# taz.de -- Brandanschlag in Saarlouis vor 32 Jahren: Nicht weiter unbestraft l… | |
> Das Oberlandesgericht in Koblenz verhandelt den Mord an Samuel Yeboah. | |
> Nach 23 Verhandlungstagen ist kein Ende der Beweisaufnahme in Sicht. | |
Bild: Gedenkveranstaltung für den 1991 bei einem Brandanschlag getöteten Samu… | |
KOBLENZ taz | Seit fünf Monaten bemüht sich der Staatsschutzsenat des | |
Koblenzer Oberlandesgerichts, den mutmaßlich rassistisch motivierten | |
Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis aufzuklären. In der | |
Nacht des 19. September 1991 starb dabei der damals 27-jährige Samuel | |
Yeboah aus Ghana. Wegen Mord und Mordversuch [1][muss sich Peter S. | |
verantworten], der damals als 20-jähriger Skinhead in der saarländischen | |
Neonaziszene aktiv war. Auch nach 23 Verhandlungstagen ist kein Ende der | |
Beweisaufnahme in Sicht. | |
Für diesen Montag war ein wichtiger Zeuge geladen: Peter Str. war in den | |
90er Jahren führender Aktivist der Neonaziszene in Saarlouis. Zeugen | |
bescheinigten ihm eine enge Verbindung zum Angeklagten. Str. soll | |
ausländerfeindliche Aufmärsche im Saarland organisiert haben, bei einem | |
Gedenken für Rudolf Hess, Hitlers Stellvertreter, wurden er und der | |
Angeklagte als Ordner gesehen. Außerdem belegen Fotos, dass sie bei einer | |
Nazi-Demonstration mit den späteren NSU-Rechtsterroristen Beate Zschäpe, | |
Uwe Mundlos und Ralf Wohlleben marschiert waren. Ob der Jüngere den Brand | |
wirklich allein gelegt hat, wie es die Anklage unterstellt? | |
Die Befragung des brisanten Zeugen musste allerdings vertagt werden wegen | |
einer Erkrankung und eines Todesfalls in der Familie eines Richters. | |
Ein möglicher [2][Deal war zuletzt geplatzt]. Bis zum Montag vergangener | |
Woche sollte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablegen, das Gericht | |
wollte ihm dafür einen möglichen Strafnachlass zusagen. Doch die | |
Bundesanwaltschaft hatte einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der vom | |
Gericht in Aussicht gestellte Strafrahmen sei angesichts der Schwere der | |
Schuld zu gering, so die Anklagebehörde. | |
Verteidiger Kai-Daniel Weil räumte gegenüber der taz ein, die jetzige | |
Verhandlungspause spiele ihm „technisch“ in die Karten, er brauche Zeit für | |
die Beratung seines Mandanten: „Wir sind zu konstruktiven Gesprächen | |
bereit.“ Ob es noch zu einem Geständnis kommt, bleibt also offen. | |
## Ermittlungen nach Jahrzehnten | |
Bei Weils Verteidigerkollegen Guido Britz klang das zum Prozessauftakt noch | |
anders: Mit der Mordanklage habe die Bundesanwaltschaft „den Rahmen eines | |
rechtsstaatlichen Verfahrens verlassen“, sagte er damals und sprach von | |
„Gesinnungsstrafrecht“. Er hatte sogar bezweifelt, dass es überhaupt einen | |
Brandanschlag gegeben habe. | |
Auch wenn das Verfahren ins Stocken geraten ist – die UnterstützerInnen der | |
überlebenden Opfer und der Familie Yeboahs sind mit dessen bisherigen | |
Verlauf zufrieden. Das sagten sie Ende vergangener Woche bei einer | |
Pressekonferenz. Der Staatsschutzsenat sei auf „Verurteilungskurs“, stellte | |
Rechtsanwalt Björn Elbeling für die Nebenklage fest. | |
Die Hauptbelastungszeugin Katja K., die mit ihrer Anzeige 2019 die neuen | |
Ermittlungen und das Verfahren ausgelöst hatte, sei „souverän und absolut | |
glaubwürdig“ aufgetreten, so Elbeling. Ihr gegenüber hatte Peter S. bei | |
einer Grillparty im Jahr 2007 mit seiner angeblichen Tat geprahlt. Als sie | |
2019 erfahren habe, dass bei dem Brandanschlag ein Mensch zu Tode gekommen | |
war, sei sie zur Polizei gegangen, so ihre Aussage. | |
## Ein wichtiges Signal | |
Im Verfahren sei deutlich geworden, wie schlampig damals ermittelt worden | |
sei, sagte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann. Zeugenaussagen seien falsch | |
protokolliert worden, die Akten belegten Vorurteile der ermittelnden | |
Beamten; wie im Fall des rechtsterroristischen NSU seien die Opfer | |
verdächtigt und mit ihren Traumata alleingelassen worden. | |
32 Jahre danach könne ein wichtiges Signal von diesem Prozess ausgehen, | |
sagte Heike Kleffner vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene | |
rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Zwischen 1990 und 1996 | |
gab es mehr als 1.500 rechte Gewalttaten, nur jede fünfte davon sei | |
aufgeklärt. Bei sechs Brandanschlägen seien damals 17 Menschen zu Tode | |
gekommen, keiner der Täter sei bis heute bestraft worden, sagte Kleffner | |
und fügte hinzu: „Opfer und Angehörige schauen mit großen Hoffnungen auf | |
den Prozess in Koblenz.“ | |
24 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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