| # taz.de -- Brandanschlag in Saarlouis: Nach 32 Jahren verurteilt | |
| > Bei einem rassistischen Brandanschlag 1991 wurde Samuel Kofi Yeboah | |
| > ermordet. Nun wurde ein früherer Neonazi-Skinhead dafür verurteilt. | |
| Bild: Der Angeklagte (vorne links) wird zur Verkündung des Urteils geführt | |
| Koblenz taz | Als Samuel Kofi Yeboah am 18. September 1991 über den | |
| Marktplatz von Saarlouis ging, beschlich ihn ein dunkles Gefühl. Wie so oft | |
| saßen auch an diesem Abend die örtlichen Neonazis am Brunnen, soffen und | |
| pöbelten. „Eines Tages“, sagte der 27-Jährige zu seinem Begleiter, „wer… | |
| sie mich umbringen“. Wenige Stunden später war der aus Ghana geflüchtete | |
| Mann tot, qualvoll gestorben bei einem Brandanschlag auf die | |
| Asylunterkunft, in deren Dachgeschoss er wohnte. | |
| Die düstere Prophezeiung zitierte Richter Konrad Leitges, als er am Montag | |
| das Urteil gegen den Mann verkündete, der nach Überzeugung des Koblenzer | |
| Oberlandesgerichts für den Mord vor mehr als 32 Jahren verantwortlich war: | |
| [1][Sechs Jahre und zehn Monate Jugendstrafe] verhängte der | |
| Staatsschutzsenat gegen Peter Werner S., damaliger Neonazi-Skinhead und | |
| auch lange danach ein Aktivposten der rechtsextremen Szene im Saarland. | |
| Eine Verurteilung zu lebenslanger Haft blieb dem 52-Jährigen nur erspart, | |
| weil er bei der Tat noch Heranwachsender gewesen war und nach dem | |
| Jugendstrafrecht verurteilt wurde. | |
| Der Angeklagte, sagte Leitges, habe das nächtliche Feuer aus rassistischem | |
| Hass gelegt – und um sich gegenüber seinen braunen Kameraden zu beweisen. | |
| „Er wollte allen Ausländern das Gefühl geben, in Deutschland nicht sicher | |
| zu sein.“ Nicht allein wegen des Mordes an Samuel Kofi Yeboah verurteilte | |
| ihn das Gericht, sondern auch wegen versuchten Mordes an zwölf weiteren | |
| Bewohner*innen der Unterkunft. Aber: Bei acht Menschen, die im | |
| Erdgeschoss einen Geburtstag feierten, habe der Angeklagte von einer | |
| Rettung ausgehen können, ihren Tod also nicht billigend in Kauf genommen. | |
| Nebenklageanwalt Björn Elberling, der mehrere dieser Betroffenen vertritt, | |
| hält das für nicht nachvollziehbar. „Das ist kein ‚Kollateralschaden‘, … | |
| hier Menschen sterben. [2][Das ist das Ziel“], sagte der Anwalt. „Ich werde | |
| meinen Mandanten dringend empfehlen, gegen das Urteil Revision einzulegen.“ | |
| Die Verteidigung dagegen zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des | |
| elfmonatigen Prozesses. „Der Strafsenat hat ausgewogen geurteilt“, sagte | |
| Rechtsanwalt Guido Britz. Die Vertreter*innen der Bundesanwaltschaft | |
| gaben keine Stellungnahme ab. | |
| ## Freundlich wurden die Neonazis auf der Wache geduzt | |
| Mit dem Urteil blieb das Gericht zwischen den Forderungen der | |
| Anklagebehörde, die neun Jahre Jugendstrafe verlangt hatte, und der | |
| Verteidigung, die auf viereinhalb Jahre plädiert hatte – wegen bloßer | |
| Beihilfe. Denn nach anfänglich hartnäckigem Leugnen hatte Peter Werner S. | |
| ein halbes Jahr nach Prozessbeginn schließlich doch noch eine Art | |
