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# taz.de -- Ukrainischer Präsident in Den Haag: Selenski will Putin vor Gericht
> Der ukrainische Präsident fordert in den Niederlanden ein Tribunal für
> Moskaus Kriegsverbrechen. Das Vorbild: die Nürnberger Prozesse.
Bild: In der „Hauptstadt des internationalen Rechts“: Selenski am Donnersta…
Amsterdam taz | Russlands Präsident Wladimir Putin soll sich nach Worten
des ukrainischen Präsidenten vor einem Sondertribunal wegen
Kriegsverbrechen verantworten. Das forderte Wolodimir Selenski am
Donnerstagmorgen bei einem spontanen Besuch in Den Haag. Den [1][Angriff
auf die Ukraine] zu verurteilen, sei eine historische Verantwortung, und
der Aggressor müsse die volle Macht der Gerechtigkeit zu spüren bekommen,
so der ukrainische Präsident. Selenski bedankte sich bei den Niederlanden
für die Unterstützung und „jede Waffe, die die Ukraine bekommen hat“.
Die Ansprache trug den Titel „Kein Frieden ohne Gerechtigkeit für die
Ukraine“. Selenski plädierte darin für ein Sondertribunal für in der
Ukraine [2][begangene Kriegsverbrechen] nach dem Vorbild der Nürnberger
Prozesse. „Wenn wir wirkliche Gerechtigkeit wollen, dürfen wir nicht nach
Entschuldigungen suchen und auf die Mängel des heutigen internationalen
Rechts verweisen. Wir müssen tapfere Entscheidungen treffen.“ Sollte sein
Land den Krieg gewinnen, werde Putin sich mit Sicherheit in Den Haag
verantworten müssen. „Alle Angriffskriege der Geschichte haben etwas
gemeinsam: die Täter dachten, sie könnten damit wegkommen.“
Die Symbolik von Inhalt und Schauplatz war deutlich. Er rühmte Den Haag als
„Hauptstadt des internationalen Rechts“. Am Sitz der niederländischen
Regierung befinden sich unter anderem der Internationale Strafgerichtshof
(ICC) und der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen.
In unmittelbarer Nähe des Veranstaltungszentrums World Forum, wo Selenski
auftrat, befand sich bis 2017 das Jugoslawien-Tribunal der Vereinten
Nationen, wo sich unter anderem der serbische Ex-Präsident Slobodan
Milošević, der 2006 in Haft verstarb, verantworten musste. Vor den
Kosovo-Sonderkammern begann erst im April ein Prozess gegen den
kosovarischen Ex-Präsidenten Hashim Thaçi, dem Kriegsverbrechen und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden.
## Ein Prozess gegen Putin ist bislang eher wenig realistisch
Selenski besuchte auch den Internationalen Strafgerichtshof. Dieser hatte
Mitte März wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland
Haftbefehle gegen Putin und die Kinderrechts-Beauftragte der russischen
Regierung erlassen.
Weil Russland kein Mitglied des ICC ist und dort keine Verfahren in
Abwesenheit geführt werden, gilt ein Prozess gegen Putin dort bislang aber
nicht als realistisch – zumindest nicht bis zu einem Regime-Wechsel in
Russland. Die Signalwirkung der Haftbefehle ist dennoch hoch,
unterstreichen sie doch die Ambitionen der internationalen Rechtsprechung.
Wopke Hoekstra, der niederländische Außenminister, nannte eine Verurteilung
Putins eine „ultimative Konsequenz“ des Haftbefehls.
Selenski erinnerte in seiner Ansprache nicht nur an die Opfer von mehr als
6.000 vermeintlichen Kriegsverbrechen seitens der russischen Besatzer
allein im April, sondern auch an die Insassen des Passagierflugzeugs MH17.
Dieses wurde, von Amsterdam kommend, im Juli 2014 über dem ostukrainischen
Kriegsgebiet von einer Rakete abgeschossen. Ein niederländisches Gericht
sieht die Verantwortung prorussischer Milizen als erwiesen an und
Verurteilte im November drei Angeklagte in Abwesenheit zu lebenslangen
Haftstrafen. Der vierte wurde freigesprochen.
Am Mittag traf der ukrainische Präsident mit dem niederländischen
Premierminister Mark Rutte an dessen Amtssitz in Den Haag zusammen, der
Selenski in einer Pressekonferenz weitere Unterstützung zusicherte: „Wie
lange es auch dauert, und wie schwer es vielleicht auch ist.“ Auch der
belgische Premierminister Alexander De Croo nahm an dem Treffen teil.
Sowohl Den Haag als auch Brüssel befürworteten Waffenlieferungen an die
Ukraine schon, als in Berlin darüber noch heftig gestritten wurde. Wie die
Tageszeitung Volkskrant mutmaßte, könnte Ruttes Aussage darauf hinweisen,
dass die Niederlande auch der Lieferung der von Kiew geforderten
Kampfflugzeuge positiv gegenüberstehe.
Der Besuch Selenskis sorgte in den Niederlanden zudem für Spekulationen.
Weil am Abend des 4. Mai in einer nationalen Gedenkfeier in Amsterdam der
Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht wird, kamen Gerüchte auf, Selenski
könne dort als Redner auftreten.
4 May 2023
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## AUTOREN
Tobias Müller
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Isjum
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