# taz.de -- Afghanistan unter den Taliban: Gefangen in Kabul | |
> Rohyna W. hat eine Zusage für das deutsche Aufnahmeprogramm. Doch ihr | |
> fehlen gültige Papiere – und die Passämter in Kabul kontrollieren die | |
> Taliban. | |
Bild: Schlange stehen vor einem Passamt in Kabul im April 2022, ein Taliban-Kä… | |
Rohyna W. wirkt nervös. Sie zieht ihr Kopftuch ins Gesicht, das zusätzlich | |
von einer Stoffmaske verdeckt ist, sodass nur ihre Augen und ihre Stirn | |
frei bleiben. Immer wieder wirft sie vorsichtige Blicke um sich. Die | |
zierliche Frau, die ihren 13-jährigen Sohn als Begleitung mitgebracht hat, | |
geht schnell und mit leicht gesenktem Kopf durch die Hauptstraße in | |
Afghanistans Hauptstadt Kabul. Sie sucht ein geöffnetes Restaurant, in dem | |
man sich in Ruhe unterhalten kann. Aber nur die kleinen Imbisse sind Mitte | |
Februar geöffnet – bei denen allerdings lediglich ein Vorhang vor Blicken | |
und der Straße schützt. Keine Option für ein Interview zu sensiblen Themen, | |
seitdem die Taliban am 15. August 2021 die Macht im Land übernommen haben. | |
Rohyna hat für einen gemeinnützigen deutschen Verein gearbeitet. Ihr Vater | |
war für die deutsche Botschaft tätig, wie Dokumente belegen, die der taz | |
vorliegen. Als Kind hat sie in Deutschland die Schule besucht, acht Jahre | |
lang, sie hat dort perfekt Deutsch gelernt. Ihre Eltern und die Geschwister | |
leben in der Nähe von Duisburg, die taz konnte sie dort treffen. Seitdem | |
die Taliban an der Macht sind, sind Menschen wie Rohyna, [1][die mit | |
ausländischen Organisationen zusammengearbeitet haben, extrem gefährdet.] | |
Rohyna hat deshalb eine Aufnahmezusage vom Auswärtigen Amt, sogar ihre | |
Schwägerin ist darin mit eingeschlossen. Das Problem: Ihnen fehlen die | |
Pässe für die Ausreise. Die stellten die Taliban zuletzt aber nicht aus. | |
Doch auch das Auswärtige Amt besteht auf gültigen Ausreisepapieren. Rohyna | |
ist damit gezwungen, sich selbst zu gefährden. Sie müsste den Pass | |
persönlich holen, ihre biometrischen Daten würden genommen werden. Was ihr | |
genau droht, wenn die Taliban auf sie aufmerksam werden, kann man nicht | |
sagen. Es gibt ehemalige Mitarbeiter*innen bei ausländischen | |
Organisationen, die nur verwarnt wurden, andere wurden verprügelt, andere | |
verhaftet. | |
Das Treffen mit Rohyna soll in einem Restaurant stattfinden, weil sie sich | |
versteckt halten muss. Alle paar Wochen wechselt sie mit ihren drei Kindern | |
und ihrem Mann die Unterkunft. Sie will deshalb lieber nicht verraten, wo | |
genau sie sich derzeit versteckt hält. Sie sagt, es sei das erste Mal seit | |
einem Jahr, dass sie überhaupt draußen unterwegs sei. Alltagsdinge wie | |
Einkaufengehen erledigten ihre jeweiligen Gastgeber*innen für sie. | |
Rohyna will sich in Pol-e-Sorkh treffen, einem beliebten und auch unter den | |
Taliban noch relativ belebten Stadtviertel in Kabul. Zur Zeit der Republik | |
war das Viertel „hip“, gerade junge Frauen kamen hierher, um einkaufen zu | |
gehen, zu bummeln oder Beautysalons zu besuchen. | |
Heute sind davon nur mehr Andeutungen zu spüren: Eine Frau trägt ein | |
leuchtend rotes Kopftuch, das der Hidschabverordnung eindeutig nicht | |
entspricht. Eine andere trägt High Heels, die unter ihrem langen Gewand | |
hervorblitzen. Ein paar wenige Beautysalons haben geöffnet; ihre Scheiben | |
sind inzwischen – wie anfangs nach der Taliban-Machtübernahme – nicht mehr | |
übermalt. Die Fotos von Frauen sind aber durch andere Zeichnungen und | |
Muster ersetzt worden. | |
