# taz.de -- Arzt verweigert Behandlung: Rassismus in Bremer Notfallpraxis? | |
> In einer Bremer Bereitschaftspraxis soll sich ein Arzt geweigert haben, | |
> Patientinnen mit Niqab zu behandeln. Die Betroffenen beschwerten sich | |
> nicht. | |
Bild: Wegen eines solchen Gesichtsschleiers sollen Frauen in Bremen abgewiesen … | |
BREMEN taz | Können Frauen mit Niqab ärztlich untersucht werden, so wie | |
jede andere auch? Ein Bremer Arzt beantwortet diese Frage offenbar mit | |
Nein: Er soll einer Frau die Behandlung verweigert haben, die diese [1][Art | |
von Verschleierung], bei der die Augen frei bleiben, getragen habe. Der | |
Rassismus-Vorfall soll sich an einem frühen Freitagmorgen Mitte Dezember in | |
der Bereitschaftspraxis am Bremer Krankenhaus St.-Joseph-Stift ereignet | |
haben. | |
Die [2][Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KV)], die die Praxis betreibt, | |
bestätigt, dass der Vorfall von einer medizinischen Fachangestellten | |
gemeldet worden sei. „Die Angestellte berichtet, wie die Patientin | |
aufgebracht den Behandlungsraum verlässt“, schreibt ein KV-Sprecher. „Und | |
dass es im Anschluss daran zu einem Gespräch zwischen dem behandelnden Arzt | |
und zwei Personen aus der zentralen Notaufnahme des Krankenhauses gekommen | |
ist, die die Patientin offensichtlich in der Folge aufgesucht hat.“ | |
Der praktizierende HNO-Arzt arbeitet taz-Informationen zufolge öfter nachts | |
im Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der sich in unmittelbarer Nähe zur | |
Notaufnahme der Klinik befindet und auch mit dieser zusammenarbeitet. | |
Die KV habe daraufhin den Kontakt zur Geschäftsführung des Krankenhauses | |
gesucht, „um weitere Erkenntnisse zu sammeln“. Auch der behandelnde Arzt | |
sei zu einer „ausführlichen Stellungnahme“ aufgefordert worden. | |
Zudem habe man die bei der KV Bremen angesiedelte Stelle zur Bekämpfung von | |
Fehlverhalten im Gesundheitswesen eingeschaltet und mit den ihr | |
vorliegenden Infos versorgt. Diese Stelle habe ein Jurist inne, erklärt | |
eine KV-Sprecherin. Die Stelle gehe „Sachverhalten und Hinweisen nach, die | |
auf Unregelmäßigkeiten hindeuten; sie ist mit besonderen Befugnissen | |
ausgestattet und unterliegt gesetzlichen Transparenzgeboten“. Damit sei | |
eine „transparente und verlässliche Verfolgung von jeglichen | |
Verdachtsfällen sichergestellt“. | |
## Jurist der Kassenärztlichen Vereinigung prüft Fehlverhalten | |
Rund eine Woche später, wenige Tage vor Weihnachten, lag die Stellungnahme | |
des Arztes vor, schreibt die KV der taz. Inhaltlich könne man aber nicht | |
darauf eingehen. Das Krankenhaus habe sich in der Zwischenzeit „kooperativ | |
zurückgeäußert und alle vorliegenden Informationen zur Verfügung gestellt�… | |
Noch habe man nicht alle benötigten Infos beisammen, doch schon jetzt | |
zeichne sich ab: „Die vorliegenden Schilderungen widersprechen sich bzw. | |
sind nicht eindeutig.“ Zudem liege „leider“ keine Beschwerde der | |
betroffenen Patientin vor. | |
Eine Beschwerde gebe es auch nicht in einem zweiten Fall, der sich nur | |
wenige Tage nach dem ersten ereignet haben soll. Der KV liege dazu ein | |
Gesprächsprotokoll einer Mitarbeiterin des Bereitschaftsdienstes vor. Darin | |
werde eine Auseinandersetzung beschrieben, „an welcher derselbe Arzt | |
beteiligt sein könnte“. | |
Auch dieser Fall sei an die entsprechende Stelle weitergegeben worden, der | |
