# taz.de -- Brandanschlag in Saarlouis 1991: Prozess gegen „Gewaltäter“ | |
> Beim Brand der Asylunterkunft in Saarlouis starb Samuel Yeboah. Jetzt | |
> wird dem Hauptbelastungszeugen Beihilfe zum Mord vorgeworfen. | |
Bild: Die Bundesanwälte Alexander Sylla (links) und Malte Merz im Gerichtssaal… | |
KOBLENZ taz | Seit Mitte Februar muss sich Peter St., 54, vor dem OLG | |
Koblenz wegen Beihilfe zum Mord und 12-fachem Mordversuch verantworten. Im | |
September 1991 war der 27-jährige Ghanaer Samuel Yeboah ums Leben gekommen, | |
als das Asylbewerberheim, in dem er lebte, mit Brandbeschleunigern in | |
Flammen aufgegangen war. Der 54-jährige Angeklagte, zur Tatzeit Kopf der | |
damaligen rechten Skinheadszene, soll S., einen jüngeren Kumpel aus dieser | |
Szene, zu dem Anschlag „veranlasst“ haben, so die Anklage der | |
Bundesanwaltschaft. | |
Das OLG hat den [1][jüngeren Peter S. im Oktober] letzten Jahres wegen der | |
Haupttat nach Jugendrecht zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, | |
weil er zur Tatzeit erst 20 Jahre alt war. Nun geht es um den möglichen | |
Tatbeitrag des älteren St., laut Anklage „Initiator“ des Brandanschlags. | |
Man kann sich den Zeugen Heiko S., inzwischen 51 und sichtlich gealtert, | |
kaum noch als jungen Skinhead vorstellen. Ein roter Pulli spannt über | |
seinem Bauch. Er blinzelt durch dicke Brillengläser, hakt mehrfach nach, | |
weil er Fragen nicht auf Anhieb versteht. | |
Seit einer lebensbedrohlichen Sepsis, die er nur knapp überlebt hat, klagt | |
er über Erinnerungslücken, nimmt Psychopharmaka, leidet unter | |
Schlafstörungen und Depressionen. Schon Mitte der 1990er ist er aus der | |
rechten Szene ausgestiegen, gilt als „Verräter“. Doch er steht zu seiner | |
Vergangenheit. Sein Kopf trägt noch immer das Tattoo „Gewaltäter“, mit nur | |
einem t. „Bei Schlägereien war ich auch dabei“, bekennt er. | |
Am Vorabend des tödlichen Brandanschlags waren die drei zusammen, Heiko S., | |
der damals 20-jährige Peter S. und der angeklagte Peter St. „Wir sind nicht | |
in die Kneipe, um Wasser zu trinken“, erinnert sich Heiko S. an das | |
Besäufnis im „Bayerischen Hof“. Allerdings habe er danach noch | |
selbstständig zu Fuß nach Hause gehen können. „Der St. hat schon bestimmt�… | |
sagt Heiko S. und bestätigt dessen Führungsrolle. | |
Auf die Frage, ob er mehr als 30 Jahre nach dessen Ausstieg noch Angst vor | |
St. habe, antwortet sein früherer Kumpel mit einem klaren Ja: „Er ist | |
gewalttätig.“ Bedeutend ist seine Erinnerung an den Satz, als von den | |
Angriffen auf Ausländer in Hoyerswerda die Rede war: „Hier müsste auch mal | |
so was passieren!“, habe St. gesagt. | |
## Vorbild rechter Mob in Hoyerswerda | |
Mit Sympathie hätten sie über die gewalttätigen Angriffe des [2][rechten | |
Mobs in Hoyerswerda] gesprochen, erinnert sich der Zeuge. „Bei uns müsste | |
auch mal etwas brennen oder passieren!“, steht in einer Vernehmungsakte aus | |
dem Jahr 2020. Das Wort „brennen“ wertet die Bundesanwaltschaft als | |
Initialzündung für den Brandanschlag. | |
Auch auf mehrfache Nachfrage erinnert sich Heiko S. daran nicht. Das Wort | |
„brennen“ habe er sogar mit Kuli aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll | |
gestrichen, sagt er. Er habe die Worte von St. damals eher so verstanden, | |
dass die Gruppe vielleicht am nächsten Tag zum Asylbewerberheim ziehen | |
würde, „um Randale zu machen“, wie in Hoyerswerda, „um ihnen Angst zu | |
machen, damit sie verschwinden“. | |
Als er am Morgen nach der Tat vom Brandanschlag gehört habe, sei er | |
überrascht gewesen. S. habe ihn am Telefon informiert; die Menschen säßen | |
vor dem Heim auf Matratzen auf der Straße, habe der berichtet, kannte also | |
offenbar die Szenerie am Tatort. Er habe S. zwar gefragt, ob der den Brand | |
gelegt habe, doch eigentlich habe er es ihm nicht zugetraut. „Er hat nicht | |
die Eier, so eine Tat zu begehen“, so Heiko S. fast 33 Jahre später. | |
Für die Verteidigung ist mit der Aussage von Heiko S. die Anklage gegen | |
ihren Mandanten zusammengebrochen; Rechtsanwalt Wolfgang Stahl beantragt | |
deshalb die Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft. | |
Bundesanwaltschaft und Nebenkläger widersprechen. Der Senat muss nun | |
entscheiden, ob St. bei der nächsten Hauptverhandlung freikommt. | |
In jedem Fall wird sich der Bundesgerichtshof mit dem tödlichen | |
Brandanschlag von Saarlouis beschäftigen müssen. Gegen das Strafurteil | |
gegen Peter S. haben Bundesanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage | |
Revision eingelegt. Die Klageschriften sind fristgerecht eingegangen und | |
nach Karlsruhe weitergeleitet worden. | |
5 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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Beschuldigten. |