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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Rückendeckung von links
> Auch die Politik der Ukraine ist streckenweise zu kritisieren. Das Recht
> auf Selbstbestimmung und Verteidigung besteht dennoch unbesehen.
Bild: Berlin: Ein Mitglied der Friedensbewegung diskutiert mit einem anderen De…
Oft heißt es in linken Kontexten, dass sich Waffenlieferungen an die
Ukraine und linke Positionen ausschließen. Doch gibt es eine ganze Reihe
von Gruppen, die Ukrainer*innen weder Solidarität noch das Recht auf
Selbstverteidigung versagen wollen. Die Berliner Gruppe Right to Resist UA,
die ins Leben gerufen wurde, weil die Aktivist*innen die mangelnde
Solidarität von Linken in Deutschland mit Ukrainer*innen entsetzlich
fanden, gehört dazu.
Sie orientiert sich an den Positionen der ukrainischen Sozialisten Socialny
Ruch, bei denen sich der Historiker [1][Taras Bilous] engagiert. Er
kritisiert seit Beginn der russischen Komplettinvasion regelmäßig die
Ignoranz der westlichen Linken gegenüber Russlands imperialen Ansprüchen.
Anstatt die Welt nur in geopolitischen Lagern zu sehen, müssten
sozialistische Internationalisten jeden Konflikt auf der Grundlage
der Interessen der arbeitenden Menschen und ihres Kampfes für Freiheit und
Gleichheit bewerten, findet Bilous.
Er kämpft zudem an der Front und plädiert für Waffenlieferungen. „Auch wir
stellen uns gegen das kapitalistische System, in dem mit Krieg Profit
gemacht wird“, betont Aktivist Ian von Right to Resist. Man trete nicht
generell für Waffenlieferung ein. „Unsere Forderungen dürfen aber nicht
realitätsfern werden.“ Als Reaktion auf [2][das „Friedensmanifest“] von
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht verfasste Right to Resist [3][ein
eigenes Statement].
Darin heißt es, dass ein Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine nicht
zu einem Ende des Krieges führen würde. Im Gegenteil würde dies eine
Ausweitung der russischen Besatzung, also [4][Vergewaltigungen,
Deportationen und Hinrichtungen], bedeuten, die auf andere postsowjetische
Staaten übergreifen könnte.
Die Gruppe demonstriert regelmäßig in Berlin mit anderen linken Gruppen,
wie der russischen „[5][Feminist Antiwar Resistance Berlin]“, den
antikolonialen [6][Voices of Indigenous Peoples of Russia] oder [7][Good
Night Imperial Pride], eine Solidaritätskampagne für antiautoritäre
Genoss*innen, die für die Befreiung der Ukraine von der russischen Invasion
und Besatzung kämpfen.
## Recht zur Flucht vor dem Krieg
Gleichzeitig ist aus einer linken Perspektive kritikwürdig, dass es
[8][ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter] nicht gestattet ist, zu
fliehen. Flucht vor Krieg ist ein Menschenrecht, das seit Kriegsbeginn
mindestens 45.000 Männern und einigen trans Personen verweigert wurde. In
Artikel 65 der ukrainischen Verfassung heißt es, dass die Verteidigung der
Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Ukraine die Pflicht der
Bürger ist.
Allerdings wird nirgendwo die [9][geschlechtsspezifische Dimension dieser
Pflicht] erwähnt. Während sich Männer strafbar machen, wenn sie dieser
Pflicht nicht nachkommen, ist für ukrainische [10][Frauen der Dienst in den
Streitkräften] ein erst seit Kurzem bestehendes Recht, für das ein Teil der
feministischen Bewegung seit Langem kämpft. Aktuell sind mehr als 38.000
Frauen in den Streitkräften, etwa 5.000 von ihnen an der Front.
Die Gruppe Radical Aidforce fährt nahezu wöchentlich in die Ukraine und
ermöglicht Liefer- und Evakuierungsfahrten bis an die Frontlinien. Die
Aktivisten*innen hegen grundsätzliches Misstrauen gegenüber
staatlichen Institutionen. Festzuhalten ist, dass eine Unterstützung des
ukrainischen Widerstandes nicht gleichbedeutend mit einer Unterstützung der
Nato sein muss, insbesondere mit Blick auf [11][andere internationale
Konflikte], in die die Nato involviert ist.