Arzt zu einer Stellungnahme aufgefordert. „Ob und inwieweit es sich um | |
gleich gelagerte Vorwürfe handelt, bleibt derzeit noch zu prüfen.“ Die | |
zweite Stellungnahme des Arztes liege derzeit noch nicht vor. | |
## Ermittlungsergebnis ist noch offen | |
Eine Strafanzeige gebe es zu dem Vorfall ebenfalls nicht, teilt eine | |
Polizei-Sprecherin mit. | |
Auf der Ärzt*innen-Website Jameda wird der Arzt überwiegend sehr positiv | |
bewertet; ein Kommentar jedoch wirft ihm auch dort Rassismus und | |
Beleidigungen vor. Beim Versuch der taz, ihn in seiner Praxis telefonisch | |
zu erreichen und ihn nach den beiden Situationen zu fragen, legte er auf. | |
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Arzt bestätigen, so die KV, würde man | |
disziplinarrechtliche Maßnahmen einleiten oder sogar den ordentlichen | |
Rechtsweg beschreiten. „Gegebenenfalls würde auch unmittelbar die | |
Zusammenarbeit mit dem Arzt beendet.“ | |
Auf die Frage, ob sich bereits ein ähnlicher Vorfall um denselben Arzt in | |
der Vergangenheit ereignet habe, antwortet die KV Anfang Januar, dass sie | |
vor wenigen Tagen „durch Dritte“ einen Bericht erhalten habe – zu einem | |
Vorfall, der älter als zwei Jahre sei. Dieser könne heute jedoch nicht mehr | |
geklärt werden, „da weder eine Beschwerde vorlag, noch bekannt ist, was | |
seinerzeit die Ermittlungen/Gespräche ergeben haben“. Man werde dies aber | |
bei gegebenenfalls zu treffenden Maßnahmen, „je nach Ergebnis der aktuellen | |
Fallklärungen“, berücksichtigen. | |
Das Krankenhaus St.-Joseph-Stift ist nach eigenen Angaben nicht für die | |
Notfallpraxis verantwortlich. „Der Ärztliche Bereitschaftsdienst befindet | |
sich zwar in unserem Gebäude und arbeitet im Rahmen der Notfallbetreuung | |
der Patientinnen und Patienten eng mit unserem Haus zusammen. Jedoch ist er | |
rechtlich und organisatorisch eigenständig und nicht Teil des | |
Krankenhauses.“ | |
Beschwerden leite man daher grundsätzlich immer weiter. Zu den konkreten | |
Fällen könne das Krankenhaus nichts sagen. Sollten sich Rassismusvorwürfe | |
bestätigen, werde man mit der KV „weiter in den Dialog“ treten. | |
10 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Kopftuch-an-Schulen/!5718551 | |
[2] /Behandlung-von-Menschen-mit-Behinderung/!5899113 | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
Franziska Betz | |
## TAGS | |
Niqab | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Bremen | |
Notfallversorgung | |
antimuslimischer Rassismus | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Neutralitätsgesetz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rassismusvorwurf in Bereitschaftspraxis: Homöopathisch gegen Diskriminierung | |
Nach Rassismusvorwürfen im Bereitschaftsdienst nimmt die Kassenärztliche | |
Vereinigung Bremen Änderungen vor. Allerdings nur an einer Präambel. | |
Frauenrechte in Afghanistan: Taliban schreiben Niqab an Unis vor | |
In einem Regelwerk erlauben die Taliban Frauen zwar den Zugang zu | |
Hochschulen – doch nur mit Gesichtsverhüllung und getrennt von Männern. | |
Kopftuch an Schulen: Alles bleibt ruhig | |
Befürworter*innen des Kopftuchverbots sagen, das Tuch gefährde den | |
„Schulfrieden“. Stimmt das? Zu Besuch in einer Bremer Schule. | |
Kopftuchverbot in Arztpraxis: Regeln für "Islamistinnen" | |
Weil ein Arzt aus Wächtersbach in seiner Praxis das Kopftuch verbietet, | |
droht ihm ein Disziplinarverfahren. Aber er bekommt Rückendeckung von der | |
Stadt. |