# taz.de -- Ballett für Solidarität mit der Ukraine: Die Angst vor der Trennu… | |
> Solidarität mit der Ukraine bleibt dringend. Die Gala „Ballet for Life“ | |
> brachte dafür berührende Duette auf die Bühne im Admiralspalast Berlin. | |
Bild: Iana Salenko und Marian Walter in „Les Adieux“ von Eric Gauthier für… | |
Seit 14 Monaten dauert der Krieg, der im Februar 2022 mit dem Angriff | |
Russlands auf die Ukraine begann. Was das an Zerstörung für die Ukraine | |
bedeutet, wird einem mit jedem Tag mehr bewusst. Und doch gibt es in der | |
Rede darüber, in der Aufmerksamkeit für den Schrecken auch ein Moment der | |
Abnutzung. Wenn die Bereitschaft zur Hilfe nachlässt…; man mag nicht | |
aussprechen, wohin das für die Ukraine führen könnte. | |
Deshalb ist es auch vielen Künstler:innen aus der Ukraine so wichtig, | |
jetzt Projekte für ihr Land zu machen. Dazu gehört Iana Salenko, ein Star | |
des [1][Staatsballets Berlin], die zusammen mit dem Tänzer Oleksandr Shpak | |
zum zweiten Mal „Ballet for life“, eine Ballettgala organisiert hat, die | |
Sonntagabend im Admiralspalast lief. | |
Zwei Monate nach Kriegsbeginn hatten die beiden zum ersten Mal ein Programm | |
auf die Beine gestellt und konnten anschließend 46.000 Euro für die | |
Ausrüstung eines Krankenhauses in der Region Kirovograd übergeben. | |
Oleksandr Shpak, der die zweite Gala anmoderiert, berichtet von der großen | |
Hilfsbereitschaft, aber auch davon, dass es jetzt, nach so vielen Monaten | |
des Krieges, auch mühsamer war, alles zu organisieren und Unterstützung zu | |
finden. | |
Diesmal wird das Geld der Gala für Kinder gesammelt, die durch den Krieg zu | |
Waisen geworden sind. | |
Eine Benefiz Gala – das heißt, dass alle Tänzer ehrenamtlich auftreten, die | |
Choreografen ihre Stücke rechtefrei zur Verfügung stellen, der | |
Admiralspalast seine Struktur unentgeltlich einbringt. Iana Salenko hat | |
ihre Kontakte in der Ballettwelt genutzt, um Stücke, meist Duette, | |
berühmter Choreografen zeigen zu können, von Angelin Preljocaj, Wayne | |
McGregor, [2][Akram Khan]. | |
## Stolz auf das Engagement der Künstler:innen | |
Bevor nun aber die Bühne dem Tanz gehört, hat der Botschafter der Ukraine | |
in Deutschland, Oleksii Makeiev, einen kurzen Auftritt. Und erzählt von | |
seinem Stolz über die Präsenz der Künstler:innen aus der Ukraine in | |
Berlins Gegenwart. Das Land wird jetzt auch mit [3][seiner Kultur | |
sichtbar.] | |
Dass dahinter auch steht, dass man in Deutschland eben viel zu lange viel | |
zu wenig über die Ukraine wusste, das sagt er zwar nicht, aber das | |
beschäftigt meine Sitznachbarin im Theater. | |
Und dann geht es los. Mit zwei zauberhaften Liebesduetten, die Iana Salenko | |
und Marian Walter vom Staatsballett Berlin mit großer Zärtlichkeit und | |
Intimität und Mayara Magri und Matthew Ball vom Royal Ballet in London mit | |
großer Kraft zeigen. Von der Opéra national de Paris kommen zwei | |
Tänzerinnen mit einem kurzen Ausschnitt aus Crystal Pites „Body and Soul“ | |
mit Krawatten auf die Bühne, auf Französisch werden ihnen in atemlosem | |
Tempo, aber leise die Begriffe des Balletts zugeflüstert, die Körper werden | |
beinahe zu Maschinen verfremdet, man ahnt den Drill und die Disziplin, die | |
hinter der Schönheit steckt. | |
Die zwölf kurzen Tanzstücke des Abends sind abwechslungsreich in der | |
Sprache des Tanzes. Von der italienischen Choreografin Sofia Nappi kommt | |
ein Stück für zwei Tänzer, das etwas von einem Kampf hat, der nicht | |
stattfindet. Die Gesten, die oft auch etwas Slapstickhaftes haben, beziehen | |
sich aufeinander, aber ein kleiner Abstand trennt die Tänzer, etwas läuft | |
ins Leere, sie suchen sich, aber finden sich nicht. | |
## Den Krieg mitlesen | |
Der Krieg, er ist in dieser Benefiz-Gala oft nur im Hintergrund | |
gegenwärtig; aber er tritt auch ein in das Lesen der Tanzstücke. Etwa im | |
Duett „Dust“ von Akram Khan für das English National Ballet choreografiert: | |
Da ist nichts mehr ganz, in der Musik von Jocelyn Pook läuft das Kratzen | |
einer alten Schallplatte mit, Liedfetzen werden übermalt. Ein Mann und ein | |
Frau begegnen sich in einem schicksalsschweren Moment, ihre | |
Bewegungssprache ist von Lasten, von schmerzvollen Erfahrungen geprägt, von | |
der Sorge umeinander, und dennoch versuchen sie, sich beizustehen. | |
Zwei Stücke wurden eigens für den Abend und Iana Salenko choregrafiert. Von | |
Eric Gauthier aus Stuttgart kam „Les Adieux“, ein Duett, das Iana Salenko | |
wieder mit Marian Walter – ihr langjähriger Tanzpartner und Ehemann – | |
tanzt. In den Abschiedsbildern eines Liebespaares ist ungewiss, ob der | |
Fortgang des anderen nicht endgültig ist, jede Trennung eine endgültige | |
sein könnte. Ein Tuch, keine Fahne, aber dennoch in den Farben Gelb und | |
Blau, deckt die Körper für Momente zu. Es ist eine sehr emotionale | |
Choreografie, zu der fünf Musiker live mit Streichinstrumenten eine | |
Coverversion von „Nothing Else Matters“ von Mettalica spielen. | |
So zeigen die meisten Tanzstücke, ob in klassischer oder zeitgenössischer | |
Bewegungsprache, sehr intime Momente. In deren Mittelpunkt stehen die | |
Verletzlichkeit des Menschen, sein Schmerz, aber auch seine Sehnsucht. | |
Und wie das bei einer Benefiz-Gala dann so ist: Man nimmt den Applaus – | |
nach jedem Stück und besonders lang anhaltend am Ende, als die vielen | |
Beteiligten zusammen auf die Bühne kommen – diesmal mehr als sonst als Dank | |
an die Künstler:innen wahr. Für ihre Kunst und für ihre Geste der | |
Solidarität, an der sie das Publikum teilhaben lassen. | |
18 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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