# taz.de -- Neue Welle von Klimaprotesten: Berlin kann was erkleben | |
> Extinction Rebellion kündigt Aktionen ab Mittwoch an. Danach will die | |
> Letzte Generation alle Aktivist*innen nach Berlin holen und die Stadt | |
> „stilllegen“. | |
Bild: Auf die Kreuzung fürs Klima: Aktivist*innen in Berlin | |
Berlin taz | Mitten in die [1][Depression der Klimabewegung] nach dem | |
[2][verlorenen Volksentscheid] kündigen sich die nächsten Aktionswellen in | |
Berlin an. Insbesondere die [3][Letzte Generation] plant unter dem | |
Schlagwort „Stadtstillstand“ ab Mitte April eine bislang nicht dagewesene | |
Ausweitung ihrer Blockaden in der Stadt. Schon zuvor, von kommendem | |
Mittwoch an, sollen Aktionstage von [4][Extinction Rebellion] (XR) für neue | |
Bewegung sorgen. | |
Nachdem die Letzte Generation in den ersten Monaten dieses Jahres den Fokus | |
darauf gelegt hat, sich bundesweit aufzustellen und auch in Städten wie | |
Dresden oder Bonn den Verkehr blockierte, sollen nun [5][sämtliche | |
Aktivist:innen] in Berlin zusammengezogen werden. Die Sprecherin der | |
Letzten Generation, Lilly Schubert, sagt der taz: „Wir gehen davon aus, | |
dass mindestens 1.000 Menschen zusammenkommen werden, um zu zeigen, dass | |
die Stadt stillgelegt werden kann.“ | |
Erstmals bemüht sich die Gruppe dabei auch aktiv um die Unterstützung und | |
Einbindung weiterer Akteure der Klimabewegung, von XR über Ende Gelände bis | |
hin zu verschiedenen Future-Gruppen. Diese können die Aktionsformen der | |
Letzten Generation übernehmen oder diese auch solidarisch begleiten, indem | |
sie eigene Demos, Fahrradkorsos oder Blockaden organisieren. „Die | |
Vernetzung mit anderen wird deutlich sichtbarer werden“, kündigt Schubert | |
an. | |
## Festkleben und Slow Walks | |
Nach einem öffentlich Auftaktbrunch am 19. April soll in den | |
darauffolgenden zwei Tagen zunächst das Regierungsviertel lahmgelegt | |
werden. Zu den möglichen Aktionsformen gehört dabei nicht nur das | |
Festkleben auf Straßen, sondern auch so genannte Slow Walks: sich langsam | |
bewegende Blockaden, die im Falle des Eintreffens von Polizei auch schnell | |
wieder aufgelöst werden können. | |
Startschuss für Aktionen in der gesamten Stadt mit womöglich Dutzenden | |
parallelen Blockaden ist der 24. April. Laut Schubert soll die Störung des | |
öffentlichen Lebens danach unbegrenzt fortgesetzt werden. Betroffen sein | |
könnte damit auch der 27. April: Jener Tag, an dem CDU und SPD im | |
Abgeordnetenhaus Berlins neue Regierung wählen wollen. | |
Ziel der Letzten Generation, die in den vergangenen Wochen die | |
Unterstützung mehrerer Oberbürgermeister:innen erhalten hat, ist es, | |
die Bundesregierung zum Handeln gegen die Klimakrise zu bringen. Konkret | |
fordert sie dabei – ebenso wie Extinction Rebellion – die Einberufung eines | |
Gesellschaftsrates: Da Bürger:innengremium soll Maßnahmen erarbeiten, | |
um Deutschland bis 2030 klimaneutral zu machen. | |
Bewegungsexperte Tadzio Müller spricht gegenüber der taz von einem nie | |
dagewesen, „im besten Sinne des Wortes wahnsinnigen Plan“ – auch angesich… | |
des nicht einzuschätzenden Gegenwinds durch Autofahrer:innen und | |
repressiver Gegenmaßnahmen. Dennoch lösen die Pläne bei ihm Euphorie aus. | |
Die Letzte Generation sei anderthalb Jahre nach ihrer Gründung „der | |
absolute dominante Bewegungsakteur“ und stehe für die „Fähigkeit der | |
Bewegung, der Politik und Wirtschaft Kosten und Schmerzen zuzufügen“. Dies | |
