# taz.de -- Unrechtsregime in Kambodscha: Aktivistin Theary Seng klagt an | |
> Mit schillernden Aktionen prangert die Menschenrechtlerin die Diktatur | |
> an. Zuletzt mit einer Protestaktion vor dem Amtssitz von | |
> Ministerpräsident Hun Sen. | |
Bild: Theary Seng gekleidet in ein Tanzkostüm der Khmer | |
BERLIN taz | Auf dem Weg zu ihrer Gerichtsverhandlung in Kambodschas | |
Hauptstadt Phnom Penh hat Theary Seng am Dienstag einen Umweg zum Amtssitz | |
von Ministerpräsident Hun Sen gemacht. Der frühere Kader der Roten Khmer | |
und heutige Autokrat amtiert rekordverdächtige 36 Jahre. | |
Sengs Umweg wäre keine Schlagzeile wert gewesen, hätte sie dabei nicht | |
orange Gefängniskleidung aus der Zeit des Terrorregimes (1975–78) und dazu | |
barfuß damalige schmiedeeiserne Fußfesseln getragen. Damit konnte die | |
Menschenrechtsaktivistin, die von einer früheren Protestaktion noch den | |
Kopf kahl geschoren hatte, nur demonstrativ langsam gehen. | |
Weil in Kambodscha jeder die Anspielung der 51-Jährigen auf Hun Sen | |
versteht, der sie und andere wegen ihrer Proteste gegen das Verbot der | |
wichtigsten Opposionspartei vor Gericht bringen ließ, griff die Polizei | |
sofort durch. Sie zerschlug Sengs Smartphone, mit dem sie sich gerade | |
selbst für die sozialen Medien filmte, zwängte sie in ein Fahrzeug und | |
brachte sie zur nächsten Wache. Doch viele Journalist*innen wurden | |
Zeugen der Szene, deren Aufnahmen bald kursierten. | |
Nach einem Verhör wurde Seng zum Gericht geschickt. Dort musste der Richter | |
zähneknirschend ihre Kleidung akzeptieren, zwang sie aber, die | |
Metallfesseln abzulegen. Im Oktober war sie vor diesem Gericht, bei dem sie | |
des Aufruhrs angeklagt ist und mit bis zu zwölf Jahre Haft rechnen muss, in | |
der Kleidung einer traditionellen kambodschanischen Apsara-Tänzerin | |
erschienen. Damit zeige sie, dass der Prozess „politisches Theater“ sei, | |
erklärte sie. Bei einer anderen Verhandlung erschien sie, ebenfalls aus | |
Protest kahl geschoren, demonstrativ im westlichen Anzug mit Krawatte. | |
## Genozid forderte mehr als eine Million Tote | |
Die 51-Jährige ist selbst promovierte Juristin. Als sie sieben Jahre alt | |
war, wurden ihre Eltern und andere Verwandte von den Roten Khmer ermordet, | |
deren Genozid mehr als eine Million Tote forderte. „Ich habe im Gefängnis | |
mit meinen Eltern Häftlingskleidung und Fußfesseln tragen müssen“, sagte | |
sie einem Journalisten kurz vor der Festnahme am Dienstag. | |
1979 gelangte sie neunjährig in die USA. Deren Staatsbürgerschaft hat sie | |
noch heute neben der kambodschanischen. Der US-Hintergrund, verbunden mit | |
den in ihrer Generation in Kambodscha raren Englischkenntnissen, machte sie | |
zur Gesprächspartnerin für westliche Medien. | |
Zwar gibt es auch andere mutige Aktivist*innen, die Hun Sen samt | |
Handlangern Paroli bieten. Aber Seng erregt mit ihren schrillen Aktionen | |
immer wieder internationale Aufmerksamkeit und weist auf die Bedrohungen | |
zivilgesellschaftlicher Aktivist*Innen hin. | |
Das ist wichtig für das kleine Land, an dem fast [1][nur noch China] | |
interessiert scheint. Viele wollen Kambodscha wohl lieber vergessen, | |
schließlich haben sich auch westliche Staaten, allen voran die USA, an den | |
dortigen Verbrechen mitschuldig gemacht. Auch darauf weist Seng, die sich | |
seit Jahren für die Opfer der Roten Khmer, einsetzt, immer wieder mit | |
Aktionen hin. | |
4 Jan 2022 | |
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[1] /Rote-Khmer-in-Kambodscha/!5012237 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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