# taz.de -- Euronews übt Kritik an Chefredakteur: Was Strunz sich erlaubt | |
> Euronews protestiert in einem offenen Brief gegen Chefredakteur Claus | |
> Strunz. Der Ex-Springer-Mann soll mehrfach parteiisch gehandelt haben. | |
Bild: Ex-„Bild“-Chefredakteur Claus Strunz ist seit Oktober 2024 bei Eurone… | |
Dumm gelaufen. Gerade mal seit drei Wochen ist Claus Strunz Chefredakteur | |
des paneuropäischen Nachrichtensenders Euronews, schon hat der | |
Ex-Bild-Chefredakteur die Belegschaft gegen sich aufgebracht. | |
[1][In einem offenen] Brief vom 8. November üben Mitarbeiter_innen scharfe | |
Kritik an Strunz’ redaktionellen Entscheidungen und seiner [2][fragwürdigen | |
Präsenz auf der Kurznachrichtenplattform X]. Neben seiner Rolle als | |
Chefredakteur ist Strunz auch Interimsgeschäftsführer von Euronews. | |
Besonders beunruhigend sei, so schreiben die Gewerkschaftsvertreter aus | |
Lyon im Brief, dass Strunz verlangt habe, seine parteiischen Tweets zu den | |
[3][US-Wahlen] und zum [4][Zusammenbruch der Ampel] über den offiziellen | |
Euronews-Account zu verbreiten. Außerdem habe Strunz darauf bestanden, dass | |
die Redaktion die US-Wahlen anhand der Zahlen des rechten, | |
Pro-Trump-Nachrichtensenders [5][Fox News] verfolge. | |
Normalerweise stützt sich die Redaktion dabei auf die Daten der | |
Nachrichtenagenturr Associated Press (AP). Fox News (und damit auch | |
Euronews, wie im Brief beklagt wird) hatten Trump schon Stunden vor der | |
offiziellen Bekanntgabe – und dem Erreichen der nötigen 270 Wahlleute des | |
Electoral Colleges – zum Wahlsieger erklärt. Strunz hat sich gegenüber der | |
taz bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen der Belegschaft geäußert. | |
## Was auf dem Spiel steht | |
Auch zu einem weiteren Punkt gibt es keine Stellungnahme: Die Belegschaft | |
kritisiert, dass Strunz [6][ein Video] gedreht und durch Euronews | |
veröffentlicht hat, in dem er die Ampel „die schlechteste Regierung der | |
Bundesrepublik Deutschland“ nennt. Damit habe er seine Meinung und keine | |
nachrichtlichen Inhalte verbreitet, wird im Brief beklagt. | |
Er verstoße „gegen die Grundsätze der Neutralität und Unparteilichkeit“. | |
Das Video ist als Interview und nicht als Meinungsbeitrag gekennzeichnet. | |
[7][Meinungsbeiträge anderer Autor_innen] wurden in der Vergangenheit mit | |
dem Hinweis versehen, dass sie nicht die redaktionelle Position von | |
Euronews widerspiegeln. | |
Die beiden Redaktionen in Lyon und Brüssel sind sich einig, dass Strunz | |
damit nicht nur die journalistische Glaubwürdigkeit der Redaktion aufs | |
Spiel setzt, sondern auch ihre Finanzierung. Die erfolgt zum Teil durch | |
Subventionen der Europäischen Kommission. | |
Der Nachrichtensender wurde 1993 mit der Intention, „die europäische | |
Identität zu stärken“, von zahlreichen europäischen öffentlich-rechtlichen | |
Sendern gegründet. ARD und ZDF waren nicht dabei, unter anderem weil sie | |
mit 3sat und Arte bereits internationale Angebote hatten. | |
## Verbindungen zu Viktor Orbán | |
Heute gehört Euronews zu 97,6 Prozent der portugiesischen Investmentfirma | |
Alpac Capital. Dessen CEO Pedro Vargas David soll persönliche und | |
finanzielle Verbindungen zu engen Vertrauten von Viktor Orbán pflegen, wie | |
[8][eine gemeinsame Investigativrecherche] der französischen Le Monde, der | |
ungarischen Direkt36 und des portugiesischen Expresso vom April 2024 ergab. | |
Wenige Monate später gab es Folgen: Euronews hatte jährlich zwischen 20 und | |
23 Millionen Euro von der Europäischen Kommission erhalten. Diese | |
Unterstützung wurde dann im Juli 2024 auf 11 Millionen Euro pro Jahr | |
reduziert. Weitere Kürzungen kann sich Euronews kaum leisten. Wohl auch | |
deswegen distanzieren sich die Mitarbeitenden jetzt vom parteiischen | |
Chefredakteur. | |
Bevor Claus Strunz zu Euronews wechselte, war er über viele Jahre für | |
Springer tätig. 1998 startete er bei der Welt, wurde 2000 dann | |
Chefredakteur der Bild am Sonntag, bis er 2011 Geschäftsführer für TV und | |
Video bei Springer wurde. | |
Nachdem Julian Reichelt rausgeworfen wurde, übernahm Strunz 2021 gemeinsam | |
mit Johannes Boie und Alexandra Würzbach die dreiköpfige | |
Bild-Chefredaktion. Im [9][Frühjahr 2024 wurde das Trio entlassen], durch | |
Marion Horn und Robert Schneider ersetzt. Boie ist mittlerweile [10][freier | |
Autor für die rechtskonservative Neue Zürcher Zeitung], Würzbach füllt die | |
Rolle der Chefredakteurin des selbsternannten Luxusmagazins Icon der Welt | |
am Sonntag aus. Und Strunz: Wechselte als Chefredakteur und Interims-CEO im | |
Oktober zu Euronews. | |
## Und jetzt? | |
Drei Wochen dauerte es bis zum offenen Brief. Euronews verlangt jetzt, dass | |
Strunz seine parteiischen Aussagen im Namen der Redaktion unterlässt und | |
dass der Verwaltungsrat die Lage untersucht. Auch soll sich Strunz in einem | |
„Townhall style Meeting“ – einer Vollversammlung, in der Führungsebene u… | |
Mitarbeitende direkt miteinander sprechen können – der Belegschaft und | |
ihren Bedenken stellen. | |
13 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://x.com/SNJ_national/status/1855246469739020787 | |
[2] https://x.com/ClausStrunz/status/1854058829505253782 | |
[3] /US-Wahl-2024/!t5575916 | |
[4] /Scheitern-der-Ampelkoalition/!6047493 | |
[5] /Trumps-Wahlkampf/!6043002 | |
[6] https://www.youtube.com/watch?v=VsVCzma2Rlw | |
[7] https://www.euronews.com/2024/05/08/its-time-to-take-a-step-back-from-the-b… | |
[8] https://www.lemonde.fr/economie/article/2024/04/11/derriere-le-rachat-d-eur… | |
[9] /Entlassung-der-Bild-Chefredaktion/!5922622 | |
[10] https://medieninsider.com/ex-bild-chefredakteur-johannes-boie-schreibt-jet… | |
## AUTOREN | |
Valérie Catil | |
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