| Geständnis abgelegt: Er sei bei dem Anschlag dabei gewesen, aber nur als | |
| Mitläufer eines anderen damaligen Neonazis. Das nahm ihm das Gericht jedoch | |
| nicht ab. | |
| Mehr als 1.500 rassistische Brandanschläge gab es in der ersten Hälfte der | |
| neunziger Jahre, als Neonazis sich angesichts der flüchtlingsfeindlichen | |
| gesellschaftlichen Stimmung als Vollstrecker eines „Volkswillens“ fühlten. | |
| Nur ein kleiner Teil davon wurde jemals aufgeklärt. Dass das mit mehr als | |
| drei Jahrzehnten Verspätung nun beim Mord an Samuel Kofi Yeboah gelang, ist | |
| [3][einer einzigen Frau zu verdanken]. | |
| Die Zeugin meldete sich 2019 bei der Polizei, weil sie sich nach dem Lesen | |
| eines Artikels über ungelöste Mordfälle im Saarland an ein Grillfest | |
| erinnert hatte, bei dem sich Peter Werner S. ihr gegenüber mit der Tat | |
| gebrüstet habe: „Das war ich. Und sie haben mich nie erwischt.“ | |
| Allein das brachte den Stein ins Rollen. Zudem sitzt [4][seit Juni Peter | |
| St.], der langjährig unangefochtene Anführer der Neonazis von Saarlouis, | |
| ebenfalls in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft glaubt, dass der | |
| 54-Jährige seinen Freund und treuen Gefolgsmann Peter Werner S. zu dem | |
| Anschlag aufgestachelt hat. Die Anklageerhebung dürfte kurz bevor stehen. | |
| So gründlich diesmal ermittelt wurde, so halbherzig geschah das 1991. Das | |
| hat der Prozess ein ums andere Mal gezeigt. | |
| Keine zwei Wochen lang war damals in der rechtsextremen Szene nach | |
| möglichen Täter*innen gesucht worden. Die Polizei glaubte oberflächliche | |
| Unschuldsbeteuerungen. Freundlich wurden die jungen Neonazis auf der Wache | |
| geduzt, einem soll sogar ein Bier angeboten worden sein. | |
| ## Ein Entschädigungsfonds ist angekündigt | |
| Bewohner*innen der Unterkunft, die erst wenig Deutsch sprachen, | |
| befragte man hingegen ohne Dolmetscher. Und mit größter | |
| Selbstverständlichkeit zieht sich das rassistische N-Wort durch die Akten. | |
| Obwohl es auch vor 30 Jahren schon diskriminierend war. | |
| Jahrzehntelang hatten nur antifaschistische Initiativen die [5][Erinnerung | |
| an den Brandanschlag] von Saarlouis wachgehalten. Sie zweifelten nie daran, | |
| dass Samuel Kofi Yeboah einem neonazistischen Mord zum Opfer gefallen ist. | |
| Doch außer ihnen wollte das lange Zeit kaum jemand wahrhaben im Saarland. | |
| Erst mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen und dem Prozess in Koblenz | |
| setzte ein Umdenken ein. | |
| Bereits im vergangenen Jahr hat sich Saarlands Polizeipräsident für die | |
| „Versäumnisse“ und „Defizite“ bei den Ermittlungen entschuldigt. Ein | |
| Untersuchungsausschuss des Landtags in Saarbrücken, der Anfang Oktober | |
| seine Arbeit aufnahm, soll sich um Aufarbeitung bemühen. Ein | |
| Entschädigungsfonds des Landes für Opfer rassistischer Gewalt ist | |
| angekündigt. Und als sich der Anschlag am 19. September zum 32. Mal jährte, | |
| richtete auch die Stadt Saarlouis zum allersten Mal eine | |
| Gedenkveranstaltung aus. | |