Mitte Februar ist es in Kabul sehr ruhig auf der Straße, streckenweise | |
trifft man ausschließlich auf Männer, die unterwegs sind. Einige Geschäfte | |
haben ihre Rolltore geschlossen, in anderen bleiben auch jetzt bei | |
Sonnenschein komplett die Kunden fern. Deutlich sichtbar flattern an den | |
Zufahrtsstraßen des Distrikts die schwarz-weißen Flaggen der Taliban. | |
Einige Taliban stehen in Sichtweite an einem Checkpoint auf der anderen | |
Seite der schnurgeraden Hauptstraße. | |
Rohyna verbindet viele schöne Momente mit diesem Viertel; hierher kam sie | |
zu Republikzeiten gerne für einen Tee oder Einkaufsbummel. „Jetzt ist alles | |
anders“, sagt sie und schweigt kurz. Es habe hier viel mehr Restaurants | |
gegeben, bevor die Taliban gekommen seien. „Das ist ganz ungewohnt“, sagt | |
sie, und schweigt wieder. Deutlich leiser fügt sie dann hinzu: „Und wir | |
haben Angst, sehr viel Angst.“ | |
Ihre Kinder, erzählt sie, könnten in Kabul nicht zur Schule gehen, auch | |
nicht ihr Sohn. Sie habe Angst, immerzu, dass sie jemand finden könnte. | |
„Meine Kinder können keine Kurse besuchen, keine Schule, keine Freunde | |
treffen. Sie werden krank davon, traurig.“ Allein deshalb müssten sie das | |
Land bald verlassen, erklärt sie: für die Kinder und für deren Gesundheit. | |
Rohyna bringt ihren Kindern selbst Deutsch bei: das Alphabet, die ersten | |
Worte, sie will sie auf das neue Land vorbereiten, für das sie eine | |
Aufnahmegenehmigung haben. „Meine kleine Tochter ist acht Jahre alt; sie | |
hat das Alphabet gelernt, sie hat die Zahlen gelernt.“ Ihr 13-jähriger | |
Sohn, der sie zum Treffen mit der taz begleitet, möchte seine bisherigen | |
Deutschkenntnisse jedoch nicht vorführen. Er nickt nur, als seine Mutter an | |
ihn gewandt auf Deutsch sagt, dass er die Sprache üben müsse. Sie hat ihren | |
Sohn zur Sicherheit als Begleiter mitgenommen – auch deshalb, weil die | |
Taliban ungern Frauen ohne einen männlichen Verwandten längere Strecken | |
zurücklegen sehen. | |
Rohyna wird 1977 noch in Afghanistan geboren. Zwei Jahre später verhilft | |
die Sowjetunion mittels eines Militärputsches dem Kommunisten Nur Muhammad | |
Taraki an die Macht. Es beginnt ein blutiger Bürgerkrieg in dem Land; | |
westliche Kräfte unterstützen wiederum islamistische Rebellengruppen. 1980 | |
flieht Familie W. nach Deutschland, zunächst nach Lebach im Saarland. Der | |
Vater von Rohyna hatte bereits als junger Mann in Kabul für die Deutsche | |
Botschaft gearbeitet. | |
Später zieht die Familie nach Rheinberg um. Im nahegelegenen Moers macht | |
Rohyna ihren Realschulabschluss. Nach der Schule geht sie nach Pakistan. | |
Sie will dort geflüchteten Afghaninnen helfen, die sich seit der ersten | |
Präsenz der Taliban in Afghanistan ab Mitte der 90er-Jahre in | |
Flüchtlingslagern sammeln. „Es war immer mein Wunsch, den Frauen zu helfen, | |
die in Zelten an der Grenze in der Hitze lebten“, schildert sie. Später | |
wurde sie Mitgründerin eines gemeinnützigen Vereins, der sich für Bildungs- | |
und Frauenrechte einsetzte, Schulen baute und zeitweise auch | |
Bundesfördermittel erhalten hat. Außerdem war sie für eine Stiftung tätig. | |
Die Namen der Organisationen sind der taz bekannt. Um die Identität von W. | |
zu schützen, werden sie hier nicht genannt. | |
Im Jahr 2006 heiratet Rohyna noch in Pakistan ihren jetzigen Ehemann. Sie | |
gehen zurück nach Kabul. An eine Ausreise oder die Rückkehr nach | |
Deutschland habe sie nie gedacht. „Das kam nicht infrage, mein Mann wollte | |
in der Nähe seiner Eltern bleiben“, erklärt sie. Und in Afghanistan sei das | |
