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# taz.de -- König Charles in Berlin: Dönergeruch und Möwendrohne
> Schlange stehen für einen Blick auf King Charles! Unser Reporter trifft
> am Brandenburger Tor auf genervte Radler und Lehrvideos für den richtigen
> Knicks.
Bild: Kostenloser Werbeträger für einen Schnellimbiss: König-Charles-Fans am…
Kaiserwetter in Berlin für doch nur [1][königlichen Besuch]: Berlin, der
ewige Parvenu, muss halt immer einen drauf setzen. Überhaupt präsentiert
sich Charles’ und Camillas erste Auslandsstation zunächst typisch und aber
auch einfühlsam: Ein paar hundert Meter vom Brandenburger Tor entfernt
kommt einem schon der erste Radfahrer im Linksverkehr entgegen. Am Platz
des 18. März, wo [2][Charles und Camilla] sich hoffentlich später zum
Gedenken an die Revolutionäre von 1848 verbeugen, werden dann nicht minder
berlinisch Radler und Fußgänger auf einer Minispur zusammen an den
Absperrungen vorbeigedrängt, was zum proll-metropoligen Austausch von
Höflichkeiten führt.
Muss das sein Leute, gleich [3][kommt der Hochadel]?! Hauptsache, der
Autoverkehr kann schön geschmeidig mehrspurig fließen, muss ja, wa,
sozusagen schon als Ein-und Ausblick auf die kommende Große
Rückschrittskoalition.
Aber die Besucher aus aller Welt bis Westdeutschland sind auch nicht
besser. Am Holocaust-Mahnmal sagt ein Typ einer Reisegruppe spontan: „Die
Deutschen sind doch die Juden Europas“, leider bin ich im Dienst und habe
keine Zeit, ihm eine reinzuhauen.
## Überwachung und Willkommenssymbol
Außerdem ist natürlich viel, aber nicht übertrieben viel Polizei unterwegs,
ich halte mich, man will ja nicht als Touri durchgehen, links und werde
dann aber wieder zurückgeschickt: Zur Schlange zur Besichtigung ginge es
rechts ums Tor herum, vorbei an der sympathisch offen zu passierenden
Britischen Botschaft. Am Himmel kreisen kreischend Möwen-Drohnen, ein
netter Einfall, die nötige Überwachung zurückhaltend und gleichzeitig als
Willkommenssymbol zu gestalten.
Die US-Flagge auf der Botschaft ist auf Halbmast, kurzer Check bei der
Zentralredaktion, prompte Antwort: Hat nichts mit dem Hohen Besuch zu tun,
ist wegen des jüngsten Schusswaffen-Massakers in Nashville.
Wo wir bei Fahnen sind: Unser Berliner Bärchen fehlt schon mal! Und ist die
EU-Flagge, die neben Union Jack und Schwarz-Rot-Gold die freie Sicht aufs
Brandenburger Tor einschränkt, eigentlich angebracht bei diesem doch ersten
Besuch eines britischen Staatsoberhaupts nach dem Brexit? Und wird das
dadurch ausgeglichen, dass einer der besten Blicke auf das erst nach
Redaktionsschluss stattfindende Tschingderassabum-Spektakel am Platz vor
dem Tore sich den notorischen EU-Rumpelstilzchen in der Ungarischen
Botschaft bieten dürfte?
Das sind Fragen, die man sich stellen kann, während man auf dem
Mittelstreifen Unter den Linden um 10:45 Uhr sich in die gar nicht so lange
Schlange einreiht. Vorher hat man sich eine Kartonkrone von Burger King
besorgt, das Angebot, als kostenloser Werbeträger für einen Schnellimbiss
zu fungieren, stößt auf große Nachfrage, die Duftnote bestimmt zum Glück
eine noble Dönerbude.
## Auf dem Weg in den Inner Circle
Die Schlange läuft auf ein schlauchartiges Zelt zu, in dem die
Leibesvisitation zum Zugang zum Inner Circle stattfindet und mit einem
Lehrvideo nochmal der korrekte Knicks eingeübt werden kann, letztere
Information natürlich [4][frei nach Relotius].
Nach einer halben Stunde Anstehen, in denen zehn Meter zurückgelegt wurden,
will ich die Schlange ziemlich ergebnislos verlassen, als mich doch noch
das Reporterglück ereilt. Eine Kollegin von der konkurrierenden Tagespresse
macht genau mit meiner Schlangennachbarin das klassische kurze
Abfrageinterview – und ich kann einfach so zuhören! Meine Nachbarin ist
extra aus Lüneburg angereist, sie wollte mal einen Royal sehen und sie
möchte kein kurzes Video machen.
Nun hab ich alles im Sack. Ich umrunde das Tor nochmal, kaufe mir eine
Currywurst für vier Euro („ohne Darm hamwa nich“), da klingelt mein
Telefon.
Ein Freund aus Kassel ruft an. In Kassel ist nichts los! Wie immer regnet
es! Und hier, in der Hauptstadt, strahlt die Sonne vom blaublütigen Himmel,
und wenn ich noch ein paar Stunden ausharrte, könnte ich – vielleicht –
einen König und eine Königin sehen – ha: Nimm das, Provinz!
29 Mar 2023
## LINKS
[1] /Kritik-an-royalem-Staatsbesuch/!5921740
[2] /Weitere-Demonstrationen-in-Frankreich/!5924132
[3] /Essayband-Ueber-Koenige/!5888562
[4] /Sky-Doku-ueber-Claas-Relotius/!5921348
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
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Brandenburger Tor
Royals
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