßenbauprojekt | |
geschaffen worden. | |
18 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/einsatz-mit-400-polizisten-berliner-poli… | |
[2] https://twitter.com/AufstandLastGen/status/1658864658923634688 | |
[3] https://wald-statt-asphalt.net/wuhli-bleibt-nach-der-raumung/ | |
[4] /Besetzung-der-Wuhlheide-in-Berlin/!5935340 | |
[5] /Protest-gegen-Strasse-durch-die-Wuhlheide/!5931801 | |
[6] /Besetzung-der-Wuhlheide-in-Berlin/!5935340 | |
[7] https://twitter.com/VasiFranco/status/1658736426140278784 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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