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# taz.de -- Warnstreik am Montag: Fast alle Räder stehen still
> Mit einem Mobilitätsstreik in nie da gewesenem Ausmaß machen Verdi und
> EVG mächtig Druck für ihre jeweiligen Tarifkonflikte. Ist das nur der
> Auftakt?
Bild: Der ICE bleibt stehen: Die Deutsche Bahn stellt am Montag ihren gesamten …
Berlin taz | So etwas hat die Bundesrepublik noch nie gesehen: Am Montag
steht der öffentliche Verkehr weitgehend still. Mit einer gemeinsamen
Aktion sorgen die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und
Verkehrsgewerkschaft (EVG) für eine bislang [1][einzigartige Einschränkung
der Mobilität].
Die Deutsche Bahn stellt ihren gesamten Fernverkehr ein. S-Bahnen fallen
ebenso aus. In etlichen Städten fahren keine Busse, Straßen- und U-Bahnen.
Selbst die Wuppertaler Schwebebahn schwebt nicht. Der Schiffsverkehr ist
stark eingeschränkt. Geflogen wird auch nicht mehr viel, da nur der
Flughafen Berlin-Brandenburg nicht bestreikt wird. Und wer mit dem Auto
unterwegs ist, sollte Autobahnen mit Tunneln meiden: Sie könnten
geschlossen sein.
Dem glücklichen Umstand eines gemeinsamen Zeitfensters ihrer jeweiligen
Tarifauseinandersetzungen geschuldet, demonstrieren Verdi und EVG mit
[2][ihrem eintägigen Warnstreik], welche Macht Gewerkschaften in
Deutschland noch haben können. Aber es ist erst mal nicht mehr als ein
Muskelspiel. Von einem Aufruf zum unbefristeten Streik sind beide noch
recht weit entfernt.
Auch wenn es bei der dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst
des Bundes und der Kommunen, die von Montag bis Mittwoch in Potsdam
stattfindet, nicht zu einer Einigung kommen sollte, würde zunächst einmal
ein Schlichtungsverfahren folgen, inklusive einer während dieser Zeit
geltenden Friedenspflicht. Bei der Deutschen Bahn steht Ende April erst die
zweite Verhandlungsrunde an.
## Vorherige kümmerliche Tarifabschlüsse
Das Signal ist gleichwohl stark. Das erscheint angesichts der erheblichen
Differenz zwischen dem Anspruch der Beschäftigten und den Angeboten der
Arbeitgeber auch notwendig. Eine Gehaltserhöhung in diesem Jahr von 10,5
Prozent, mindestens aber 500 Euro pro Monat mehr, fordert Verdi. Die EVG
will 12 Prozent, mindestens jedoch 650 Euro.
Dem stehen Angebote gegenüber, die sich für dieses Jahr auf eine
Einmalzahlung von 1.500 Euro im Mai konzentrieren. Eine Tariferhöhung von 3
Prozent soll dann für den öffentlichen Dienst im Oktober folgen, bei der
Deutschen Bahn sogar erst im Dezember. Weitere 2 Prozent sowie eine
nochmalige Einmalzahlung von 1.000 Euro soll es schließlich im kommenden
Jahr geben.
Die hohen Lohnforderungen von Verdi und EVG erklären sich dabei nicht nur
mit den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten seit Beginn des
Ukrainekriegs im Februar 2022. Sie resultieren auch aus den äußerst
kümmerlichen vorangegangenen Tarifabschlüssen, die den Beschäftigten im
öffentlichen Dienst und der Deutschen Bahn schon 2021 trotz einer weitaus
niedrigeren Inflationsrate einen Reallohnverlust beschert haben.
Entsprechend groß ist unter ihnen die Erwartungshaltung, dass sich die
Gewerkschaften jetzt kämpferischer zeigen. Mit ihren Festgeldforderungen,
von denen Niedrigverdiener:innen überproportional profitieren würden,
dokumentieren Verdi und EVG, dass sie sich besonders bei denjenigen in der
Verantwortung sehen, die die Preisentwicklung in Deutschland mit voller
Wucht trifft.
## Durchaus noch Eskalationspotenzial
Ob der [3][flächendeckende Mobilitätsausstand an diesem Montag] nur ein
Vorgeschmack auf einen weitaus härteren Arbeitskampf ist, ist noch nicht
absehbar. Bei der Deutschen Post ging Verdi bis an die Schwelle zum
unbefristeten Streik, beließ es dabei jedoch: Unmittelbar nach der
erfolgreichen Urabstimmung unter den Mitgliedern einigte sich die
Gewerkschaft vor zwei Wochen überraschend auf einen Tarifkompromiss, der in
seiner Kombination (einer Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 3.000
Euro und einer später folgenden Festgelderhöhung um 340 Euro)
möglicherweise eine Blaupause für den öffentlichen Dienst sein kann.
Der letzte richtig massive Streik im öffentlichen Dienst liegt jedenfalls
schon sehr lange zurück. Und er beschränkte sich auf die alte BRD, da nach
der Vereinigung zunächst noch getrennt für West und Ost verhandelt wurde.
Gemeinsam mit den Bediensteten des öffentlichen Dienstes legten vom 27.
April bis zum 7. Mai 1992 auch die Post- und Bahnangestellten die Arbeit
nieder.
Wie heute führte das zu erheblichen Einschränkungen der Mobilität,
allerdings wurde der Zugverkehr nicht vollständig lahmgelegt. Dafür
versanken besonders die Großstädte in Abfallbergen, da auch die Müllwerker
mit im Ausstand waren. Es gibt also durchaus noch Eskalationspotenzial.
26 Mar 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Pascal Beucker
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