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# taz.de -- Kopftuchverbot in Arztpraxis: Regeln für "Islamistinnen"
> Weil ein Arzt aus Wächtersbach in seiner Praxis das Kopftuch verbietet,
> droht ihm ein Disziplinarverfahren. Aber er bekommt Rückendeckung von der
> Stadt.
Bild: Kopftuch = Islamismus? Diese Frau sieht nicht direkt so aus, als würde s…
Ordnung muss sein. Das gilt auch und gerade in einer Arztpraxis. Das gilt
auch und gerade für ausländische Kinder, die sich in Behandlungsräumen in
Horden zusammenrotten und alles auseinandernehmen. So wild scheint es oft
zuzugehen in der Praxis des Allgemeinmediziners Rainer Peters im hessischen
Wächtersbach. Weil der Arzt offenbar so überfordert war, hängte er einen
Zettel an seine Wartezimmertür, mit dem er "islamistischen Frauen und
Mädchen" das Tragen von Kopftüchern in seiner Praxis verbot,
Grundkenntnisse der deutschen Sprache "zwingend voraussetzte" und sich
weigerte, Familien mit mehr als fünf "leiblichen Kindern" zu behandeln.
Hessens Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat das Verhalten des
Arztes als "unglücklich" bezeichnet. Nach der "Überreaktion" des Mannes
könnte die Geschichte dennoch eine positive Wendung finden. "Wenn
tatsächlich offene Gespräche zwischen Arzt und allen Beteiligten
stattfinden", so Hahn.
Einer, der die Gespräche führt ist Andreas Weiher, erster Stadtrat von
Wächtersbach, der nun versucht zwischen dem Arzt und seinen Kritikern zu
vermitteln. Er traf sich am Dienstag zum wiederholten Mal mit Rainer
Peters, einer Pfarrerin und dem Vorstand des örtlichen türkisch-islamischen
Kulturvereins zum Gespräch. "Der Mann hat ein Problem, das viele
Institutionen haben", sagte Weiher der taz. Was genau das "Problem" ist,
erklärte er auch sofort. Nämlich die "unverhältnismäßigen Auswüchse" von
"verschiedenen Menschen, die dort passieren". Was er mit seiner Wortwahl
genau meint? Es könne nicht sein, dass "die ganze Truppe", so Weiher, zum
Arzttermin mitkommt und dann die "Praxis demoliert". Natürlich habe der
Arzt erkannt, dass er einen Fehler gemacht habe, vor allem in der
Kommunikation, aber dennoch: "Es braucht eine gewisse Grundordnung", sagt
Weiher, der früher Polizeibeamter war.
Haben die Menschen in Wächtersbach zu viel Thilo Sarrazin gelesen? Es geht
nicht nur um einen überforderten Arzt, dem vorübergehend "der Kragen
geplatzt" ist, wie Peters in einem Interview sagte - mit der taz wollte er
nicht sprechen. Es geht auch um eine Kommunalverwaltung, die in ihrer
Stellungnahme allzu viel Verständnis zeigt. Fremdenfeindliches Verhalten
ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das legt auch das Ergebnis
einer aktuellen Emnid-Umfrage nahe. Laut der würde jeder fünfte Deutsche
eine Partei wählen, deren Vorsitzender Thilo Sarrazin ist. Emnid-Chef
Klaus-Peter Schöppner erklärte das damit, dass Sarrazin "endlich
ausspricht, was viele denken".
Die kassenärztliche Vereinigung Hessen hingegen ist weniger verständnisvoll
als die Stadt Wächtersbach. Sie hat den Arzt, der sich mittlerweile
entschuldigt hat, aufgefordert, binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen, ein
Disziplinarverfahren droht.
Sprecher Karl Matthias Roth sagte: "Wir müssen die Vorwürfe überprüfen,
aber so wie wir das wahrnehmen, ist das ein Verstoß gegen die ärztlichen
Pflichten." Die sehen vor, dass Menschen unabhängig von Geschlecht,
Herkunft oder Alter behandelt werden. Man könne nicht "eigene Spielregeln
nach Gusto festlegen", so Roth. Auch ein Arzt muss nach den gesetzlichen
Regeln spielen. Schließlich herrscht in Deutschland Recht und Ordnung.
8 Sep 2010
## AUTOREN
Diana Aust
## TAGS
Niqab
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