| # taz.de -- Rechter Mordanschlag in Saarlouis 1991: Festnahme nach 11.583 Tagen | |
| > Ein zweiter Beschuldigter ist wegen des Brandanschlags festgenommen | |
| > worden, 32 Jahre nach der Tat. Er gilt als Anführer der damaligen | |
| > Neonazi-Szene. | |
| Bild: Die Antifa Saar fordert einen Untersuchungsausschuss und Entschädigungen… | |
| Berlin taz | 11.583 Tage nach der Tat hat die Generalbundesanwaltschaft | |
| einen zweiten Verdächtigen im Zusammenhang mit dem tödlichen Brandanschlag | |
| auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis 1991 festgenommen. Der am | |
| Dienstag verhaftete 54-jährige Peter St. steht im dringenden Verdacht der | |
| Beihilfe zum Mord und versuchten Mordes, [1][wie die Bundesanwaltschaft | |
| mitteilte]. | |
| Der von nationalsozialistischen und rassistischen Überzeugungen geprägte | |
| Tatverdächtige St. habe damals eine hohe Stellung in der regionalen | |
| Skinhead-Szene eingenommen und habe mutmaßlich auf den bereits angeklagten | |
| Hauptbeschuldigten [2][eingewirkt und ihn in seinem Tatentschluss | |
| bekräftigt]. Wegen des offenbar rassistisch motivierten Brandanschlags | |
| steht in Koblenz bereits der 51-jährige [3][Peter Werner S. vor dem | |
| Oberlandesgericht], er ist angeklagt wegen Mordes und 20-fachen versuchten | |
| Mordes. | |
| Bei dem Attentat in der Nacht zum 19. September 1991 starb Samuel Yeboah an | |
| seinen schweren Verbrennungen. Der Asylbewerber aus Ghana wurde 27 Jahre | |
| alt. Zwei weitere Opfer brachen sich Knochen beim Sprung aus Fenstern, 18 | |
| weitere Bewohner*innen konnten physisch unverletzt fliehen. | |
| Die Staatsanwaltschaft ermittelte damals trotz einer bundesweiten Welle | |
| rechter Gewalt in alle Richtungen und stellte das Verfahren nach elf | |
| Monaten ein – obwohl es allein in den Jahren 1991 und 1992 mehr als zwanzig | |
| Anschläge auf Flüchlingsunterkünfte in den Landkreisen Saarlouis und | |
| Saarbrücken gab und Hinweise auf Tatverdächtige aus der rechten Szene, auf | |
| die antifaschistische Initiativen seit Jahrzehnten immer wieder hinwiesen. | |
| ## Mutmaßlicher Täter prahlte auf einer Grillparty | |
| Seit dem Sommer 2020 ermittelte die Polizei in Saarland nach einer | |
| verspäteten [4][Anzeige durch eine Zeugin] erneut – der Angeklagte hatte | |
| mit der Tat bei einer Grillparty geprahlt. Das Verfahren landete bei der | |
| Generalbundesanwaltschaft. Im Januar 2021 gab es erste Durchsuchungen, im | |
| April 2022 wurde Peter Werner S. wegen dringenden Tatverdachts festgenommen | |
| und sitzt seither in Untersuchungshaft. | |
| Die Bundesanwaltschaft wirft dem am Dienstag festgenommenen Peter St. vor, | |
| dass dieser in der Tatnacht mit dem Hauptverdächtigen und weiteren rechten | |
| Skinheads in einer Kneipe gesessen habe. Dabei habe St. habe mit Blick auf | |
| rechte Gewalt in Ostdeutschland zum hierarchisch unterstellten S. gesagt: | |
| „Hier müsste auch mal so was brennen oder passieren.“ S. schritt offenbar | |
| noch in der selben Nacht zur Tat, als er kurz darauf in den frühen | |
| Morgenstunden das Asylbewerberheim in der Saarlouiser Straße anzündete. Er | |
| habe das Gebäude betreten, im Treppenhaus des Erdgeschosses Benzin | |
| ausgegossen und es in Brand gesteckt. | |
| [5][Martina Renner], Rechtsextremismus-Expertin von der Linken, fragte: | |
| „Was mag es für die Betroffenen rechter Gewalt bedeuten, dass mehr als 30 | |
| Jahre vergehen, bis es ernsthafte Anstrengungen gibt, den Mord an Samuel | |
| Yeboah aufzuklären?“ Es brauche umfassende Ermittlungen zu allen | |
| ungeklärten Anschlägen in den Neunzigern, forderte Renner. Die Antifa Saar | |
| fordert im Zusammenhang mit der Anschlagsserie einen Untersuchungsausschuss | |
| und [6][Entschädigungen für die Opfer]. | |
| Mittlerweile haben [7][Sicherheitsbehörden Fehler eingestanden], der | |
| Landespolizeipräsident hat sich entschuldigt. Einige der überlebenden Opfer | |
| des Attentats mussten später noch [8][einen weiteren versuchten | |
| Brandanschlag] auf eine andere Unterkunft erleiden. Die mittlerweile | |
| Festgenommenen tauchten später auf Fotos auf, die sie bei einer Nazi-Demo | |
| [9][zusammen mit den NSU-Terroristen] Zschäpe, Mundlos und Wohlleben | |
| zeigten. | |
| ## Hinweise zurückgewiesen | |
| Das [10][Antifa-Magazin „Der Rechte Rand“] beschrieb die jahrzehntelange | |
| mangelnde Aufklärung mit Blick auf die damaligen Verhältnisse im Saarland | |
| so: Gegen antifaschistische Initiativen gab es Repression, für die Rechten | |
| „akzeptierende Sozialarbeit“. Im Fall Saarlouis hätten Antifa-Strukturen im | |
| Zusammenhang mit dem tödlichen Brandanschlag schon seit den Neunzigern auf | |
| S. hingewiesen. Politiker wie Sicherheitsbehörden hätten die Hinweise | |
| zurückgewiesen. | |
| Kritik gibt es auch an der Kreisstadt und ihrem [11][Umgang mit dem | |
| mörderischen Brandanschlag]. Erst vor zwei Jahren wurde am Jahrestag eine | |
| Hinweistafel aufgestellt. Die Stadt habe 30 Jahre lang vertuscht und | |
| verharmlost, es handele sich dabei um ein „Erinnern ohne Vergangenheit“. | |
| Einen bereits 2001 von Antifaschist*innen am Rathaus befestigten | |
| Gedenkstein hatte die Stadt wieder entfernen lassen – für einen der | |
| mutmaßlichen Verantwortlichen gab es ein Strafverfahren. | |
| 6 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.generalbundesanwalt.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/aktuell… | |
| [2] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mordfall-samuel-yeboah-weiterer-tatv… | |
| [3] /Anschlag-auf-Fluechtlingsunterkunft/!5892357 | |
| [4] /Brandanschlag-in-Saarlouis-vor-32-Jahren/!5927220 | |
| [5] https://twitter.com/MartinaRenner/status/1665986610616213505 | |
| [6] /Anschlag-auf-Fluechtlingsunterkunft/!5892357 | |
| [7] /Brandanschlag-im-Jahr-1991-in-Saarlouis/!5845925 | |
| [8] /Brandanschlag-im-Jahr-1991-in-Saarlouis/!5845925 | |
| [9] /Brandanschlag-in-Saarlouis-vor-32-Jahren/!5927220 | |
| [10] https://www.der-rechte-rand.de/archive/8467/samuel-yeboah-saarlouis/ | |
| [11] https://www.der-rechte-rand.de/archive/8467/samuel-yeboah-saarlouis/ | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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