| # taz.de -- Academy Awards ohne Selenski: Kein Platz für echte Politiker | |
| > Bei den Oscars gab es keinen Auftritt des ukrainischen Präsidenten. Über | |
| > die Gründe wird wild spekuliert. | |
| Bild: Bei der Berlinale durfte er sprechen: der ukrainische Präsident Wolodimi… | |
| Vor sieben Jahren entstand der überfällige [1][Hashtag #OscarsSoWhite]. Den | |
| es auch in diesem Jahr gebraucht hätte, und zwar nicht wegen der neuen | |
| Farbe des roten Teppichs („pale“ oder „Champagner“ – der würde nicht… | |
| Flecken machen): Allein Daniel Kwan, einer der beiden „Everything | |
| Everywhere All at Once“-Regisseure, hielt die nichtweiße Fahne [2][in den | |
| „Königskategorien“ (Film, Regie, Drehbuch) hoch]. | |
| Im Nachklapp des größten US-Unterhaltungs-Mulatschag führt aber so mancher | |
| den Diskurs weiter: Wieso denn nicht, wie ja sonst fast schon üblich bei | |
| ähnlichen Events, in der Show zu Wolodimir Selenski geschaltet worden sei, | |
| fragte das Branchenblatt Variety diese Woche. Und gab selbst die Antwort: | |
| Der ukrainische Präsident habe nach 2022 bereits zum zweiten Mal beim | |
| Oscar-Sender ABC angeklopft und sei, so wissen „Quellen“, wieder abgewiesen | |
| worden. | |
| Jene nie versiegenden „Quellen“ machen den Oscar-Show-Produzenten Will | |
| Packer für die Absage an Selenski verantwortlich – als Schwarzer Mann hege | |
| Packer insgeheim Groll darüber, dass viel zu viel der Weltaufmerksamkeit | |
| auf den vom Krieg betroffenen weißen Ukrainer:innen lande, People of | |
| Color dagegen, die auf der ganzen Welt in schwerwiegende Konflikte und | |
| Kriege verwickelt sind, seien Hollywood piepe. | |
| Da vonseiten der Oscar-Produktion und Packer kein Kommentar zu der Annahme | |
| kam, ein Schwarzer Mensch sei missgünstig gegenüber weißen Kriegsopfern, | |
| blieb sie so stehen. Und fügt sich in einen Kanon der Scheelsucht ein: Seit | |
| es Bürgerrechtsbewegungen, ach was, seit es Bürger:innen gibt, sicher | |
| auch schon vorher, wird das Leid verschiedener benachteiligter Gruppen | |
| zuweilen gegeneinander ausgespielt. | |
| ## Missgunst zu unterstellen, ist Quatsch | |
| Das scheint unabhängig davon zu passieren, ob man selbst in eine dieser | |
| Gruppen eingeordnet werden kann oder nicht. Was folgerichtig ist, denn | |
| tatsächlich werden Erfahrungen mit Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus | |
| trotz Faktenlage – all diese strukturellen und akuten Diskriminierungen | |
| sind tief verwurzelt in sämtlichen Gesellschaften – unterschiedlich | |
| wahrgenommen. | |
| Weißes Leid hat zwar auf der ganzen Welt einen anderen Stellenwert als | |
| schwarzes Leid. Intersektionelle Diskriminierung, also | |
| Mehrfachdiskriminierung gibt es aber ebenfalls. Man müsste alle | |
| strukturellen und akuten Ungerechtigkeiten gleichermaßen wahrnehmen und | |
| beklagen – doch das geschieht nicht. | |
| Die Unterhaltungsbranche Hollywoods fühlt sich erst recht nicht | |
| verantwortlich: Einem Produzenten einer eh schon immer unpolitischen | |
| Award-Show vorzuwerfen, er sträube sich aus latenter Missgunst gegen die | |
| Möglichkeit einer politischen Aussage, ist darum Quatsch. | |
| Bei den Oscars wurden auch früher keine fremden Präsident:innen | |
| zugeschaltet; sämtliche politische Statements kamen von Preisträger:innen: | |
| [3][Sacheen Littlefeathers Verweigerung für Marlon Brandos Oscar 1973], | |
| Bert Schneiders Anti-Vietnamkriegs-Äußerungen 1975; Vanessa Redgraves | |
| Kritik an der Jewish Defense League 1978, nachdem sie einen Dokumentarfilm | |
| namens „The Palestinian“ produziert hatte; Michael Moores Scham-Attacke auf | |
| George W. Bush 2003; John Legends Awareness-Aufruf für gleiches Wahlrecht | |
| 2015. | |
| Oder es kamen politische Spitzen von sarkastischen, als klassische | |
| „Hofnarren“ mit relativer Redefreiheit ausgestatteten Moderator:innen. | |
| Die Kunst der Satire schützte diese Hosts stets vor Konsequenzen. Denn | |
| Satire gehört zur Unterhaltung und darf damit in die Award-Show. Ein | |
| Präsident in Kriegszeiten, selbst wenn es ein ehemaliger Comedian ist, | |
| hatte in der Traumwelt jedoch noch nie einen Platz. | |
| 18 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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