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# taz.de -- Anschlag auf Flüchtlingsunterkunft: Kein Geständnis, kein Deal
> 30 Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag in Saarlouis ist die Schuld des
> Angeklagten nicht bewiesen. Ein Deal, den das Gericht vorschlug, platzte.
Bild: Gedenkkundgebung für Samuel Yeboah am 19. September 2022 in Saarlouis
Koblenz taz | Auch an diesem 23. Verhandlungstag vor dem Oberlandesgerichts
Koblenz (OLG) bleibt die Wahrheitsfindung mühsam. Die Hoffnung auf
Klarheit, die von diesem Tag ausgehen sollte, ist erst einmal vertagt.
„Eine [1][Verständigung auf Vorschlag] des Gerichts ist nicht zu Stande
gekommen“, teilt der Vorsitzende Richter Konrad Leitges zum Auftakt der
Sitzung mit. Es gibt kein Geständnis, vorerst.
Das Gericht hatte dem Angeklagten Peter S. und seiner Verteidigung im März
einen Deal angeboten: Wenn der inzwischen 51-Jährige sich zu der Tat
bekennt, würde der Strafrahmen begrenzt, auf 5,5 bis 6,5 Jahre Haft, falls
das Gericht nach Jugendrecht urteilt. Doch eine Stellungnahme des
Generalbundesanwalts stoppte den Vorschlag fürs Erste: Wegen der besonderen
Schwere der Straftat sei das vorgeschlagene Strafmaß zu niedrig, zumal der
Angeklagte mehr als 30 Jahre lang sein Wissen über die Tatbeteiligung für
sich behalten habe. Bei dem Anschlag war 1991 der Ghanaer Samuel Yeboah
getötet worden.
Mit seinem Vorschlag hatte das OLG zweierlei signalisiert: Zum Einen, dass
es eine Verurteilung des Angeklagten wegen des [2][tödlichen
Brandanschlags] für wahrscheinlich hält. Zum anderen, dass es
möglicherweise nach Jugendrecht urteilen will. Der Angeklagte war zur
Tatzeit 20 Jahre alt und gehörte einer auffälligen Skinheadszene an. Nur
wenn Peter S. vom OLG auch nach Jugendrecht verurteilt werden sollte,
ergibt der vorgeschlagene Deal Sinn. Ein Erwachsener, der wegen Mordes
verurteilt wird, bekommt lebenslänglich – da hätte das Gericht keinen
Spielraum.
## „Ich zittere noch heute, wenn ich daran denke“
Bis es zu einer neuen Absprache kommt, geht es in diesem Verfahren so
weiter, wie in den 22 Verhandlungstagen zuvor. Mit Entsetzen auf Seiten der
Opfer und Angehörigen. Und mit nebulösen Erinnerungen derer, die damals zur
rechten Skinheadszene um den Angeklagten gehörten.
Der erste Zeuge am Dienstag ist Markus B., um die Tatzeit bekennender
Skinhead. Der heute 49-Jährige will sich nach 32 Jahren kaum noch an
Einzelheiten erinnern können. „Mir ging es um Party und Trinken“,
beschreibt Markus B. ein Foto aus der Zeit, auf dem er mit dem Angeklagten
zu sehen ist. Bei der Polizei hatte er seine „rechte“ Gesinnung eingeräumt.
Am Tag des Brandanschlags hatte man sich ebenfalls getroffen. Um 23 Uhr sei
er aber nach Hause gegangen. Vom Brandanschlag habe er damals zwar gehört,
doch wer dafür verantwortlich war, wisse er nicht. Rädelsführer sei der
Angeklagte S. nicht gewesen, der habe sich aber nach dem Anschlag auffällig
verhalten, berichtet Markus B., beruft sich dabei aber auf Beobachtungen
eines Kumpels. Viel mehr weiß er nicht zu sagen, außer dass der Angeklagte
nach ihren Treffen „immer sehr besoffen“ gewesen sei.
Anschließend berichtet der Onkel eines der Opfer sehr konkret. Er habe mit
seinem Neffen Geburtstag feiern wollen. Als das Feuer ausgebrochen sei,
habe er panisch „Help! Help!“, gerufen. „Ich war nicht mehr bei Sinnen“,
sagt er und schildert erschüttert die Brandverletzungen seines Neffen. „Ich
zittere noch heute, wenn ich daran denke“, sagt der Mann, der eigens für
diesen Prozess aus Tschechien angereist ist. „Er sah aus wie gebacken“,
übersetzt der Dolmetscher und seine Stimme wird immer leiser.
18 Apr 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Saarland
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