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# taz.de -- Über Empörung und Interessen: Stuckrad-Barre oder Hannah Arendt?
> Alle reden über das neue Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre. Wie wäre
> es stattdessen mit Politik, Klimakrise und Philosophie?
Bild: Moral, Macht, Machtmissbrauch, Medien und so weiter – darum geht's im n…
War diese Woche mit Freunden aus, und mehr als die Hälfte des Abends
redeten wir aufgeregt [1][über das soeben erschienene Buch des
Schriftstellers Benjamin von Stuckrad-Barre] (Moral, Macht,
Machtmissbrauch, Medien und so weiter). Buch des Jahres! Einmal ging ich
versuchsweise mit meinen berüchtigten zwei Worten „sozialökologische
Transformation“ dazwischen. Da sagten sie superfreundlich, klar, wichtig,
darüber müssten wir unbedingt reden. Beim nächsten Mal.
Das ist die gesellschaftliche, kulturelle und auch mediale Lage. Es ist
immer irgendetwas empörender, kitzelnder, interessanter als das Ende der
Menschheit. Es ist immer etwas aktuell problematischer. Etwa Spritpreise
oder [2][keine neue Gasheizung kaufen zu können, falls die alte eines Tages
ausgetauscht werden muss.] Es ist einfach auch gemütlicher, wenn andere die
Bösen sind.
Jedenfalls hatte Luisa Neubauer während der Protestmarketing-Tage von
Lützerath ein Foto von sich gepostet mit einem Buch des Philosophen Hans
Jonas: „Das Prinzip Verantwortung“. Da hatte ich gedacht: Hey, vielleicht
ist das ja das Buch des Jahres. Was soll ich sagen: Volltreffer. Allerdings
nicht, weil Jonas sagt, dass wir als Menschen im Jetzt zur Verantwortung
für die Zukunft des Menschen verpflichtet seien. Er sagt nämlich auch, dass
diese Zukunftsverantwortung zur Not auch autoritär erzwungen werden müsse.
Auf die Höhe der Problemlage bringt die Neuausgabe des Buches das Nachwort
von Robert Habeck. In einem 18-seitigen Essay analysiert der Vizekanzler
und Wirtschafts- und Klimaminister tief und wertschätzend, widerspricht
aber Jonas in diesem entscheidenden Punkt, dem Zwang. „Wenn radikaler
Klimaschutz den Verlust von Freiheit und Demokratie bedeutet, dann haben
wir nichts gewonnen.“
## Ernst machen mit Zukunftspolitik
Die politische Wahrheit müsse in einer Demokratie immer wieder neu
errungen, begründet und hinterfragt werden. Entweder liberaldemokratisch
oder gar nicht, wir können uns auch mehrheitlich gegen
Zukunftsverantwortung entscheiden. Das muss ausgesprochen sein, sonst gibt
es auch keine Mehrheit dafür.
[3][Das ist jetzt die Herausforderung, vor der Habeck selbst steht, da die
Grünen in Umfragen sinken, seit er ein bisschen Ernst macht mit
Zukunftspolitik und die Koalitionspartner ihn nicht unterstützen,] allen
voran der schweigende Kanzler. Habeck muss die aktuellen Ängste und die
abstrakt scheinende Verantwortung für die Bewahrung von Freiheit,
Rechtsstaat und Demokratie mit einer praktischen Politik und einem größeren
Sprechen so zusammenbringen, dass eine Mehrheit mitmacht.
In dem Nachwort widerlegt Robert Habeck auch die Annahme, seine Partei und
deren Weltsicht sei von Martin Heidegger geprägt. Es ist ja lustig:
08/15-Grüne lesen Heidegger gar nicht, weil: „War Nazi“. Bestimmte Liberale
sind dagegen überzeugt, die Grünen folgten weitgehend Heideggers
Technikskepsis.
Vor allem aber sagt Heidegger, der Mensch habe genug damit zu tun, da zu
sein und Angst vor dem Tod zu haben. So ähnlich sieht das offenbar auch
Olaf Scholz, so sah es Angela Merkel. So sieht es Habeck nicht. Er setzt an
die Stelle von Heidegger als prägende Denkerin der Grünen – na? Genau! –
Hannah Arendt. lso die Philosophin der Freiheit, der Zukunft, des
politischen Einmischens.
Das freiheitliche Leben, so der Tenor von „Vita activa“, ist am besten im
gemeinsamen Machen. Auch das kann man nicht absolut setzen, aber darauf
hinweisen, dass Arendt nicht zufällig die Hauptargumentationsquelle des
Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg ist.
Und hinter Winfried Kretschmann steht seit vielen Jahren eine heterogene
Mehrheit.
23 Apr 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Peter Unfried
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Robert Habeck
Schwerpunkt Klimawandel
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