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# taz.de -- Anhaltende Proteste in Israel: Kommt die Regierungskrise?
> Israels Verteidigungsminister spricht sich dafür aus, die Justizreform zu
> stoppen, an der sich die Proteste entzünden. Regierungkollegen wittern
> Verrat.
Bild: Gegen die Justizreform, gegen die neue rechte Regierung: Proteste in Tel …
Tel Aviv taz | Die seit zwölf Wochen stattfindenden Massenproteste gegen
die geplante Justizreform erreichten am Samstag mit mehr als einer halben
Million Protestierenden landesweit einen vorläufigen Höhepunkt. Nach
Abschluss der Demonstration blockierten Tausende Gegner*innen der Reform
die Stadtautobahn Tel Avivs, die Polizei setzte Wasserwerfer ein, einige
Demonstrant*innen wurden festgenommen.
Zeitgleich dazu rief Verteidigungsminister Yoav Gallant in einer
Fernsehansprache dazu auf, die geplante Justizreform auf Eis zu legen und
Gespräche mit den Gegner*innen der Reform zu führen. Gallant, ein
ehemaliger General der israelischen Armee und Likud-Parteikollege von
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, begründete seinen Schritt mit
Sicherheitsrisiken für den Staat Israel.
„Die Sicherheit Israels ist mein Lebensziel“, sagte er: „Die Bedrohungen …
uns herum sind immens, von fern und nah“. In den vergangenen Wochen haben
immer mehr Reserveoffiziere und – soldat*innen aus Protest gegen die
geplante Reform ihren Dienst verweigert und hatten gedroht, ihren Dienst zu
beenden, sollte die Gesetzgebung verabschiedet werden. Außerdem ist das
Verhältnis zu den USA, die Israel mit massiven militärischen Hilfszahlungen
unterstützen, denkbar unterkühlt, seitdem die neue rechte Regierung ihre
Arbeit aufgenommen hat.
In Sicherheitskreisen nimmt die Sorge zu, dass militante Gruppierungen wie
die Terrorgruppe Hamas im Gazastreifen und der [1][libanesische Arm des
Iran, die Hisbollah]-Miliz, sich die innenpolitische Krise für ihre Zwecke
zu Nutze machen könnten. Ende Februar vermeldete die Internationale
Atomenergieagentur außerdem, dass sie im Iran Partikel von fast
[2][waffenfähig angereichertem Uran] gefunden habe.
## Teilerfolg: Gesetz aufgrund der Proteste abgeschwächt
Im Interesse der Sicherheit Israels und „im Interesse unserer Söhne und
Töchter“ solle der Gesetzgebungsprozess gestoppt werden, damit die
israelische Nation das Pessachfest und den Unabhängigkeitstag gemeinsam
begehen und am Holocaust-Gedenktag gemeinsam trauern könne, sagte Gallant
in seiner Fernsehansprache. Er rief auch dazu auf, die Proteste wie die
[3][Massendemonstrationen] am Samstagabend zu stoppen. Außerdem sollte jede
Verweigerung des Dienstes sofort beendet werden, da sie die Stärke der
israelischen Armee untergrabe und dem Verteidigungsapparat schade.
Die Regierung plant, einen Teil der Justizreform in der kommenden Woche zu
verabschieden. Der Teil sei laut Regierung leicht abgeschwächt worden. Doch
auch der aktuelle Gesetzesentwurf würde den bisherigen Prozess, mit dem
Richter*innen ernannt werden, radikal verändern. Er würde es der
Regierung faktisch ermöglichen, die Neubesetzung der nächsten zwei
freiwerdenden Richter*innenposten des Obersten Gerichts zu bestimmen.
Auch die Ernennung des Vorsitz des Obersten Gerichts läge in ihrer Hand.
Für die danach freiwerdenden Posten wäre ein Konsens mit Opposition und
Justiz notwendig.
Auch die anderen Schritte der Justizreform sind weiterhin aktuell und
wurden lediglich verschoben. Dazu gehört unter anderem die
Überstimmungsklausel, mit der die Regierung Entscheidungen des Obersten
Gerichts aushebeln können soll.
Ob die Teilreform zur Ernennung von Richter*innen jedoch, wie geplant,
in der kommenden Woche verabschiedet wird, ist nun fraglich. Wenige Minuten
nach Gallants Ansprache unterstützten zwei weitere Likud Abgeordnete, Juli
Edelstein und David Bitan, seinen Aufruf öffentlich. Ein weiterer Minister,
Avi Dichter, hatte Netanjahu bereits zuvor privat dazu aufgefordert, die
Reform vorerst zu stoppen. Die Regierung hat 64 der 120 Sitze inne, sollten
diese vier tatsächlich mit Nein stimmen, könnten die Gesetzesvorhaben nicht
verabschiedet werden.
## Regierung könnte an Justizreform zerbrechen
Eine handfeste Regierungskrise ist nicht ausgeschlossen. Ein großer Teil
der Regierungsmitglieder schäumte angesichts von Gallants Aufruf.
Likud-Minister beschuldigten ihn, „unter dem Druck der Linken zu
kapitulieren.“ Der Fraktionsvorsitzende des Likud, Ofir Katz, sagte, wer
nicht für die Justizreform stimme, „hat seine Karriere im Likud beendet.“
Der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit [4][Itamar Ben Gvir]
forderte Ministerpräsident Netanjahu unmittelbar nach Gallants Rede dazu
auf, diesen zu feuern.
Derweil erklärte die Protestbewegung die gesamte kommende Woche zur „Woche
der Lähmung“ und kündigte an, an jedem Tag der kommenden Woche über über
Demonstrationen abzuhalten und Autobahnen und Kreuzungen zu blockieren.
26 Mar 2023
## LINKS
[1] /Wahlen-im-Libanon/!5852002
[2] /Iranisches-Atomprogramm/!5917116
[3] /Anhaltende-Proteste-in-Israel/!5915567
[4] /Zuspitzung-im-Nahost-Konflikt/!5917262
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Israel
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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