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# taz.de -- Nach dem Erdbeben in der Türkei: Plüschtiere und Wut in der Fanku…
> Der Unmut über den Umgang der Regierung mit dem Erdbeben wächst. Am
> Wochenende entlud sich das in mehreren Fußballstadien.
Bild: Stofftiere als Symbol der Trauer: Das Stadion von Beșiktaș nach der Fan…
Berlin taz | Angesichts der verheerenden Auswirkungen des
[1][Jahrhundertbebens] im Südosten der Türkei und dem immer deutlicher
werdenden Missmanagement der Regierung äußert sich der Unmut großer Teile
der Bevölkerung zunehmend deutlicher.
Ein wichtiger Indikator für die Stimmung ist das Verhalten bei großen
Sportereignissen, einem der letzten Orte, wo sich größere Menschenmengen
[2][noch versammeln dürfen]. Zuerst am Samstag im Stadion von Fenerbahçe,
dem größten Verein in Istanbul auf der asiatischen Seite der Stadt, dann
bei dem Spiel des Traditionsvereins Beșiktaș am Sonntag, nutzten die
Menschen die Gelegenheit, um lautstark ihre Wut zu artikulieren.
Mehr als 60.000 Fans forderten in Fenerbahçe in minutenlangen Sprechchören
den Rücktritt der Regierung, in [3][Beșiktaș] warfen die Fans zunächst zum
Zeichen der Trauer Plüschtiere auf den Rasen, um dann ebenfalls minutenlang
die Regierung auszubuhen. Zuletzt hat es so etwas während der so genannten
[4][Gezi-Proteste] vor zehn Jahren gegeben.
Für weitere Spannungen sorgte am Wochenende eine Enthüllungsgeschichte der
oppositionellen Zeitung Cumhuriyet. Darin deckte ein Reporter auf, dass der
türkische Rote Halbmond „Kizilay“ in den allerersten Tagen nach dem Beben
winterfeste Zelte, die dringend im Erdbebengebiet gebraucht wurden, an die
private Hilfsorganisation Ahbap für 2,3 Millionen Euro verkauft hat, statt
sie auf schnellstem Weg kostenfrei den Erdbebenopfern zur Verfügung zu
stellen.
„Ein unglaublicher Skandal“, schrieb Cumhuriyet. Meral Akșener, die
Vorsitzende der Oppositionspartei IYI-Parti, forderte den
Kizilay-Vorsitzenden zum Rücktritt auf. Demonstrationen zum Hauptsitz von
Kizilay in Ankara wurden durch die Polizei verhindert, rund 100 Personen
wurden kurzzeitig festgenommen.
## Bei Schwarzbauten und Pfusch einfach weggeschaut
Angesichts dieser Ereignisse kommen die AKP-Regierung und Präsident Recep
Tayyip Erdoğan immer mehr unter Druck. Erdoğans Versprechen, einen Großteil
der Häuser innerhalb eines Jahres wieder aufzubauen, bezeichnet die
türkische Architektenkammer TMMOB als reine Propaganda. Sie wirft der
Regierung große Mitschuld an den dramatischen Folgen des Erdbebens vor.
Von den rund 173.000 zerstörten Gebäuden seien mehr als die Hälfte erst
nach 2001 gebaut worden, als die strengeren Sicherheitsauflagen für
erdbebensichere Häuser bereits in Kraft waren. Bei all diesen Häusern sind
die Vorschriften offenbar missachtet oder bewusst umgangen worden.
Außerdem habe die Regierung sich mitschuldig gemacht, weil sie aus
politischen Gründen in Vorwahlzeiten [5][Schwarzbauten mehrmals amnestiert]
habe. Um diese Mitschuld zu [6][vertuschen], stelle die Regierung jetzt
Bauunternehmer und Immobilienspekulanten als die Alleinschuldigen für den
gigantischen Pfusch am Bau dar. Justizminister Bozdağ erklärte, es liefen
insgesamt 600 Ermittlungsverfahren gegen Personen aus der Baubranche, 184
Personen seien in diesem Zusammenhang bereits festgenommen worden.
Ob diese Aktionen eine Niederlage Erdoğans bei den offenbar nun doch im Mai
geplanten Wahlen verhindern können, scheint indes sehr fraglich. Das Ausmaß
der Tragödie in der Katastrophenzone ist jetzt, knapp einen Monat nach dem
Beben, immer klarer erkennbar. David Beasley, Direktor des
Welternährungsprogramms der UNO, besuchte Ende letzter Woche die mit am
stärksten zerstörte Stadt Antakya in der Region Hatay. „Die Situation kann
man nur als apokalyptisch bezeichnen“, sagte er anschließend. Er forderte
die UN-Mitgliedstaaten zu mehr Hilfe auf, gerade jetzt, „wo die öffentliche
Aufmerksamkeit nachlasse“.
27 Feb 2023
## LINKS
[1] /Erdbeben-in-der-Tuerkei-und-Syrien/!t5914521
[2] /Neues-Sicherheitzgesetz-in-der-Tuerkei/!5021491
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Wh3BYky6BNU&ab_channel=HepLaf
[4] /Neun-Jahre-nach-Beginn-der-Gezi-Proteste/!5858694
[5] /Nach-dem-Erdbeben-in-der-Tuerkei/!5912691
[6] /Berichterstattung-ueber-Erdbeben/!5912594
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
Schwerpunkt AKP
Recep Tayyip Erdoğan
Wahlen in der Türkei 2023
Erdbeben in der Türkei und Syrien
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