Ein internationales, demokratisches Sicherheitssystem muss her. Darüber
zu debattieren, wird jedoch erst nach Wladimir Putins Untergang und dem
Sieg der Ukraine über den russischen Imperialismus möglich sein. Sorge
bereiten vielen Linken zudem die anhaltende Inflation und die neoliberale
Antwort der Ampelregierung darauf.
## Koalition von links und rechts
So werden prekarisierte Menschen aufgefordert, zu frieren und zu sparen,
anstatt eine adäquate Antwort auf das Versagen der deutschen Energiepolitik
infolge des jahrelangen Appeasements gegenüber Russland zu finden, die
Übergewinnsteuer einzuführen und Reiche zu besteuern. Nicht wenige linke
Gruppierungen demonstrieren deshalb seit Monaten [12][zusammen in einer
Querfront] mit rechten und esoterischen Gruppen gegen eine Unterstützung
der Ukraine und für Frieden mit Russland.
Auf bundespolitischer Ebene stellt sich der [13][Bundesarbeitskreis Bytva]
(ukrainisch für Kampf) dagegen. Er wurde gegründet, um sich mit Linken im
osteuropäischen Raum zu solidarisieren und gleichzeitig Antworten auf die
neoliberale Politik zu finden. Die ukrainischstämmige Linkenpolitikerin und
Mitglied des BAK Bytva Sofia Fellinger kritisiert, dass „aktuell eine große
Aufrüstungskampagne unter dem Mantel der vermeintlichen Ukraine-Solidarität
gefahren“ werde.
Die Menschen in der Ukraine profitierten wenig davon, „da von den 100
Milliarden für die Bundeswehr kein Cent dort ankommt. Wir brauchen als
Deutsche keine angriffsfähige Armee.“ Im Zuge der Energiekrise, die
vermeintlich durch den Ukrainekrieg erzeugt worden sei, fahren viele
Konzerne deutlich höhere Gewinne als vor der Krise ein. „Wir dürfen nicht
zulassen, dass Ukraine-Solidarität und Rechte und Freiheiten sowie soziale
Themen gegeneinander ausgespielt werden“, sagt Fellinger.
Die Überausbeutung osteuropäischer Arbeiter*innen und ukrainischer
Geflüchteter in Deutschland ist ein weiteres Thema wie auch Wolodimir
Selenskis neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zahlreiche Linke
und Gewerkschafter*innen kämpfen aktuell deshalb gleichzeitig gegen
Russland und für die Rechte der Arbeiter*innen. Diese linken Gruppen inner-
und außerhalb der Ukraine benötigen dringend internationale Solidarität.
Stattdessen sind sie zwischen Sowjetnostalgikern, Russlandverstehern und
Nato-Fans größtenteils auf sich allein gestellt.
30 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.opendemocracy.net/en/author/taras-bilous/
[2] /Manifest-von-Wagenknecht-und-Schwarzer/!5916576
[3] https://righttoresistua.de/#deutschstate
[4] /Massaker-in-Butscha/!5843277
[5] https://jungle.world/artikel/2022/23/weisse-rosen-gegen-den-krieg
[6] https://www.instagram.com/voices_of_ipr/
[7] https://gnip.blackblogs.org/
[8] /Kriegsdienstverweigerer-in-der-Ukraine/!5881494
[9] /Psychologe-ueber-sexualisierte-Gewalt/!5903500
[10] https://commons.com.ua/ru/genderna-nerivnist-v-ukrayini-pid-chas-vijni/
[11] /20-Jahre-Irak-Krieg/!5920009
[12] https://www.der-rechte-rand.de/ausgaben/ausgabe-201/
[13] https://www.linksjugend-solid.de/verband/bundesarbeitskreise-arbeitsgruppe…
## AUTOREN
Anastasia Tikhomirova
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Linke Szene
Pazifismus
Solidarität
Sevim Dagdelen
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Antiimperialismus
Nato
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