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# taz.de -- Grundschüler fallen durch Fahrradprüfung: Kinder, wir fahren Elte…
> Immer mehr Kinder fallen in Hamburg durch die Fahrradprüfung. Kein
> Wunder: Ein Drittel der Grundschüler:innen kommt per Elterntaxi zur
> Schule.
Bild: Mit dem Fahrrad eine Straße entlangfahren: Immer weniger Schülerinnen u…
Durch die Fahrradprüfung fallen in Hamburg immer mehr
Grundschüler:innen. Im Schuljahr 2018/2019 haben knapp 18 Prozent aller
Schüler:innen die Prüfung nicht bestanden, im vergangenen Schuljahr
waren es bereits rund 28 Prozent, wie am Donnerstag bekannt wurde. Laut
Polizei liegt es daran, dass die Kinder zunehmend untrainiert sind. Das ist
auch kein Wunder: Ein Drittel der Grundschüler:innen kommt [1][per
Elterntaxi zur Schule].
Die Elterntaxis fahren mit der Beharrlichkeit von Schmeißfliegen vor und
sie sind augenscheinlich unbeeindruckt von den hilflosen Abwehrversuchen
der Schulen: Die probieren es mit Flugblättern, Bienenstempeln für die
Kinder, die zu Fuß kommen – und wenn sie sehr viel Glück haben, steht zwei
Tage lang ein Polizist vor der Schule, um die Elterntaxen aus dem
Halteverbot zu scheuchen.
Die Absurdität der Situation ist gewaltig: Da sind die Elterntaxi-Eltern,
die ihr Kind aus Sorge vor dem schlimmen Verkehr mit dem Auto bringen.
Damit gefährden sie dann diejenigen Schüler:innen, die mit dem Rad oder zu
Fuß kommen. Elterntaxis, das sind die tatsächlichen Gefahrenquellen vor
Schulen und wer einmal zugesehen hat, wie sich Kinder zwischen ihnen zum
Schuleingang schlängeln, kann nicht anders als flächendeckend Poller zu
fordern. Das böse Wort nimmt aber in Hamburg niemand in den Mund.
Fragt man beim Hamburger Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) nach,
dann herrscht bei Bezirken und der von den Grünen geführten Behörde für
Verkehr und Mobilitätswende die gleiche Grabesstille, was das Thema
anbelangt. Ein Schul-Radwegenetz? Unerhört in Hamburg! Dabei wäre jetzt, da
nach langen Jahren so etwas wie ein Bezirksroutennetz am Horizont
erscheint, der ideale Zeitpunkt dafür.
Warum probiert man nicht aus, was eine temporäre Sperrung vor den Schulen
zu den Anfangs- und Schlusszeiten bewirkt? Warum vergrämt man die
Schultaxis im Halteverbot nicht mit Polizeikontrollen, die den Namen
verdienen? Die Antwort ist einfach. Weil es bequemer ist, die
Schüler:innen bei folgenlosen Klimaschutzprojekttagen theoretische
CO2-Einsparmöglichkeiten auf Stellwände pinseln zu lassen als die Kinder
praktisch in die Lage zu versetzen, sie zu verwirklichen.
## Umweltfreundliche Alternativen
Die Gründe für die Untätigkeit reichen von unterbesetzten Bezirksämtern
über autoaffine Innen- und Polizeibehörden bis hin zu ausgebremsten
Verkehrssenatoren. Das Ergebnis ist deprimierend. Ein großer [2][Kotau vor
dem mutmaßlichen Widerstand von Mobilitätsdinosauriern], möglicherweise
noch mit Verweis auf die alleinerziehende Krankenschwester, deren
Kinderbringlogistik das Elterntaxi plötzlich zum Gebot sozialer Solidarität
macht.
Wie wäre es, der alleinerziehenden Krankenschwester stattdessen eine
umweltfreundliche Alternative anzubieten und ihr, so sie
Kinderkrankenschwester ist, ein paar künftige Patient:innen zu nehmen,
durch weniger übergewichtige Kinder und weniger Atemwegserkrankungen?
In Hamburg – wie auch in anderen Städten und auf dem Land – gibt es außer
den rituellen Klagen keinerlei Bereitschaft, Kindern nachhaltige Mobilität
zu ermöglichen. Und wenn man die Verirrungen des Bundesverkehrsministers
betrachtet, dann vermittelt es ihnen zumindest ein realistisches Bild der
Lage. Dirk Lau, der Sprecher des Hamburger ADFC, erinnert sich an Aktionen
von Schüler:innen, die gegen die Elterntaxen protestierten. Was für ein
Armutszeugnis für alle anderen.
In Hamburg-Ottensen gibt es jetzt eine Privatinitiative namens Bicibus, bei
der Eltern mit Schulkindern als Gruppe verschiedene Schulen anradeln, damit
sie sicher ankommen. „Mit dem Bicibus in die Zukunft“ heißt ihr Motto und
man muss ihnen Ausdauer wünschen, denn mit mehr als einer lobenden
Erwähnung beim nächsten Klimaprojekttag sollten sie nicht rechnen.
25 Mar 2023
## LINKS
[1] /Debatte-um-Schulwegsicherheit-in-Berlin/!5877256
[2] /Mobilitaet-und-Lebensqualitaet/!5597178
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Fahrrad
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Straßenverkehr
Eltern
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