# taz.de -- Schlechte Aussichten fürs 49-Euro-Ticket: Ohne Bus hilft auch kein… | |
> Der Preis allein bewegt nicht zum Umstieg auf den ÖPNV, zeigt eine neue | |
> Studie zum 9-Euro-Ticket. Denn es hatte kaum Auswirkung auf | |
> Alltagsmobilität. | |
Bild: Einsame Bushaltestelle im Bergischen Land: Wo kein Bus fährt, braucht ma… | |
BERLIN taz | Das 9-Euro-Ticket wurde im vergangenen Jahr vor allem für | |
Freizeittouren genutzt. Zur Arbeit fuhren die Bürgerinnen und Bürger damit | |
seltener. Das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung des Deutschen | |
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Ticket hatte „kaum | |
Auswirkungen auf die Alltagsmobilität“, sagt Mitautor Dennis Gaus. Deshalb | |
hält er es auch für fraglich, ob [1][das neue 49-Euro-Ticket] ab 1. Mai zum | |
verbreiteten Umstieg auf Busse und Bahnen führt. | |
Die Untersuchung analysiert das 9-Euro-Ticket erstmals auf der Basis von | |
bundesweiten und repräsentativen Daten, die aus den Bewegungsprofilen von | |
Smartphones und Befragungen der Nutzer stammen. Sie geht damit über Studien | |
aus dem vergangenen Jahr hinaus, die teilweise zu ähnlichen Ergebnissen | |
kamen. Die Billigfahrkarte galt bundesweit für den öffentlichen Nahverkehr | |
zwischen Juni und August 2022. Rund 52 Millionen Tickets verkauften die | |
Verkehrsbetriebe damals. | |
Das wichtigste Ergebnis der Analyse, die der taz vorab vorliegt: Die vielen | |
zusätzlichen Bus- und Bahnfahrten in den drei Sommermonaten waren eher | |
Ausflüge in die Natur, die Berge und ans Meer. Seltener nutzten die | |
Arbeitnehmer die günstige Fahrkarte, um regelmäßig in die Firma zu kommen. | |
Ein teilweise ähnliches Muster zeigten die Distanzen: Lange Wege über 30 | |
Kilometer nahmen zeitweise stärker zu als kürzere Wege – und dienten | |
vornehmlich Freizeitzwecken am Wochenende. Kurze Wege kann man dagegen eher | |
als Arbeitsmobilität einstufen. „Das 9-Euro-Ticket führte nicht dazu, dass | |
in größerem Umfang Personen auf dem Weg zur Arbeit zum öffentlichen | |
Personenverkehr wechselten“, resümieren die DIW-Mitarbeitenden Dennis Gaus, | |
Neil Murray und Heike Link. | |
## Höhere Nutzung in der Stadt als auf dem Land | |
Weitere Ergebnisse stützen diese Interpretation. Unter Erwerbslosen war im | |
Juli 2022 mit 64 Prozent der Anteil derjenigen am größten, die das | |
9-Euro-Ticket kauften. „Voll Berufstätige“ nahmen es dagegen nur zu 44 | |
Prozent in Anspruch. Gegen den Befund spricht freilich, dass auch 57 | |
Prozent der Auszubildenden die günstige Fahrkarte nutzten – das | |
Studienergebnis ist also nicht ganz eindeutig. | |
Interessant erscheint das Stadt-Land-Gefälle: „Knapp die Hälfte der | |
Personen aus überwiegend städtischen Gebieten erwarb das 9-Euro-Ticket, | |
während dies auf lediglich ein Drittel der im ländlichen Raum wohnhaften | |
Personen zutraf“, heißt es in der Studie. | |
Das DIW-Team erklärt dies mit dem schlechteren Angebot des öffentlichen | |
Verkehrs auf dem Land im Vergleich zu den Städten. Wo kein Bus fahre, | |
brauche man auch kein Billigticket. Und so kommen die Forschenden zu ihrem | |
politischen Fazit: [2][Für einen attraktiven Bus- und Bahnverkehr sei das | |
gute Angebot mindestens ebenso wichtig wie der günstige Preis]. | |
Aus Sicht des DIW hat das Folgen für das neue 49-Euro-Ticket, dessen | |
Vorverkauf in dieser Woche beginnt. Mit dieser Fahrkarte kann man ab Mai | |
alle Nahverkehrsmittel in ganz Deutschland nutzen. Dennis Gaus bezweifelt, | |
dass diese Strategie die Verkehrswende voranbringt. Nicht nur wegen der oft | |
[3][mangelhaften Bus- und Bahnlinien und schlechten Taktung]. Außerdem | |
seien 49 Euro zu teuer. Die Befragung im Rahmen der 9-Euro-Studie habe | |
ergeben, dass die Bürgerinnen und Bürger durchschnittlich 29 Euro für | |
einen akzeptablen Preis halten. | |
4 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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