# taz.de -- Mondrian-Ausstellung in Wolfsburg: Eigenleben von Formensprache | |
> Im Kunstmuseum Wolfsburg wird die geometrische Malerei von Piet Mondrian | |
> in Produkte des Alltags überführt. Das hat auch subversive Nebeneffekte. | |
Bild: Mondrians Kunst lebt im Alltag weiter: Hier ein Blick in die Wolfsburger … | |
Schon wieder Piet Mondrian? Ist nicht erst im Februar das | |
Gemeinschaftsprojekt „Mondrian Evolution“ der Schweizer Fondation Beyeler, | |
der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und des Kunstmuseums Den Haag in | |
Düsseldorf zu Ende gegangen? | |
Was will also das Kunstmuseum Wolfsburg mit seiner Schau „Re-Inventing | |
Piet“? Keine neuerliche Retrospektive. Vielmehr interessiert die Marke | |
Mondrian und wie sie auch heute bis in populäre Alltagskultur hineinreicht. | |
Denn kaum ein Künstler aus dem 20. Jahrhundert, so die These, war in diesem | |
Bereich so prägend wie der Niederländer Piet Mondrian (1872–1944). | |
Dafür muss man den Blick allerdings auf einen Ausschnitt seines Werkes | |
beschränken, jene charakteristische Phase zwischen 1920 und 1940 mit ihren | |
so plakativen wie eingängigen geometrischen Kompositionen aus flächigen | |
Primärfarben und schwarzen Linien, von Mondrian Neoplastizismus und „Neue | |
Gestaltung“ genannt. Die Ausstellung beginnt mit einer eindrucksvollen | |
Strecke an Belegen: Lego-Baukästen in den Mondrian-Farben Gelb, Blau und | |
Rot, ergänzt um schwarze Elemente, T-Shirts und weitere Bekleidungsstücke. | |
## Dreidimensionale Flächenkunst | |
Und – noch immer überzeugend – die raffinierte Interpretation von Mondrians | |
Grafik durch [1][Yves Saint Laurent in schmal geschnittenen Minikleidern] | |
aus der Herbst-Kollektion 1965. Denn das muss man erst einmal schaffen, | |
Mondrians Flächenkunst an die dreidimensionalen Konturen des weiblichen | |
Körpers anzupassen. Saint Laurent wählte dafür einen homogenen Wolljersey, | |
separierte die farbigen Teile durch akkurate schwarze Streifen und | |
verdeckte den notwendigen rückwärtigen Reißverschluss unter einer | |
gleichfalls schwarzen, breiten Blende. | |
Dass zeitgleich tätige und im Austausch stehende Künstler:innen sich | |
wechselseitig beeinflussen, ist naheliegend. Aber hier wird es schon | |
schwieriger, die eindeutige Richtung eines Ideenflusses festzumachen. So | |
gehörte etwa 1917 nicht nur Mondrian zu den Gründungsmitgliedern der | |
[2][Gruppe De Stijl] im holländischen Leiden, sondern auch der Maler Bart | |
van der Leck (1876–1958), der interdisziplinär arbeitende Künstler Theo van | |
Doesburg (1883–1931) sowie die Architekten J. J. P. Oud (1890–1963) und | |
Gerrit Rietveld (1888–1964). | |
Mondrian würdigte später einmal van der Leck für seinen Mut, erstmals | |
ungemischte Primärfarben auf rechteckigen Flächen verwendet zu haben. Beide | |
sahen in ihrer gegenstandslosen Malerei eine plastisch expansive Gegenkraft | |
zur flächig architektonischen Begrenzung des Raumes. De Stijl-Inkunabeln | |
aber wurden Rietvelds rotblauer Stuhl von 1917 und sein Schröder-Haus in | |
Utrecht, 1924 realisiert, eine räumlich aufgebrochene Komposition aus | |
horizontalen und vertikalen Scheiben. | |
## Modellrekonstruktion von 1926 | |
Mondrians Entwurf gebliebenes Studierzimmer der Dresdner Sammlerin und | |
Mäzenin Ida Bienert von 1926 hingegen überwindet nicht die Fläche zugunsten | |
des Raumes. In der Wolfsburger Ausstellung ist es als Modellrekonstruktion | |
zu sehen. Und man merkt, Mondrians Versuche im Raum beschränken sich auf | |
farbige Flächen, platziert an mitunter ungewohnten Positionen. | |
Aber um raumbildendes Schaffen ging es Mondrian offensichtlich nicht. Ihn | |
interessierte die Überwindung der Illusionskunst Malerei. Sie soll kein | |
Abbild mehr liefern, nicht eine dreidimensionale Realität in die | |
zweidimensionale Fläche überführen. Die Malerei wird autonom, konkret, | |
findet ihre eigenen Gesetze. Für Mondrian bedeutete dies die | |
Selbstbeschränkung auf die Grundkoordinaten der Welt, den rechten Winkel. | |
Die Beschränkung eröffnete ihm aber einen erstaunlich flexiblen | |
Gedankenraum für sein Spätwerk in New York ab 1940. Denn während der | |
Jazz-Liebhaber Mondrian mit seinem luftig flirrenden, um 45 Grad gedrehten | |
„Victory Boogie Woogie“ 1944 nicht nur das Ende des Zweiten Weltkriegs | |
freudig antizipierte, arbeiten sich bis heute Künstler:innen-Genrationen an | |
seinem neoplastischen Grundwerk ab. | |
Eines der aktuellsten unter den rund 150 in Wolfsburg gezeigten Artefakten | |
ist von Kathryn Sowinski. Ihre kleine Zeichnung ist eine Reprise von | |
Sherrie Levines Druckgrafiken, mit denen sich Levine ihrerseits in den | |
1980er Jahren Mondrians bekannte Kompositionen aneignete. Sowinskis Titel: | |
„After Sherrie Levine, After Piet Mondrian II“. | |
15 Apr 2023 | |
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[1] /Museum-Yves-Saint-Laurent-in-Marokko/!5453743 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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