| Die Überlebenden der rassistischen Tat hatte man dabei allerdings offenbar | |
| wieder einmal vergessen: Sie wurden nach Angaben ihrer Anwält*innen | |
| nicht eingeladen. | |
| 9 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Anschlag-auf-Fluechtlingsheim-1991/!5965670 | |
| [2] https://www.der-rechte-rand.de/archive/8467/samuel-yeboah-saarlouis/ | |
| [3] /Rechter-Mordanschlag-in-Saarlouis-1991/!5936113 | |
| [4] /Brandanschlag-in-Saarlouis-1991/!5939164 | |
| [5] /Brandanschlag-im-Jahr-1991-in-Saarlouis/!5845925 | |
| ## AUTOREN | |
| Joachim F. Tornau | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Rechter Terror | |
| Rechtsextremismus | |
| Brandanschlag | |
| Saarland | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| Saarland | |
| Schwerpunkt Rechter Terror | |
| Rechtsextremismus | |
| Brandanschlag | |
| Schwerpunkt Rechter Terror | |
| Saarland | |
| Saarland | |
| Saarland | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Chef der Nazi-Skins: Freispruch für den Hintermann bleibt | |
| Urteil zu Brandanschlag in Saarlouis: Peter Str. muss nicht wegen Beihilfe | |
| zum Brandanschlag von 1991 ins Gefängnis. | |
| Urteil zu Brandanschlag in Saarlouis: Freispruch für den Neonazi-Führer | |
| 33 Jahre nach dem Mord an einem Ghanaer wurde der Faschist Peter S. | |
| freigesprochen. Es fehlten Beweise dafür, dass er zum Anschlag angestachelt | |
| hatte. | |
| Prozess zu Brandanschlag in Saarlouis: Angeklagter aus U-Haft entlassen | |
| Im Prozess um einen rassistischen Brandanschlag im Jahr 1991 wird der | |
| Haftbefehl aufgehoben. Gegen den 54-Jährigen gebe es keinen dringenden | |
| Tatverdacht mehr. | |
| Brandanschlag in Saarlouis 1991: Prozess gegen „Gewaltäter“ | |
| Beim Brand der Asylunterkunft in Saarlouis starb Samuel Yeboah. Jetzt wird | |
| dem Hauptbelastungszeugen Beihilfe zum Mord vorgeworfen. | |
| Rassistischer Brandanschlag in Saarlouis: Angeklagt wegen Beihilfe zum Mord | |
| 1991 starb Samuel Yeboha beim Anschlag auf ein Asylbewerberheim. Nun steht | |
| erneut ein Mann deswegen vor Gericht: Er soll das Feuer veranlasst haben. | |
| Rassistischer Brandanschlag in Saarlouis: Anklage wegen Beihilfe zum Mord | |
| Durch einen Brandanschlag in Saarlouis vor 30 Jahren starb der Geflüchtete | |
| Samuel Yeboah. Nach einem ersten Urteil ist nun ein zweiter Mann angeklagt. | |
| Anschlag auf Flüchtlingsheim 1991: Fast sieben Jahre Jugendstrafe | |
| Vor über 30 Jahren stirbt der Asylbewerber Samuel Yeboah in Saarlouis bei | |
| einem rassistischen Brandanschlag. Nun ist ein 52-Jähriger verurteilt | |
| worden. | |
| Rechter Mordanschlag in Saarlouis 1991: Festnahme nach 11.583 Tagen | |
| Ein zweiter Beschuldigter ist wegen des Brandanschlags festgenommen worden, | |
| 32 Jahre nach der Tat. Er gilt als Anführer der damaligen Neonazi-Szene. | |
| Brandanschlag in Saarlouis 1991: Zweiter Verdächtiger festgenommen | |
| Der Geflüchtete Samuel Yeboah starb vor 32 Jahren bei einem rassistischen | |
| Brandanschlag in Saarlouis. Nun gibt es in dem Fall einen weiteren | |
| Beschuldigten. |