| # taz.de -- Olaf Scholz in Äthiopien: Der rote Teppich fehlt | |
| > Als erster westlicher Politiker seit Kriegsbeginn besucht Olaf Scholz die | |
| > Afrikanische Union. Konkrete Zusagen macht der Kanzler bislang nicht. | |
| Bild: Bundeskanzler Scholz mit Äthiopiens Staatsministerin Misgai Arega am Don… | |
| Mit rotem Teppich wird Olaf Scholz in Äthiopien nicht empfangen. Der | |
| Kanzler wandelt auf einem Teppich aus Blumen, als er am Donnerstag der | |
| Regierungsmaschine am Flughafen der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba | |
| entsteigt. Doch Flower-Power-Feeling will trotzdem nicht aufkommen. | |
| Erstens ist Scholz zu Gast bei einem Mann, dem Kriegsverbrechen zur Last | |
| gelegt werden, beim Ministerpräsidenten und einstigen Hoffnungsträger Abiy | |
| Ahmed. Und zweitens ist mitten in den Reisevorbereitungen ein neuer | |
| Konflikt ausgebrochen – [1][der blutige Machtkampf in Sudan]. | |
| Der deutsche Bundeskanzler ist nun der erste westliche Politiker, der seit | |
| Beginn des von Sudans zwei mächtigsten Generälen angezettelten Bürgerkriegs | |
| zum Amtssitz der Afrikanischen Union (AU) nach Addis Abeba reist. Der | |
| Bürgerkrieg im Sudan ist natürlich auch Gesprächsstoff beim Treffen mit dem | |
| AU-Komissionsvorsitzenden Moussa Faki. Die AU ist das Pendant zur | |
| Europäischen Union – wenn auch mit 55 Mitgliedern deutlich vielstimmiger | |
| und entsprechend entscheidungsunfreudiger. Dennoch ruhen viele Hoffnungen | |
| auf der AU, die in Sudan vermitteln will. | |
| In der Bundesregierung heißt es, man freue sich, dass die AU die Rolle des | |
| Vermittlers für sich reklamiert habe und sozusagen im Fahrersitz sitze. | |
| Klingt ein bisschen wie: „Macht mal, wir drücken Euch die Daumen.“ | |
| ## Libyen darf sich nicht wiederholen | |
| Immerhin hatte die AU im [2][äthiopischen Bürgerkrieg 2022 die | |
| Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Tigray-Volksbefreiungsarmee | |
| vermittelt]. Mit Erfolg. Kriegt sie das Kunststück auch im Sudan hin? | |
| Ausgemacht ist das nicht, denn die AU ist uneinig. Als AU-Mitglieder | |
| beanspruchen sowohl Äthiopien als auch Kenia die Rolle als regionale | |
| Vormacht für sich, haben auch eigene Angebote als Vermittler gemacht. | |
| Scholz besucht jetzt beide. Doch sein erster Gang führt ihn zum Amtssitz | |
| der AU-Kommission, einem gewaltigen Bau aus Glas und Stein, erbaut von | |
| China. Hier trifft Scholz am Nachmittag den AU-Kommissionsvorsitzenden | |
| Faki, Afrikas Pendant zu Ursula von der Leyen. Moussa Faki hatte am | |
| Dienstagnachmittag ein Sondertreffen der AU zu Sudan einberufen. Dort hatte | |
| man erneut vereinbart, mit vereinten Kräften auf einen Waffenstillstand | |
| hinzuarbeiten. Nach dem Treffen mit Scholz erklärte Faki jetzt: „Die | |
| internationale Gemeinschaft kann uns im Sudan-Konflikt unterstützen, indem | |
| sie mit einer Stimme spricht anstatt verschiedene Initiativen zu starten, | |
| die alles verkomplizieren.“ Man wolle keinen Frieden wie in Libyen, eine | |
| solche Tragödie müsse vermieden werden. | |
| Wie Deutschland die afrikanischen Länder dabei unterstützen kann? | |
| Deutschlands Stimme werde gehört, „was immer ihr tut, tut es mit uns“, | |
| bittet der Sudan-Sprecher der AU, Mohamed El Hacen Lebatt. Die Botschaft | |
| ist klar: Westlich dominierte Friedensmissionen wie zuletzt die kläglich | |
| [3][gescheiterte UN-Mission in Mali] sind nicht erwünscht. Stattdessen | |
| solle die internationale Gemeinschaft Druck auf die Kriegsparteien und ihre | |
| Unterstützer ausüben, fordert der AU-Sprecher. Wer gemeint ist, verrät er | |
| nicht, bekannt ist aber, dass etwa Ägypten den sudanesischen Armeechef | |
| Abdelfattah al-Burhan unterstützen soll. | |
| In Deutschland ist man durchaus gewillt, der AU in ihren Bemühungen um | |
| einen Waffenstillstand in Sudan unter die Arme zu greifen. Konkrete Zusagen | |
| machte Scholz in Addis Abeba jedoch nicht. Er versprach lediglich „alle | |
| Unterstützung Deutschlands für eine friedliche Konfliktbeilegung“. Das | |
| betrifft wohl in erster Linie Geld und Know How. Falls die AU tatsächlich | |
| eine eigene militärische Mission startet, könnte es aber auch bald um | |
| Waffenlieferungen gehen. | |
| Scholz hatte jedoch eine andere frohe Botschaft im Gepäck: Deutschland | |
| wolle sich dafür stark machen, dass die Afrikanische Union einen Sitz in | |
| den G20 bekommt, also im Club der Industrie- und Schwellenländer. „Das | |
| gebietet der Respekt vor dem Kontinent“, so der Kanzler, der in Afrika | |
| schwer um Augenhöhe bemüht ist. Es dürfte die Rolle der AU auf jeden Fall | |
| aufwerten. Bisher ist Südafrika das einzige afrikanische G20-Mitglied. | |
| Im Vorfeld der Reise hieß es aus Regierungskreisen, Scholz wolle zunächst | |
| ein besseres Verständnis für die Dynamik des Sudan-Konflikts gewinnen. | |
| UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte gewarnt, dass sich dieser auf die | |
| gesamte Region ausweiten könnte. Auch AU-Sprecher Lebatt warnte vor einer | |
| „Krise im Herzen von Afrika“. In der deutschen Regierung ist man ebenfalls | |
| der Ansicht, dass der Machtkampf im Sudan auch Europa etwas angeht. Droht | |
| er doch die eh schon fragile Region weiter zu destabilisieren. Die Folge | |
| könnten neue Migrationsbewegungen sein. | |
| 4 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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