| # taz.de -- Rassismusvorwurf in Bereitschaftspraxis: Homöopathisch gegen Diskr… | |
| > Nach Rassismusvorwürfen im Bereitschaftsdienst nimmt die Kassenärztliche | |
| > Vereinigung Bremen Änderungen vor. Allerdings nur an einer Präambel. | |
| Bild: Wegen einer solchen Kopfbedeckung sollen Frauen abgewiesen worden sein | |
| HAMBURG taz | Dem Arzt, der im Dezember in Bremen eine Frau nicht behandelt | |
| haben soll, weil sie einen Niqab trug, ist kein Fehlverhalten nachzuweisen. | |
| Das sagt die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB). Trotzdem hat sie | |
| den Fall zum Anlass genommen, im Februar die Präambel ihrer | |
| Bereitschaftsdienstordnung zu ändern. | |
| Der mutmaßliche Vorfall trug sich in der Bereitschaftspraxis am Bremer | |
| St.-Joseph-Stift zu. An einem frühen Freitagmorgen Mitte Dezember [1][soll | |
| der Arzt eine Frau nicht behandelt haben], weil sie eine muslimische | |
| Kopfbedeckung trug, bei der lediglich die Augen frei bleiben. | |
| Die KVHB hatte damals der taz bestätigt, dass ihr dies von einer | |
| medizinischen Fachangestellten gemeldet worden war, die gesehen hatte, wie | |
| die Patientin aufgebracht den Behandlungsraum verlassen hatte. Es sei | |
| danach zu einem „Gespräch zwischen dem behandelnden Arzt und zwei Personen | |
| aus der zentralen Notaufnahme des Krankenhauses gekommen“, die die | |
| Patientin offensichtlich nach dem Vorfall aufgesucht hatte. Der Ärztliche | |
| Bereitschaftsdienst und die Zentrale Notaufnahme liegen im St.-Joseph-Stift | |
| nah beieinander, sind aber organisatorisch getrennt. Der | |
| Bereitschaftsdienst wird von der Kassenärztlichen Vereinigung betrieben, | |
| die Notaufnahme vom Krankenhaus. | |
| Die KVHB hatte den Arzt um eine Stellungnahme gebeten, die eine Woche | |
| später vorlag. Ein Jurist der bei der KV angesiedelten Stelle zur | |
| Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen prüfte den Fall. Ein | |
| Problem: Die Betroffene selbst hatte sich nie offiziell beschwert, so dass | |
| ihre Aussage nicht mit einbezogen werden konnte. | |
| ## Fehlverhalten ist nicht nachweisbar | |
| Christoph Fox, der Sprecher der KVHB, teilte der taz mit, dass „nach | |
| Auswertung aller Unterlagen und Aussagen ein Fehlverhalten des Arztes nicht | |
| nachweisbar ist“. Der Disziplinarausschuss der Vereinigung könne somit | |
| keine disziplinarrechtlichen Maßnahmen einleiten. Der Arzt bestreite ein | |
| Fehlverhalten. | |
| Die Angelegenheit wurde allerdings zum Anlass genommen, um zwei Änderungen | |
| vorzunehmen. Zum einen will sich die KVHB in Zukunft mit dem | |
| St.-Joseph-Stift „im Sinne einer gegenseitigen Unterstützung“ absprechen, | |
| wenn es zu Wünschen hinsichtlich der Behandlung durch medizinisches | |
| Personal aus „kulturellen, religiösen oder anderen Situationen heraus“ | |
| kommt. | |
| Zum anderen wurde die Präambel der Bereitschaftsdienstordnung um einen | |
| einleitenden Satz und einen Abschnitt am Ende des Textes ergänzt. Bisher | |
| hatte die Präambel die Aufgaben des Bereitschaftsdienstes dargestellt und | |
| diese unter anderem von der [2][Versorgung in Hausarztpraxen] abgegrenzt. | |
| Zu Beginn des Textes heißt es nun, der Dienst stehe „allen Menschen, | |
| unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse, der | |
| Soziodemographie und der ethnischen Herkunft, zur Verfügung“. In dem neuen | |
| Absatz am Ende des Textes bezieht sich die KVHB auf das [3][Genfer Gelöbnis | |
| – eine Art modernen hippokratischen Eid] – und das Allgemeine | |
| Gleichbehandlungsgesetz, die einzuhalten seien.Weiter heißt es, [4][dass | |
| die Behandlung „kultursensibel“ erfolgen soll] und dass „Behandlungen auf | |
| Grundlage religionsspezifischer Individualitäten und entsprechender | |
| Erscheinungsmerkmale nicht verweigert werden“ dürfen. | |
| ## Präambel will auch Ärzt*innen schützen | |
| Auch auf mögliche Konflikte geht die Präambel ein: „Sofern für die | |
| Diagnostik und Behandlung notwendige Kooperationen seitens der Patienten | |
| verweigert werden, kann eine medizinische Behandlung allerdings nicht | |
| erfolgen“, heißt es. Dieser Satz solle sowohl Patient*innen vor | |
| Diskriminierung als auch Ärzt*innen vor Vorwürfen schützen, erklärt | |
| KVHB-Sprecher Fox. | |
| Im benachbarten Niedersachsen gibt es einen solchen Absatz mit einem | |
| Hinweis auf „kultursensibles Verhalten“ in der Präambel nicht. Ein Sprecher | |
| der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen sagte der taz, hierfür habe | |
| es bislang keinen Anlass gegeben, da „nie etwas aktenkundig“ geworden sei. | |
| Aretta Mbaruk arbeitet im Bremer Projekt Antidiskriminierung in der | |
| Arbeitswelt (ADA). ADA berät Menschen, die im Berufsleben Diskriminierung | |
| erfahren. Ihr werden auch immer wieder Fälle aus anderen Lebensbereichen | |
| geschildert. Mbaruk hört „des Öfteren von Rassismusvorfällen im | |
| Zusammenhang mit ärztlicher Versorgung“. Die rassistische Diskriminierung | |
| könne sowohl von Ärzt*innen und medizinischem Personal gegenüber | |
| Patient*innen als auch von diesen gegenüber Beschäftigten ausgehen. | |
| Mbaruk fordert deshalb, dass alle Menschen im Gesundheitswesen | |
| „hinsichtlich Diskriminierungsrisiken sensibilisiert sein“ sollten. | |
| 6 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Betz | |
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