# taz.de -- Endlich zu Fuß zur Schule: Showdown für die Elterntaxis | |
> In Hamburg sollen sich Schulen besser gegen Eltern-Taxis wehren können: | |
> mit Schulstraßen, die zeitweise für Durchgangsverkehr gesperrt sind. | |
Bild: Auch die junge Generation findet sie blöd: der Widerstand gegen die Elte… | |
Er ist ganz geräuschlos über die Bühne gegangen: der fraktionsübergreifende | |
Antrag von Grün-Rot. Titel: „Sichere Schulwege für unsere Kinder“. Wer | |
würde da schon gegen stimmen wollen, und tatsächlich wurde der Antrag | |
einstimmig verabschiedet. Nur die AfD enthielt sich, vielleicht war ihr | |
„unsere Kinder“ ein zu weit gefasster Begriff. | |
Tatsächlich ist der Antrag spektakulärer als der Feelgood-Titel vermuten | |
lässt: Künftig sollen Schulen, die besonders [1][unter Elterntaxis leiden], | |
die Möglichkeit haben, Schulstraßen einzurichten. In denen ist der | |
Autoverkehr zu den Hol- und Bringzeiten der Kinder verboten. | |
Elterntaxis sind die Autos der Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren. | |
[2][Der Kampf gegen sie galt bereits als verloren]. Die Schulen selbst | |
hatten wenig Mittel zur Verfügung: Zu Schuljahresbeginn standen | |
gelegentlich Verkehrspolizist:innen vor den Schulen und schickten die | |
anfahrende Elternschaft wieder davon; wenn man den Zeitungsberichten | |
glaubt, waren die Reaktionen, milde formuliert, unfroh. Bemerkenswert ist, | |
dass viele Elterntaxis direkt vor den Halteverbotsschildern halten und | |
ebenfalls bemerkenswert ist, dass sie wieder da sind, kaum dass der letzte | |
Polizist sich umgedreht hat. | |
Manche Schulen betreiben dann Umweltbildung mit kleinen Heften, in denen | |
die Kinder eintragen, wenn sie zu Fuß in die Schule gekommen sind. Das ist | |
ohnehin mehr als naheliegend, schließlich gilt in Hamburg das Prinzip der | |
wohnortnahen Grundschule. Soweit die Theorie. | |
## Beinahe das Polarisierungspotenzial von SUVs | |
In der Praxis erreicht das Thema nahezu das Polarisierungspotenzial von | |
SUVs, es hat ähnlichen Symbolwert und dann geht es auch noch um Kinder: | |
alles drin also. Das Standardargument der Taxi-Eltern ist, dass es ihnen | |
darum ginge, dass ihre Kinder sicher die Schule erreichen. | |
Das verbindet sie mit dem Sicherheitsbedürfnis der SUV-Fahrer:innen, ebenso | |
wie die Gefahr, die sie ohne Not für alle anderen sind. Gut möglich, dass | |
der Streit nicht die Hitzigkeit der US-Debatte um das Recht auf die eigene | |
Waffe erreicht, [3][ans Eingemachte geht es im Autofahrer:innenland | |
Deutschland] aber allemal. Und zwar durch alle Schichten: Vor den Schulen | |
sind alle Autoklassen zu sehen, vom SUV über den tiefer gelegten Mercedes | |
bis zum VW-Kombi. | |
Dass nun die Hamburger Behörden in die Lage versetzt werden, den Schulweg | |
tatsächlich sicherer für alle zu machen, ist großartig – auch wenn es | |
zeigt, dass mit Einsicht und Freiwilligkeit kein größerer Blumentopf zu | |
gewinnen war. Nebenbei zeigt es, dass der Hamburger Verkehrssenator Anjes | |
Tjarks (Grüne) die Ausdauer und das Geschick hat, dicke Bretter zu bohren – | |
in einer Zeit, in der die Nerven bei Themen, die irgendwie nach | |
Ökobevormundung riechen, blank, sehr blank liegen. Und in einer Stadt, in | |
der die Polizei, insofern sie mit Verkehrsfragen befasst ist, lange dem | |
Autoverkehr Vorrang gegeben hat. | |
Die Schulstraßen werden nicht alle verkehrspolitischen Fragen lösen. Aber | |
sie sind ein Anfang in mehrfacher Hinsicht: weil sie ganz praktisch den | |
Schulweg für eine Menge Kinder und diejenigen, die sie begleiten, | |
verändern. Es macht einen Unterschied, ob man fluchend versucht, eine | |
unübersichtliche Masse stehender und anfahrender Autos mit einem Kind im | |
Schlepptau zu durchqueren oder ob man gelassen einfach zur Schultür geht. | |
Es macht einen Unterschied, wenn Kinder erfahren, und zwar jeden Tag neu, | |
dass es Orte gibt, an denen Autos nicht die erste Geige spielen. | |
In Paris werden Schulstraßen komplett verkehrsberuhigt und Menschen, die | |
sie gesehen haben, schwärmen von Grünflächen und Plätzen, an denen sich die | |
Anwohnerschaft trifft. Aber man muss ja nicht gleich nach den Sternen | |
greifen. Erst einmal kommen in Hamburg die Mühen der Niederungen. Die | |
Frage, wie viele Anträge überhaupt gestellt werden – und wie viele von der | |
letztlich entscheidenden Innenbehörde genehmigt werden. Aber ein Anfang ist | |
ein Anfang. | |
12 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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