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# taz.de -- Gender-Bias beim Arzt: Eine einfache Methode für 800 Euro
> Was hat die Unterleibs-Erkrankung Endometriose mit Antifeminismus zu tun?
> Leider immer noch eine ganze Menge.
Bild: Der Weg zur Endometriose-Diagnose dauert im Schnitt zehn Jahre
Zufällig erfahre ich in einem Gespräch mit einer Bekannten, dass es seit
Neustem einen einfachen Speicheltest gibt, um die verbreitete Krankheit
Endometriose zu diagnostizieren. Bislang ist die Feststellung sogenannter
gutartiger Verknotungen in Bauchbereich und Unterleib ein aufwändiger
Prozess, bei dem man Glück haben muss. Es fängt dabei an, eine Arztpraxis
zu finden, in der man für die Krankheit sensibilisiert ist und Schmerzen
nicht runtergespielt werden.
Die bislang einzige sichere Methode zur Feststellung von Endometriose ist
eine Bauchspiegelung unter Vollnarkose. [1][Die deutsche
Endometriosevereinigung] geht davon aus, dass bis zu 15 Prozent aller
Frauen plus Dunkelziffer daran erkrankt sind, was Endometriose zur
zweithäufigsten „gynäkologischen“ Krankheit nach Myomen mache. Endometrio…
kann auch cis-Männer treffen. Auch deswegen sind die Zahlen ungenau.
Ich bin bisher nur auf Ärzt*innen gestoßen, die mich weggeschickt oder
mir einfach Schmerzmittel verschrieben haben. Aus Erfahrung weiß ich, dass
Schmerzen von Frauen und Queers, insbesondere, wenn sie nicht weiß, deutsch
und privatversichert sind, seltener ernst genommen werden. Das belegen auch
Studien, die den „Gender- und Racial-Bias“, also Vorurteile in Bezug aufs
Geschlecht und Herkunft untersuchen.
Ich freue mich, dass es jetzt eine einfache Methode gibt, Endometriose
festzustellen. Schließlich dauert der Weg zur Diagnose im Schnitt über zehn
Jahre. Doch als ich lese, dass der Test rund 800 Euro kostet und von der
Krankenkasse nicht übernommen wird, falle ich aus allen Wolken.
## Frauen geht es scheinbar besser, als der Feminismus sagt
Etwa zeitgleich lese ich auf Twitter empörte Tweets zu einem
[2][FAZ-Interview mit dem Soziologen Martin Schröder], der die These
vertritt, Frauen gehe es viel besser, als der Feminismus es uns alle
glauben lasse. Wir naiven Dummchen! Schröder bezieht sich unter anderem auf
Langzeiterhebungen des Sozio-oekonomischen Panels. Die
Bundesantidiskriminierungsstelle stellt 2018 und noch aktuell fest, dass
die Daten aus solchen Umfragen zum Thema Diskriminierung so lückenhaft
sind, dass eine Berichterstattung dazu auf der Basis nicht möglich sei.
Das hat sich inzwischen teils verbessert. Die strukturelle Diskriminierung
von Frauen bleibt aber belegbar. Schröder basht passend zum
rechtsdominanten öffentlichen Diskurs Linke und Genderstudies. Damit wird
deutlich, wo er steht.
Sein erfolgreicher antifeministischer Medienauftritt ist auch deswegen
möglich, weil die Deutschen, auch die, die sich auf Twitter empören, es
nicht gebacken kriegen, gegen den rechten Status quo wirksam aktiv zu
werden. Die AfD liegt in der Sonntagsfrage von Infratest Dimap bei etwa 15
Prozent und die CDU ist im Post-Merkel-Stillstandland stärkste Kraft. Und
da geht’s nur um Rechte im Bundestag. Irgendwann muss man seine Strategien
gegen rechts hinterfragen. Genügend Anhaltspunkte für einen radikaleren
Kampf, wie die Gesundheit von Frauen und Queers, gibt es.
4 Apr 2023
## LINKS
[1] https://www.endometriose-vereinigung.de/home.html
[2] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/frauen-werden-kaum-noch-benachteilig…
## AUTOREN
Amina Aziz
## TAGS
Gesundheitspolitik
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