die Entscheidung des Mannes. Inzwischen seien ihre Schwiegereltern | |
verstorben, vor ein paar Jahren schon. Da habe sie aber selbst nicht mehr | |
weggehen wollen, so sehr habe sie sich an Kabul gewöhnt. | |
„Es ging uns ja auch gut hier; wir hatten alles“, betont sie. Dass ihre | |
afghanischen Pässe zwischenzeitlich abgelaufen waren, sei daher auch kein | |
Problem für sie gewesen. Sie hätten sie einfach nie benötigt. 2014 habe sie | |
ihre Schwester Roya, die in Rheinberg bei Duisburg lebt, zuletzt gesehen, | |
erzählt Rohyna. Damals habe Roya das einzige Mal ihr Geburtsland | |
Afghanistan besucht. Seitdem haben die beiden Schwestern nur per Telefon | |
und online Kontakt. | |
Beide hätten nie geahnt, dass es so weit kommen würde mit den Taliban. | |
„Hätten wir nur irgendeine Ahnung davon gehabt, hätten wir natürlich sofort | |
Pässe beantragt und versucht auszureisen“, sagt Rohyna. Sie selbst hätten | |
erst nach dem Fall Kabuls die Pässe beantragt, dann allerdings sofort. | |
Damals habe es zunächst noch eine Online-Terminvergabe gegeben, man musste | |
sich nicht in eine lange Schlange einreihen, so wie jetzt. | |
„Die Leute, die Pässe wollen, die gehen nachts zum Passamt und stehen dort | |
bis morgens. Es ist wirklich sehr schlimm“, sagt sie. Für sie selbst sei | |
das keine Option. Denn selbst mit viel Schmiergeld ist die Passschlange für | |
alle dieselbe; Taliban patrouillieren dort. | |
„Wir haben von dem Auswärtigen Amt einen Anruf bekommen, dass wir ohne Pass | |
rauskommen mit einem Tazkira Run über Pakistan“, erinnert sie sich. Tazkira | |
ist das afghanische Äquivalent zu unserem Personalausweis – aber es ist | |
eben kein anerkanntes Reisedokument. Der „Run“ ist vorzeitig abgebrochen | |
worden, wie Rohyna sagt und wie auch das Auswärtige Amt bestätigt. Warum, | |
ist unklar – das Auswärtige Amt will auf Nachfrage nicht deutlich werden. | |
Das Haus, in dem Rohyna mit ihrer Familie in Kabul gewohnt hatte, sei | |
mehrfach von den Taliban durchsucht worden, sagt sie. Offenbar hätten die | |
Taliban gewusst, dass ihr Vater zehn Jahre lang, bis 2017, für die deutsche | |
Botschaft in Kabul gearbeitet und auch bei Rohyna im Haus gewohnt hat. | |
Mitte der Nullerjahre ging er zurück nach Kabul, arbeitete dort erneut – | |
wie schon als junger Mann – für die deutsche Botschaft. Nach dem | |
Taliban-Anschlag von 2017 kam er, der inzwischen die deutsche | |
Staatsangehörigkeit hatte, zurück nach Deutschland. | |
Es sei schwer, so versteckt zu leben, sagt Rohyna. Die Kinder litten sehr | |
darunter. Sie greift zu ihrem Handy, nimmt einen Anruf entgegen. „Das ist | |
meine Tochter“, erklärt sie. „Sie hat geweint, als ich vorhin gegangen bin, | |
bitte, geh nicht, Mama. Ich möchte auch mit.“ Sie habe ihrer Tochter | |
jedenfalls versprochen, spätestens in einer Stunde wieder zurück zu sein, | |
sagt sie entschuldigend. Damit endet dieses Interview vor Ort. | |
Rheinberg bei Duisburg im Rheinland, knapp drei Wochen nach dem Treffen in | |
Kabul: Roya und Ruby – die beiden Schwestern von Rohyna – und ihre Mutter | |
Shamim sitzen zusammen im Wohnzimmer; sie kramen in Erinnerungen und | |
Unterlagen. Als Shamim den Kinderausweis ihrer Tochter, die Afghanistan | |
nicht verlassen kann, in die Hände nimmt, steigen ihr Tränen in die Augen. | |
Sie lächelt, als sie sich an die gemeinsame Zeit in Deutschland erinnert, | |
und merkt an, wie verrückt die Sache mit der Bürokratie sei. | |
Sie selbst habe für einen Besuch in Afghanistan ihre Nationalität belegen | |
