| # taz.de -- Vor den Wahlen in der Türkei: Geeint gegen Erdoğan | |
| > Nach heftigen Konflikten hat sich die Opposition in der Türkei doch noch | |
| > auf einen gemeinsamen Herausforderer von Präsident Erdoğan geeinigt. | |
| Bild: CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu wird für das Oppositionsbündnis Präsid… | |
| Istanbul taz | Nach drei dramatischen Tagen war es am Montagabend dann doch | |
| geschafft: Die türkische Opposition nominierte mit Kemal Kılıçdaroğlu einen | |
| gemeinsamen Kandidaten für die [1][Präsidentschaftswahl am 14. Mai]. Der | |
| Vorsitzende der sozialdemokratischen CHP wird als Kandidat eines Bündnisses | |
| von sechs Parteien gegen den Langzeitherrscher Präsident Recep Tayyip | |
| Erdoğan antreten. | |
| Auch die nicht dem Bündnis zugehörige links-kurdische HDP hat signalisiert, | |
| dass sie Kılıçdaroğlu unterstützen könnte. Damit hat die Opposition | |
| erstmals nach 20 Jahren Amtszeit von Recep Tayyip Erdoğan eine echte | |
| Chance, einen radikalen Kurswechsel in der Türkei durchzusetzen. | |
| Das in einem Zwölf-Punkte-Programm festgelegte Ziel der Opposition ist es, | |
| das autokratische Präsidialsystem wieder abzuschaffen und zu einer | |
| parlamentarischen Demokratie zurückzukehren. Außerdem soll die | |
| Gewaltenteilung wiederhergestellt und die Unabhängigkeit der Justiz | |
| gewährleistet werden. | |
| „Wir werden Recht und Gerechtigkeit“ wieder durchsetzen und das Land „auf | |
| der Grundlage von Konsultationen und Kompromissen“ führen statt auf der | |
| Macht eines einzigen Mannes, kündigte Kılıçdaroğlu nach seiner Nominierung | |
| am Montagabend an. | |
| ## „Der Gandhi der Türkei“ – ein Kandidat mit Schwächen | |
| Die Kandidatur des 74-jährigen Vorsitzenden der CHP war zuletzt heftig | |
| umstritten. Nachdem die sechs Parteien sich über ein Jahr regelmäßig | |
| getroffen und ihr gemeinsames Programm ausgearbeitet hatten, kam es am Ende | |
| bei der Nominierung des Kandidaten zum Eklat. [2][Meral Akșener] , | |
| Vorsitzende der IYI-Parti, der zweitgrößten Partei im Bündnis, lehnte | |
| Kılıçdaroğlu zunächst ab und forderte, dass entweder der | |
| CHP-Oberbürgermeister von Istanbul [3][Ekrem Imamoğlu] oder sein Kollege | |
| aus Ankara, Masur Yavas, antreten sollten, da beide wesentlich populärer | |
| als Kılıçdaroğlu seien. | |
| Beide Oberbürgermeister starteten daraufhin, auch im Auftrag ihres | |
| Parteivorsitzenden Kılıçdaroğlu, eine Vermittlungsmission, die erst am | |
| Montagnachmittag zum Erfolg führte. Akșener akzeptierte am Ende als | |
| Kompromiss, dass Imamoğlu wie Yavas im Wahlkampf eine herausragende | |
| Stellung einnehmen sollen und nach einem Wahlsieg starke Vizepräsidenten | |
| von Kılıçdaroğlu werden sollen. | |
| „Wir wären eliminiert worden, wenn wir uns gespalten hätten“, sagte | |
| Kılıçdaroğlu nach seiner Nominierung und machte damit noch einmal deutlich, | |
| wie knapp die Opposition einem [4][selbstfabrizierten Desaster] entkommen | |
| ist. Dass er selbst mit daran schuld ist, weil er unnachgiebig daran | |
| festgehalten hatte, der Herausforderer Erdoğans zu werden, sagte er nicht. | |
| Denn Kılıçdaroğlu hat als Kandidat Schwächen. Der 74-Jährige, der 2010 die | |
| Führung der größten Oppositionspartei CHP übernahm, hat es in den letzten | |
| 13 Jahr kaum geschafft, Erdoğan Paroli zu bieten. Er sei zu weich – sein | |
| Spitznahme ist „Ghandi der Türkei“ – und rhetorisch zu schwach, um gegen | |
| Erdoğan zu bestehen, sagen seine Kritiker. Außerdem gehört er der | |
| religiösen Minderheit der Aleviten an, was viele der mehrheitlich | |
| sunnitischen WählerInnen der Türkei abschrecken könnte. | |
| Was Kılıçdaroğlu aber mit der Formierung des Sechs-Parteien-Bündnisses | |
| bewiesen hat, ist seine Fähigkeit, Strippen zu ziehen und Kompromisse zu | |
| schließen. Werden Imamoğlu und Yavas nun in die Führung des | |
| Oppositionsbündnisses eingebunden, könnten sie die Schwächen von | |
| Kılıçdaroğlu ausgleichen und die Erfolgschancen der Opposition erhöhen. | |
| Denn Präsident Erdoğan steht nach 20 Jahren an der Spitze der Türkei | |
| tatsächlich mit dem Rücken zur Wand. Der Mann, der einst für den | |
| ökonomischen Aufschwung des Landes verantwortlich gemacht wurde, hat die | |
| Türkei in den letzten Jahren wirtschaftlich vor die Wand gefahren und | |
| zuletzt nach Meinung vieler TürkInnen beim Krisenmanagement nach dem | |
| Erdbeben versagt. Viele WählerInnen wollen einen Wechsel, auf das Land | |
| kommt ein heißer Wahlkampf zu. | |
| 7 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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