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# taz.de -- Kambodscha wird zur lupenreinen Diktatur: 27 Jahre Haft für Opposi…
> Kem Sohka ist Kambodschas bekanntester Oppositionspolitiker, der nicht
> ins Exil geflohen war. Seit 2019 sind ihm politische Aktivitäten
> verboten.
Bild: Oppositionspolitiker Kem Sohka am Freitag auf dem Weg zum Gericht in Phno…
BERLIN taz | In der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh ist am Freitag
der Oppositionsführer Kem Sohka wegen angeblichen Landesverrats zu 27
Jahren Haft verurteilt worden. Dem 69-Jährigen wurde Zusammenarbeit mit
prodemokratischen US-Gruppen vorgeworfen. Er saß bereits vom September 2017
bis September 2018 in Haft und danach bis November 2019 im Hausarrest.
Politische Aktivitäten sind ihm seitdem verboten.
Die jetzige Strafe, die nur drei Jahre unterhalb der Höchststrafmaßes
liegt, soll der 69-Jährige im Hausarrest verbringen dürfen. Zugleich verbot
ihm das der Regierung hörige Gericht jede politische Betätigung sowie die
Kommunikation mit Menschen außerhalb seiner Familie.
Kem Sokha hat noch eine Berufungsmöglichkeit. Sein Anwalt Ang Udom kündigte
laut Reuters umgehend an, das von vielen Beobachtern so erwartete Urteil
anfechten zu wollen. Doch ist kaum zu erwarten, dass sich daran noch
grundsätzlich etwas ändern wird.
Der Verratsvorwurf stützte sich auf ein Video, in dem Kem Sokha erklärt
hatte, er habe sich von Demokratie-Aktivisten aus den USA beraten lassen.
Die Regierung wertete dies als Beweis für geheime Absprachen mit einer
ausländischen Macht zur illegalen Machtübernahme.
## Im Parlament sitzt keine Opposionsabgeordneter mehr
Das Verfahren begann bereits im Januar 2020, wurde dann aber wegen der
[1][Coronapandemie] ausgesetzt. Kem Sokha hat die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe stets bestritten.
Er ist Kambodschas prominentester Oppositionspolitiker, der noch nicht
[2][ins Exil geflohen] war. Er hatte die Nationale Rettungspartei (CNRP)
mitgegründet. Diese drohte mit ihren zeitweilig guten Wahlergebnissen die
Macht des Langzeitherrschers Hun Sen und seiner Volkspartei
herauszufordern. Deshalb ließ sie Hun Sen im Vorfeld der [3][Wahlen von
2018] verbieten. Seitdem gibt es im Parlament keine Oppositionsabgeordneten
mehr.
„Es war von vornherein klar, dass die Vorwürfe gegen Kem Sokha nichts
anderes als ein politisches Manöver von Hun Sen waren, um Kambodschas
Oppositionsführer ins politische Aus zu befördern und das demokratische
System des Landes zu beenden,“ erklärte Phil Robertson von Human Rights
Watch. „Mit der Gefängnisstrafe für Kem Sokha wird nicht nur seine Partei
zerstört, sondern auch jede Hoffnung, dass es im Juli echte Wahlen geben
wird.“
Laut Amnesty International diente das Verfahren gegen Kem Sokha vor allem
der Einschüchterung jeglicher politischer Opposition.
## Scheindemokratie mit irrelevanten Parteien
Die Ironie ist, dass in Kambodscha viele Schilder politischer Parteien zu
sehen sind, was auf den ersten Blick den Eindruck einer pluralistischen
Demokratie erweckt. Doch handelt es sich meist um irrelavante
Scheinparteien ohne jegliche Basis.
Allein die Kerzenlichtpartei, die ein mit der verbotenen CNRP
vergleichbares Kerzensymbol verwendet und als ihre informelle Nachfolgerin
gilt, könnte im Juli einige Sitze erobern. Doch wurden inzwischen auch
schon Politiker dieser Partei zu Haftstrafen verurteilt.
Die meisten Menschen in Kambodscha sind nur hinter vorgehaltener Hand und
unter Zusicherung der Anonymität zu politischen Äußerungen bereit.
Hauptkritikpunkte sind dabei neben der immer diktatorischeren Herrschaft
die massive Korruption und der Ausverkauf der Ressourcen des Landes an
China.
Niemand bezweifelt, dass der seit 1985 amtierende und inzwischen 70-jährige
Hun Sen auch nach den Wahlen im Juli im Amt bleiben wird. Doch bereitet er
die Amtsübergabe an seinen ältesten Sohn vor, den Generalleutnant Hun Manet
(45). Einen Termin dafür gibt es jedoch noch nicht.
## Lizenzentzug per Facebook-Post
Mitte Februar hatte Hun Sen mit dem Onlineportal Voice of Democracy (VOD)
eines der letzten unabhängigen Medien verbieten lassen. VOD hatte unter
Berufung auf nur eine Quelle fälschlicherweise berichtet, dass von der
Regierung für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien bereitgestellte
Hilfsgelder von Hun Manet freigegeben worden waren, obwohl dieser dazu gar
nicht befugt sei.
Hun Sen forderte per Facebook umgehend eine Entschuldigung und erklärte per
Facebook, dass er sonst VOD die Lizenz entziehen werde. Wenige Stunden
später war die VOD-Webseite schon blockiert, obwohl sich die Redaktion
inzwischen entschuldigt hatte. Hun Sen erklärte, die VOD-Journalisten
sollten sich neue Jobs suchen.
3 Mar 2023
## LINKS
[1] /Corona-in-der-Welt--Kambodscha/!5677798
[2] /Kambodschas-Opposition-ausgebremst/!5636749
[3] /Parlamentswahl-in-Kambodscha/!5519872
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Kambodscha
Hun Sen
Landesverrat
Opposition
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Schwerpunkt Pressefreiheit
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Mikrokredite
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