müssen – in ihrem Pass stehe ein pakistanischer Geburtsort. „Ich musste | |
belegen, dass ich in Afghanistan geheiratet habe, damit sie mich einreisen | |
ließen“, schildert sie, „Dabei habe ich doch Kinder in Afghanistan zur Welt | |
gebracht!“ | |
Familie W. ist zwischen in beiden Ländern zu Hause. Shamim wünscht sich ein | |
Afghanistan zurück, wie es vor der Zeit der sowjetischen Intervention Ende | |
der 70er-Jahre war: „Ich habe immer gehofft, dass ihr das Land einmal so | |
schön erleben könnt“, wendet sie sich an ihre beiden Töchter, die neben ihr | |
auf dem Sofa sitzen. Roya und ihre Schwester Ruby kamen wie Rohyna als | |
Kleinkinder nach Deutschland; der jüngste Bruder ist in Deutschland | |
geboren. | |
Nach dem Schwelgen in Erinnerungen wird Shamim ruhiger. „Ich mache | |
normalerweise irgendwann immer Mittagsschlaf“, sagt sie. Sie erklärt ihre | |
Müdigkeit, entschuldigt sich dafür: „Ich kann nicht schlafen, seit die | |
Taliban zurück sind. Keine Nacht schlafe ich durch.“ Sie mache sich Sorgen | |
um ihre Tochter und die Enkelkinder, die dort leben müssten. Besonders | |
schwer sei die Unklarheit darüber, wie lange sie dort noch zu bleiben | |
hätten: „So lange geht das schon.“ | |
Roya, die die meisten E-Mails und Hilferufe ans Auswärtige Amt geschrieben | |
hat, erinnert sich zurück: „Ich habe es fast ein Jahr lang versucht, bis | |
ich dann über Twitter Hilfsorganisationen fand, die mich unterstützt | |
haben.“ Da sei es dann auf einmal ganz schnell gegangen. Mit der | |
Unterstützung von Mission Lifeline und Kabul Luftbrücke hätten sie | |
innerhalb weniger Wochen unter Bezugnahme auf die E-Mails, die sie bereits | |
im August 2021 verschickt hatten, Aufnahmezusagen für ihre Schwester | |
Rohyna, für deren Kinder, ihren Ehemann und sogar die allein lebende | |
Schwägerin erhalten. „Das war ein echter Lichtblick“, erinnert sie sich. | |
Doch seitdem warteten sie wieder. „Es dauert alles so lang“, sagt Shamim. | |
Sie sagt, man wisse ja gar nicht, worauf man sich verlassen könne. Denn was | |
nützten Aufnahmezusagen, wenn die Menschen, die sie erhalten haben, dennoch | |
nicht ins sichere Deutschland einreisen können? | |
Auf taz-Anfrage erklärt das Auswärtige Amt, afghanische Staatsangehörige | |
bräuchten für die Ausreise aus Afghanistan nach den Vorgaben der Taliban | |
einen afghanischen Reisepass. Ausnahmen von der Passpflicht würden seitens | |
der Taliban bei der Ausreise aus Afghanistan nach Kenntnis des Auswärtigen | |
Amtes derzeit nicht gemacht. | |
„Sollte es Afghaninnen oder Afghanen mit Aufnahmezusage dennoch gelingen, | |
Afghanistan ohne Pass zu verlassen, prüfen unsere Auslandsvertretungen die | |
Voraussetzungen für die Erteilung von Visa und deutschen | |
Passersatzpapieren“, teilt eine Sprecherin des Auswärtigen Amts auf | |
taz-Anfrage mit. Ob solche Passersatzpapiere ausgestellt werden könnten, | |
hinge dabei auch „vom Recht des jeweiligen Aufenthaltsstaats und der | |
Anreise über Drittstaaten ab“, heißt es weiter. Die Frage zu den genauen | |
Kriterien für ein solches Ersatzpapier wird nicht weiter beantwortet. | |
Auch der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger von der Linskpartei ist die | |
Passproblematik ein Begriff: „Wir wissen nicht, wie viele Betroffene es | |
aktuell gibt, das ändert sich täglich“, sagt die Juristin, die in einer | |
internationalen Menschenrechtskanzlei und beim Auswärtigen Amt gearbeitet | |
hat. | |
Bünger sieht ein großes Problem darin, dass Menschen, die zwar eine | |
Aufnahmezusage haben, faktisch an der Aufnahme gehindert werden, weil sie | |
