# taz.de -- Solidarität mit Letzter Generation: „Blockiert lieber RWE als St… | |
> Der Gründer und Vorstandsvorsitzender der Ökoworld AG hatte angekündigt, | |
> Geldstrafen für Klimaaktivist:innen zu zahlen. Warum er relativieren | |
> musste. | |
Bild: Ein Klima-Aktivist wird von zwei Polizisten von der Fahrbahn der A100 get… | |
wochentaz: Herr Platow, brauchen Sie Personenschutz? | |
Alfred Platow: Bisher nicht, und das soll auch so bleiben. Die Anfeindungen | |
der vergangenen Wochen bauten sich aber nicht durch persönliche Besuche | |
oder Begegnungen auf, sondern überTelefon, E-Mail, Google und die sozialen | |
Netzwerke. | |
In einer ganzseitigen taz-Anzeige hatten Sie angekündigt, Gebühren und | |
Geldstrafen für BlockiererInnen der Letzen Generation solidarisch zu | |
übernehmen. Darauf wurden Sie mit Hass überschüttet und mit | |
Unterstellungen, Sie würden zu Straftaten aufrufen. | |
Das solidarische Angebot, diese Gebühren zu übernehmen, wurde quittiert mit | |
einer Welle von empörter Berichterstattung. Der taz-Redakteur Erik Peter | |
hatte [1][ein Handyfoto unserer Anzeige auf Twitter geteilt]. Dort gab es | |
dann über 3.800 „Gefällt mir“-Angaben, aber auch viel Anfeindung in den | |
Kommentaren. Danach ist einiges hochgekocht und übergekocht: Mitarbeitende | |
wurden am Telefon bedroht, per E-Mail beschimpft, VertriebspartnerInnen | |
wurden verunsichert und gerieten in Aufregung. Es wurde sogar gefordert, | |
die Vogelfreiheit wieder einzuführen, da wir eine terroristische | |
Vereinigung unterstützen würden. | |
Was macht das mit einem? Kopfschütteln, Fassungslosigkeit, Angst? | |
Es ging weit über Kopfschütteln hinaus. Gewalt lag in der Luft. Also musste | |
ich das korrigieren. Es war der Eindruck entstanden, dass Ökoworld | |
Gesetzesbrüche toleriert oder sogar dazu anstiften möchte. Ich musste | |
entschieden herausstellen, dass dies nicht der Fall ist. Das Grundgesetz, | |
unsere parlamentarische Demokratie und das Rechtsstaatsprinzip sind | |
fundamentale Errungenschaften, hinter denen ich uneingeschränkt stehe. | |
Sie haben dann relativiert, andere sagen: Der ist zurückgerudert und | |
eingeknickt. Was ist jetzt anders? | |
Richtig ist, dass ich in der ursprünglichen Meldung Sprengstoff dadurch | |
geliefert hatte, dass die Formulierungen nicht trennscharf waren. Es wurde | |
nicht explizit gesagt, dass die Zahlungen aus privaten Zuwendungen von | |
Gleichgesinnten und mir entnommen werden würden. Es wurde vermutet, dass | |
dafür Sondervermögen unserer Fonds oder Firmengelder genutzt würden. Nach | |
eingehender Situationsanalyse habe ich mich entschieden, meine | |
Unterstützung für zivilen Klimaprotest nun durch eine Zuwendung an den | |
Umwelt-Treuhandfonds zu zeigen. Viele wissen, dass ich Klimaaktivist der | |
ersten Stunde bin und den friedlichen zivilen Klimaprotest im Rahmen der | |
Gesetze für notwendig erachte. Die öffentliche Klarstellung hat | |
Fehlinterpretationen und Ängste reduziert. | |
Auch Shitstürme flauen ab. | |
Das ist richtig. Aber unseren kleinen Betrieb hat dieser Sturm überrannt. | |
Und über das Anliegen der StraßenkleberInnen, die Verhinderung der | |
Klimakatastrophe, wurde wieder gar nicht geredet. Was läuft da falsch? | |
Es ist die Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität. Alle wollen | |
theoretisch Klimaschutz. Alle wollen Nachhaltigkeit. Aber ändern wollen die | |
meisten dafür grundsätzlich nichts. Daher erzeugen die KlimakleberInnen | |
einen solchen Aufschrei. | |
Hat denn jemand Geld wegen der Solidarität mit der Letzten Generation aus | |
einem Ihrer Öko-Fonds abgezogen? | |
Gelder gehen kontinuierlich rein und raus. Durch unsere | |
KlimakleberInnenaktivität aber nicht auf einem anderen Niveau als sonst | |
auch. | |
Oder sind andere solidarisch mit Ihrer Firma geworden und haben neu | |
investiert? | |
Wir haben tatsächlich auch viele E-Mails bekommen von Menschen, die unsere | |
Initiative aus Überzeugung im Kern begrüßen. Warten wir ab, was daraus an | |
Neuinvestitionen entsteht. Aber darum ging es nie. | |
1995 haben Sie [2][in einem taz-Interview] von jungen Millionenerben mit | |
Gewissensbissen erzählt. Bei denen müssten Sie als Diplom-Sozialarbeiter ob | |
des plötzlichen Reichtums manchmal „fast die Vaterrolle“ übernehmen, um s… | |
mit einer ethischen Geldanlage von Seelenpein zu befreien. Was rät man mit | |
Ihrer Erfahrung den jungen Klimaklebern, was ethisch-moralisch mehr | |
nachhaltige Durchschlagskraft hätte? | |
Weg von den Blockaden der privaten Infrastruktur, umschwenken auf den | |
Protest am Haupteingang von RWE, Rheinmetall, Heidelberger Zement oder vor | |
dem Bundesstag, den Parteizentralen. Und lernen, dass die Zivilbevölkerung | |
sich durch diese Form von Protest persönlich eingeschränkt sieht und so der | |
Klimaschutz teilweise falsch interpretiert und als Straftat und Terrorismus | |
verstanden wird. Das ist eine unangenehme Erkenntnis. Aber wenn wir den | |
Klimaschutz weiter so emotional in die falsche Richtung aufladen, verlieren | |
wir viele AnhängerInnen. Das darf nicht das Ziel sein. | |
Böse Zungen sagen, auch Ihre private Kostenübernahme über das Treuhandkonto | |
sei brillante PR und sicher erheblich billiger als die kurzen Werbeclips, | |
die seit Monaten vor der Tagesschau für Ihren Klima-Fonds laufen. | |
Wie Sie schon zurecht anmerken, das sagen die bösen Zungen. Lassen wir die | |
in dem Glauben. | |
Und wann sehen wir Sie selbst festgeklebt, vielleicht in Düsseldorf auf der | |
Kö vor einem 100.000-Euro-SUV-Zweitwagen? | |
Wenn ich eine solche Aktivität plane und umsetze, werde ich als erstes die | |
taz-Redaktion anrufen. Spaß beiseite. Genau das wäre der platte | |
beschriebene Marketing- und PR-Gag. Auf der inhaltlichen Ebene muss ich | |
mich nicht festkleben, bin aber bereit diese, die sich trauen solche oder | |
auch andere weiterentwickelte Protestaktionen umzusetzen, dabei zu | |
unterstützen und zu ermuntern, mutig zu bleiben. | |
13 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/retep_kire/status/1652601336582602752 | |
[2] /!1482970/ | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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