# taz.de -- Entlassung der „Bild“-Chefredaktion: Und tschüss! | |
> Der Axel Springer Verlag feuert drei Mitglieder der „Bild“-Chefredaktion | |
> – sie sollen davon erst am Tag ihrer Entlassung erfahren habe. | |
Bild: Kam unerwartet: Nach knapp eineinhalb Jahren muss Johannes Boie seinen Po… | |
Das kam für alle überraschend: Am vergangenen Donnerstag feuerte [1][Axel | |
Springer] drei Mitglieder der [2][Bild-Chefredaktion]. Johannes Boie, | |
Alexandra Würzbach und Claus Strunz verloren ihre Posten. Zur neuen Chefin | |
ernannte der Konzern Marion Horn, die ab 2013 als erste Frau Leiterin der | |
Bild am Sonntag war. Ab 2019 wechselte sie in die Privatwirtschaft zu einem | |
Kommunikationsunternehmen. Es war ein kurzer Ausflug, wie sich nun | |
herausstellt. Horn übernahm am Donnerstag sogleich die Blattplanung, die | |
Zeitung vom Freitag erschien bereits unter ihrer Regie. | |
Eine solche Hauruckaktion ist [3][sogar für Springer ungewöhnlich], wo | |
normalerweise nicht lange gefackelt wird. Wenn man sich unter | |
Bild-Mitarbeitenden umhört, berichten zwar einige von Gerüchten über einen | |
bevorstehenden Umbau, doch so schnell hatte das niemand erwartet. Im | |
Dezember verkündete Springer, dass der ehemaligen Focus-Chefredakteur | |
Robert Schneider ins Führungsgremium von Bild geholt werden soll, dem | |
damals noch Joahnnes Boie vorstand. | |
Schon damals raunten einige im Haus, dass es der erste Schritt sei, | |
zumindest Würzbach und Strunz auszusortieren. Dass nun die Chefredaktion | |
von vier auf zwei Mitglieder verkleinert wird und gleich drei altgediente | |
Redakteur:innen ihre Posten abrupt räumen müssen, damit hatte nun | |
wirklich niemand gerechnet. | |
Verschiedene Quellen berichten, dass Donnerstagmorgen noch alles seinen | |
gewohnten Gang ging. Alexandra Würzbach leitete die tägliche | |
10-Uhr-Konferenz, bevor sie und ihre Co-Chefredakteure zum Vorstand | |
einberufen wurden. Erst dort wurde ihnen eröffnet, dass sie gehen müssten. | |
Warum diese abrupten Entlassungen? Warum ausgerechnet jetzt ein solcher | |
Umbau? | |
## Mehr Leidenschaft für Boulevardjournalismus | |
Der Abgang des von Drogenskandalen und Vorwürfen des Machtmissbrauchs | |
heimgesuchten ehemaligen Chefredakteurs Julian Reichelt ist schließlich | |
erst eineinhalb Jahre her. So viel Zeit hatte das neue Leitungsteam noch | |
gar nicht, eigene Akzente zu setzen oder belastbare Zahlen an Lesern oder | |
Abos für oder wider ihren Kurs zu generieren. | |
Vielleicht findet man Erklärungen in einer Textexegese des dürren | |
Statements, das Axel Springer abgab: In einer E-Mail an die Belegschaft | |
schrieb Geschäftsführer Claudius Senst, dass Bild „Klarheit und | |
Verlässlichkeit in der Führung und Verantwortung“ brauche. Horn hingegen | |
wurden „journalistische Exzellenz, Führungsstärke und Leidenschaft für | |
guten Boulevardjournalismus“ attestiert. Das klingt nicht gut für die | |
bisherige Chefredaktion um Boie. Hatten die etwa keine Verlässlichkeit in | |
der Führung? Keine journalistische Exzellenz? | |
Boie setzte eindeutig andere Duftmarken als der Radaubruder Reichelt. Unter | |
Boie kam Bild (etwas) sanfter daher. Manche Beobachter attestierten der | |
Zeitung unter seiner Führung sogar mehr journalistische Qualität. Das war | |
dann also doch nicht ganz Boulevard genug. Aber wer ist das schon? Der | |
Über-Bild-Chefredakteur und taz-Intimus Kai Diekmann hat offenbar so große | |
Fußstapfen hinterlassen, dass niemand sie zu füllen weiß. Seit er nicht | |
mehr bei Bild ist, verließen Tanit Koch (Chefredakteurin 2016 bis 2018), | |
Julian Reichelt (Chefredakteur 2017 bis 2021) und jetzt Johannes Boie mehr | |
oder weniger freiwillig das Haus. | |
Es kommt nicht zur Ruhe. Der Vorstandsvorsitzende von Springer, Mathias | |
Döpfner, hatte gerade erst den Verlag und darüber hinaus die ganze Branche | |
mit der Nachricht geschockt, dass Springer 100 Millionen Euro sparen soll. | |
Dabei soll es auch zu „deutlichen Reduzierungen von Arbeitsplätzen“ kommen. | |
Noch schlimmeres Ungemacht droht dem Haus: Der Schriftsteller und ehemalige | |
Döpfner-Vertraute Benjamin von Stuckrad-Barre veröffentlicht im April | |
seinen neuen Roman „Noch Wach“. | |
Darin sollen allerlei Anekdoten aus Bild und Springer zu einer fiktionalen | |
MeToo-Geschichte verquirlt worden sein. Es werden also mindestens | |
unangenehme Fragen auf den Konzern zukommen. Da ist es für Boie, Würzbach | |
und Strunz vielleicht ganz erholsam, erst mal aus der Schusslinie zu sein. | |
19 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Caspar Shaller | |
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