sei richtig nach all der Zeit, in der die Politik „Klimaschützer:innen | |
umarmt hat, ohne das Klima zu schützen“. | |
## Resignation in der Bewegung | |
All das treffe jedoch auf eine „exponentiell größere Gegenbewegung“. Nach | |
Jahren, in denen die „Klimaschutzbewegung eine ausgeprägte | |
gesellschaftliche Hegemonie“ gehabt habe, so Müller, habe sich die | |
Perspektive vieler Menschen geändert. Müller sieht als Grund dafür | |
insbesondere die Erkenntnis in breiten Teilen der Gesellschaft, dass | |
Klimaschutz nicht ohne den Verlust eigener Privilegien funktionieren werde. | |
XR-Aktivistin Judith Pape, die seit Anbeginn der Gruppe 2019 dabei ist, | |
sagt: „Die Institutionen sind entsetzlich starr.“ Bei vielen | |
Klimaaktivist:innen sei die politische Energie angesichts des | |
Nicht-Handelns der Politik, von Inflation und sich überschlagener Krisen | |
„einer Resignation gewichen“. Staatliche Repression tue ihr übriges. | |
Das Ergebnis: „Der Bewegungszyklus ist langsam gestorben“, so Judith Pape. | |
Darunter leide nicht nur XR, sondern auch [6][Fridays For Future], die | |
zuletzt keine Massen mehr mobilisieren konnten. Müller spricht davon, dass | |
die Klimabewegung sich darauf einstellen muss, eine „Minderheitenbewegung“ | |
zu sein. | |
## Fünf Tage Spring Rebellion | |
Für Extinction Rebellion, die ab Mittwoch fünf Tage lang im Rahmen ihrer | |
Spring Rebellion mit angemeldeten Protesten und Aktionen des Zivilen | |
Ungehorsams die Politik aufrütteln wollen, bedeutet das, nicht mehr | |
Tausende zu Massenblockaden zu mobilisieren. Und dennoch: Wie bei den | |
letzten Protesttagen im September werden dem Aufruf von XR einige hundert | |
Aktivist:innen folgen. In einem Camp im Invalidenpark gibt es Workshops | |
und die Möglichkeit sich zu vernetzen. | |
Auf der Suche ist man dabei auch nach neuen Aktionsformen. Denn die | |
bisherige Strategie des massenhaften zivilen Ungehorsams, kombiniert mit | |
aufwändigen Aufbauten, taugt zwar immer noch für ausdrucksstarke Bilder. | |
Sie ist in ihrer Effizienz aber infrage gestellt, seit die Letzte | |
Generation mit einer Handvoll Teilnehmer:innen denselben Effekt | |
erzielt. | |
Als mögliches Vorbild für Kleingruppenaktionen dient dabei zudem die Gruppe | |
Tyre Extinguishers. Die international agierenden, autonom handelnden | |
Aktivist:innen haben zuletzt auch in Berlin [7][in nächtlichen Touren | |
durch die Reichenviertel immer wieder Luft aus den Reifen von SUV] | |
gelassen. In eine ähnliche Kategorie von Aktionen fällt das von XR zuletzt | |
praktizierte Abschrauben von Verkehrsschildern, die temporeduzierte | |
Bereiche beenden. | |
Florian Zander vom Extinction Rebellion-Presseteam kündigt an, dass der | |
Fokus „mehr in Richtung Kleingruppenaktionen gehen wird, weil die Polizei | |
aufmerksamer geworden ist und in der Vergangenheit Groß-Aktionen verhindert | |
hat“. Dennoch würden wieder große Aufbauten gebastelt. Für Donnerstag ist | |
eine Demo geplant, die die Klimaschädlichkeit der Super-Reichen | |
thematisiert – mit dabei „eine Rakete, mit der Reiche sich vor dem von | |
ihnen zerstörten Planeten ins Weltall retten können“. Am Samstag folgt eine | |
Demonstration zum Thema Biodiversität ab der Bayer-Zentrale. Wenige Tage | |
danach folgt die Letzte Generation: „Wir schließen nahtlos an XR an“, so | |
Lilly Schubert. | |
10 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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