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# taz.de -- Anschlag auf Bundeswehr-Uni: Brennende Reifen und kaputtes Glas
> Unbekannte haben einen Anschlag auf die Hamburger
> Helmut-Schmidt-Universität verübt. Sie rechtfertigen das als Angriff auf
> den deutschen Militarismus.
Bild: An diesem Gebäude des Campus Nord der Bundeswehr-Uni wurden die Scheiben…
Hamburg taz | Pflastersteine auf die Glasfassade der
[1][Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr] und eine Barrikade aus
brennenden Reifen auf der Straße – damit haben Unbekannte in der Nacht zu
Montag in Hamburg ihrer „Wut auf das Bestehende“ Ausdruck verliehen. Der
Anschlag galt nicht dem Hauptcampus, sondern einer Außenstelle in einem
Bürogebäude im Stadtteil Farmsen.
„Wir greifen den deutschen Militarismus und seine Institutionen an, die so
prägend sind für die Kultur dieser Gesellschaft“, [2][heißt es in einem
Bekennerschreiben], das am Montagabend auf der linken Medienplattform
Indymedia veröffentlicht wurde. Bei dem Anschlag gingen nach Angaben der
Polizei zwei Dutzend Fensterscheiben zu Bruch. Die Staatsschutzabteilung
des Landeskriminalamts ermittelt.
Die Helmut-Schmidt-Universität dient wie ihre Schwester-Hochschule in
München vor allem [3][der akademischen Ausbildung des
Offiziersnachwuchses], bildet aber auch zivile Studenten aus. Sie ist zwar
bei der Bundeswehr angesiedelt, jedoch keine Militärakademie und der
Freiheit der Wissenschaft verpflichtet.
Wie alle anderen staatlichen Universitäten verwaltet sie sich unter
Beteiligung der verschiedenen Statusgruppen selbst. „Sie sieht sich dem
Ideal einer Vielfalt der Disziplinen und Wissenschaftskulturen sowie der
internationalen Wissenschaftskooperation verpflichtet“, heißt es auf ihrer
Website. Die Offiziersanwärter sind für die Dauer ihres vierjährigen
Studiums als Soldaten beurlaubt. Seit dem Ende der 1970er werden sie jedoch
donnerstags militärisch ausgebildet.
Der jetzige Anschlag dürfte das Vorhaben des
Bundesverteidigungsministeriums wieder aufleben lassen, die Universität zum
militärischen Sicherheitsbereich erklären zu lassen. Dann müsste jeder, der
den Campus betreten möchte, an einer bewaffneten Wache vorbei. Vor
anderthalb Jahren [4][hatten sich 400 Wissenschaftler in einem Offenen
Brief] gegen diesen Plan gewandt.
## Forscher sind meist Zivilisten
Wie Jan Stöckmann, einer der Erstunterzeichner des Briefs, damals der taz
sagte, seien die meisten Forscher Zivilisten. Die Einrichtung eines
Militärischen Sicherheitsbereichs stehe im Widerspruch zum „demokratischen
Kern universitärer Praxis“ und gefährde den Charakter der Uni als offener
Wissenschaftsstandort.
„Wir als Forschende müssen immer wieder betonen, dass wir eine zivile Uni
sind, gerade gegenüber ausländischen Wissenschaftlern“, sagte Stöckmann.
„Das könnte durch das Vorhaben schwieriger werden.“ In dem offenen Brief
kritisierten die Unterzeichner, dass Vorträge, Podiumsdiskussionen und
andere Veranstaltungen nur noch nach vorheriger Ausweiskontrolle besucht
werden könnten.
Dies könnte „mittel- bis langfristig die Attraktivität der HSU als
Kooperationspartnerin beeinträchtigen“, befürchten sie. Der akademische
Senat als höchstes Entscheidungsgremium der Helmut-Schmidt-Universität
sprach sich deshalb einstimmig gegen das Vorhaben des
Verteidigungsministeriums aus. Nach einer aktuellen Auskunft der Hochschule
ist das allerdings immer noch vorgesehen.
Für die Verfasser des Bekennerschreibens spricht schon der Plan, den
Hauptcampus zum Sicherheitsbereich zu erklären, gegen die Bundeswehr-Uni.
Hier würden spezialisierte Kompetenzen der künftigen Offiziere gefördert
und Themen beforscht, die in das Interessengebiet der Armee fielen, etwa
durch Zusammenarbeit mit Airbus.
## Bekennerschreiben gegen Militarismus
In dem Bekennerschreiben steht die Bundeswehr für Militarismus, der im
Zusammenhang mit „der aktuellen Kriegshysterie um den Angriff auf die
Ukraine „einen Aufschwung“ erlebe. Militarismus bedinge die Unterdrückung
der vermeintlich Schwächeren und das Streben nach einer Vorherrschaft der
westlichen Mächte. „Er ist selbst in seiner Logik bedingt durch Patriarchat
und koloniales Denken“, schreiben die Autoren.
„Was hier entsteht, wird irgendwo eine aktive Rolle beim Töten von Menschen
spielen“, warnen sie mit Blick auf die Bundeswehr. Diese gebe sich zwar
gerne als demokratische Institution mit ziviler Orientierung. Wie aber ein
Krieg unter deutscher Beteiligung aussehe, habe sich in den grausamen
Auseinandersetzungen im Jemen, in Mali, in Afghanistan gezeigt. Außerdem
toleriere die Bundesregierung den Krieg der Türkei gegen die kurdische
Region Rojava in Nordsyrien.
Mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Konflikte stellt sich allerdings
die Frage, was die Gruppe der Bundeswehr vorwerfen zu müssen meint. [5][Im
Jemen] war ein einziger Bundeswehrsoldat als Vermittler aktiv, [6][in Mali]
gehörte die Bundeswehr zu einer Mission der Vereinten Nationen, [7][in
Afghanistan] bekämpfte sie die radikal-islamischen Taliban.
21 Mar 2023
## LINKS
[1] /Campus-wird-Sicherheitsbereich/!5763032
[2] https://de.indymedia.org/node/268490
[3] https://www.hsu-hh.de/universitaet
[4] /Militarisierung-der-Bundeswehr-Uni/!5791670
[5] https://www.sueddeutsche.de/politik/jemen-bundeswehr-1.4782716-2
[6] /Bundeswehreinsatz-in-Mali/!5893774
[7] /Untersuchungsausschuss-zu-Afghanistan/!5894434
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Militär
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Rüstung
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Hamburg
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zum Militärischen Sicherheitsbereich machen. Dagegen gibt es Protest.
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