# taz.de -- Zeitenwende-Rede von Olaf Scholz: Nicht feige, sondern weitsichtig | |
> Kanzler Scholz hat sich seit seiner Zeitenwende-Rede vor einem Jahr nicht | |
> treiben lassen. Das war weitsichtig, aller Kritik zum Trotz. | |
Bild: Olaf Scholz auf dem Truppenübungsplatz in Bergen vor einem getarnten Leo… | |
Ein tief eingefrästes Urteil über Kanzler Scholz lautet, er habe seit dem | |
24. Februar 2022 immer nur gezögert, nicht geführt und sich [1][bei | |
Waffenlieferungen] treiben lassen. Ein Blatt im Wind, ein willenloser | |
Kanzler. | |
Nicht nur angesichts der zaghaften Bereitschaft der Panzerallianz von | |
Madrid bis Helsinki – die eher eine Fantasie aufgeregter deutscher Medien | |
war –, auch wirklich Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, sollte man das | |
rüde Urteil über Scholz revidieren. Nie alleine vorneweg zu gehen, alles | |
genau im Westen abzustimmen, auch um Putin wenig Spaltungschancen zu | |
eröffnen – das war eine Strategie mit Halteseilen. Scholz folgte bei den | |
Waffenlieferungen innen- und außenpolitisch dem Kalkül der | |
Risikominimierung – lieber vorsichtig und langsam, als am Ende vor einem | |
selbst geschaffenen Trümmerhaufen zu stehen. | |
Waffen nach und nach zu liefern war rational, weil es die Chancen bot, zu | |
erkennen, wie Russland reagiert. Und innenpolitisch preiste es ein, dass | |
gerade die Hälfte der Bevölkerung, die Angst vor der Eskalation hat, im | |
Boot gehalten werden muss – gerade weil der Krieg lange dauern kann. Diese | |
Politik verzichtete zum Glück auf heldenmütige Posen. Auch die | |
diplomatischen Initiativen im Globalen Süden passten nicht in das | |
Erwartungsprofil frisch bekehrter Bellizisten – dafür waren sie effektiv. | |
Eine Regierung, die im März oder April, im Hochgefühl nach dem schamvollen | |
Nordstream-2-Irrtum endlich entschlossen, das Richtige zu tun, deutsche | |
High-tech-Panzer und Kampfjets an die Front geliefert hätte, wäre | |
außenpolitisch ein Solist gewesen. Innenpolitisch hätten schwere Panzer und | |
markige Sprüche aus dem Kanzleramt für einen Zwist gesorgt, gegen den der | |
Streit über das Manifest für den Frieden ein laues Lüftchen gewesen wäre. | |
Friedrich Merz bearbeitete [2][im Bundestag] nicht zufällig Sahra | |
Wagenknecht mit schwerem Moralgeschütz. Zu Scholz fiel ihm einfach nichts | |
brauchbar Kritisches mehr ein. Die Weigerung des Kanzlers, Moral und | |
Militärstrategie kurzzuschließen, war nicht feige, wie gelegentlich | |
unterstellt wurde, sondern weitsichtig. | |
2 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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