keinen Pass besitzen. „Problematisch ist aus unserer Sicht, dass die | |
Beschaffung von Pässen aufgrund der immensen Kosten quasi unmöglich ist. | |
Deshalb ist es wichtig, dass man das Land auch mit einer Tazkira verlassen | |
können darf“, sagt sie. Besonders deutlich wird Axel Steier von Mission | |
Lifeline, der Organisation, die auch Familie W. unterstützt hat. „Mir kommt | |
das alles vor wie ein Horrorfilm“, sagt er und betont: „Wenn die | |
Bundesregierung wirklich will, dass verfolgte Afghan*innen gerettet | |
werden, würde sie auch mit den Anrainerstaaten intensiver verhandeln und | |
den Taliban Lösegeld anbieten.“ | |
Die größte Schwierigkeit liege sicherlich darin, überhaupt eine | |
Aufnahmezusage zu erhalten. Dann aber noch bei den Taliban einen Pass | |
beantragen zu müssen, das zeige „den Realitätsverlust der deutschen | |
Bürokratie“. | |
Grundsätzlich, betont Roya, halte sie auf die deutsche Bürokratie einiges: | |
„Es ist zwar kompliziert und manchmal umständlich, aber die Vorgänge sind | |
doch meist zuverlässig und ergeben irgendwie Sinn.“ | |
Doch im Falle ihrer Schwester in Kabul fehlt ihr das Verständnis für die | |
Vorgehensweise. „Ihre Identität ist doch belegt. Sie ist hier zur Schule | |
gegangen, wir haben sogar ihren Kinderausweis wiedergefunden“, schildert | |
sie. Auch Zeitungsartikel befinden sich in der sorgfältig | |
zusammengestellten Mappe: Rohyna bei der Eröffnung eines Sportplatzes, Ruby | |
als „Glücksfee“ bei der Ziehung von Losen. Obendrein habe ja auch das | |
Auswärtige Amt die Unterlagen geprüft und diese offenbar für glaubwürdig | |
gehalten – schließlich hätte Rohyna eine Aufnahmezusage erhalten. | |
Wieso es da keine andere Lösung geben solle, als neue Reisepässe bei der | |
Taliban-Regierung beantragen zu müssen, das mag sich Roya daher nicht | |
erschließen. Sie weiß, dass es in der Vergangenheit Tazkira Runs gegeben | |
habe, dass also Hunderte Menschen Afghanistan ohne Reisepass und lediglich | |
mit ihrer Tazkira, dem afghanischen Personalausweis, verlassen durften. Sie | |
sind dann im Nachbarland Pakistan von der deutschen Botschaft mit | |
Reisepapieren ausgestattet worden. | |
Mit Pakistan hätten zweimal Zeitfenster für die Einreise von | |
Afghan*innen mit deutscher Aufnahmezusage und ohne Reisepass vereinbart | |
werden können, erklärt das Auswärtige Amt auf Anfrage. „Durch dieses | |
Sonderverfahren konnten mehr als 6.000 Personen ohne Pass aus Afghanistan | |
ausreisen.“ | |
Durch striktere Vorgaben der Taliban sei ein solches Sonderverfahren aber | |
aktuell nicht mehr möglich. Weitere statistische Angaben zur Einreise von | |
afghanischen Staatsangehörigen ohne afghanischen Pass lägen nicht vor, | |
heißt es auf die Frage nach der tatsächlichen Anzahl ausgestellter | |
Passersatzpapiere. Ein Nebeneffekt, dass derzeit in Afghanistan alles von | |
einem Pass abhängt, den die von Deutschland nicht anerkannte | |
De-facto-Regierung der Taliban ausstellen muss: Die hohen Passgebühren | |
spülen Geld in die Kasse der Taliban. | |
Aktuell machen die Taliban Ankündigungen, alle Passämter wieder zu öffnen. | |
Doch niemand weiß, ob das eine Verbesserung für die bedeutet, die einen | |
Reisepass benötigen – eine Gefahr bleibt der Gang zum Passamt so oder so. | |
Familie W. sagt, es habe keinerlei Kontaktaufnahme seitens des Auswärtigen | |
Amts gegeben. Ob es noch mal einen Tazkira Run geben kann, ist unklar. | |
16 Mar 2023 | |
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Lena Reiner | |
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