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# taz.de -- Änderung der Hamburger Verfassung: Antiziganismus bleibt unerwähnt
> SPD, Grüne und CDU wollen Kampf gegen Antisemitismus in die Verfassung
> heben. Sinti:zze und Rom:nja beklagen, dass sie unerwähnt bleiben.
Bild: Gedenkort im Hamburger Lohsepark: Erinnert wird hier an Jüd:innen wie an…
Hamburg taz | Am Mittwoch will in Hamburg die regierende Koalition aus SPD
und Grünen zusammen mit der oppositionellen CDU die Landesverfassung
ändern. Erstmals seit Inkrafttreten 1952 sollen dann in der Präambel Lehren
aus den [1][Verbrechen der NS-Zeit] niedergeschrieben sein – so soll etwa
ein Bekenntnis zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus den
bisherigen Wortlaut ergänzen.
Doch müsste nicht auch der Kampf gegen Antiziganismus Verfassungsrang
bekommen, wo doch der systematische [2][Mord an Sinti:zze und Rom:nja in
der NS-Zeit] so betrieben wurde wie an Jüd:innen? Das beklagen nun mehrere
Verbände und fordern noch eine Änderung.
„Als Sinti und Roma sind wir noch immer Vorurteilen, Ablehnung und
Diskriminierung ausgesetzt. Echte gesellschaftliche Teilhabe erfordert die
Anerkennung des historischen Leids“, sagt Rudko Kawczynski von der Rom und
Cinti Union. „Dem muss eine geänderte Hamburger Verfassung Rechnung
tragen“, fordert er.
Zusammen mit dem Landesverein der Sinti in Hamburg, dem Auschwitz-Komitee
und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten haben sie die Abgeordneten der
Bürgerschaft in einem Brief auf ihre Forderung hingewiesen.
## NS-Zeit blieb in Verfassung unerwähnt
Seit mehr als zwei Jahren sitzen SPD, Grüne und CDU gemeinsam an der
Überarbeitung der Verfassungspräambel. Diese ist bislang nur wenige Sätze
lang und betont zuvorderst, dass Hamburg als Hafenstadt eine „ihr durch
Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen
Volke zu erfüllen“ habe. Auch Frieden und Demokratie werden in der Präambel
als lose Ziele genannt.
Anders als in den meisten deutschen Landesverfassungen wird die NS-Zeit
unerwähnt gelassen. Nach dem Willen der drei Fraktionen soll nun
festgehalten werden, dass sich die Stadt „gegen Rassismus und
Antisemitismus sowie jede andere Form [3][gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit]“ einsetzt.
Weiter soll es heißen: „Sie stellt sich der Erneuerung und Verbreitung
totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des
Nationalsozialismus entgegen.“
Die Verbände fordern nun, dass im ersten Satz nach dem Antisemitismus auch
der Antiziganismus genannt wird. Das Ende der NS-Zeit habe für Sinti:zze
und Rom:nja keine echte Befreiung bedeutet, beklagt Arnold Weiß vom
Landesverein der Sinti. Ihr Leid sei in der Gesellschaft nicht anerkannt
worden, die Ausgrenzung habe sich nach 1945 fortgesetzt. „Die Abgeordneten
tragen eine Verantwortung, diesen Fehler zu korrigieren“, sagt er.
## Alle betroffenen Gruppen seien einbezogen
Lena Zagst, in der grünen Bürgerschaftsfraktion für Verfassungs- und
Justizpolitik zuständig, hält den jetzigen Vorschlag dennoch für richtig:
Durch den Terminus der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ sei der
Kampf gegen Diskriminierung aller betroffenen Gruppen benannt. „In der
heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl an gesellschaftlichen Gruppen, die
Diskriminierung und Ausgrenzung bis hin zur Verfolgung ausgesetzt sind“,
sagt Zagst. „Uns ist es wichtig, ihre Erfahrungen und Perspektiven
abzubilden und zu adressieren, ohne einzelne Gruppen auszugrenzen.“
Zugleich betont Zagst, man wolle den Dialog auch mit Sinti:zze und
Rom:nja suchen und ihre Erfahrungen und Perspektiven für mögliche künftige
Anpassungen der Präambel berücksichtigen.
Auch die SPD sieht das so und betont, dass eine Bewertung der
unterschiedlichen Diskriminierungsformen bewusst vermieden werde. Zudem sei
dies im Vorfeld im Rahmen einer Sachverständigenanhörung zu einem
historisch richtigen und diskriminierungsfreien Wortlaut ausführlich
diskutiert worden, sagt Olaf Steinbiß, verfassungspolitischer Sprecher der
SPD-Fraktion.
Im Zuge dieser Sachverständigenanhörung hatte es bereits eine Änderung an
der anvisierten Präambel-Formulierung gegeben: So wollten die Fraktionen
ursprünglich festschreiben, Hamburg habe „extremistischen Bestrebungen
gleich welcher Art und Motivation“ entgegenzuwirken. Doch die Verwendung
des Extremismus-Begriffs stieß nicht zuletzt auf Kritik, weil er auf die
sogenannte „Hufeisentheorie“ hinweist, mit der Links- und Rechtsextremismus
gleichsetzt wird.
Dieser Passus steht am Mittwoch, wenn die Bürgerschaft abschließend über
die Verfassungsänderung abstimmt, nicht mehr im Antrag.
27 Feb 2023
## LINKS
[1] /KZ-Gedenkstaette-Hamburg-Fuhlsbuettel/!5913932
[2] /Einigung-im-Streit-um-Gedenkort/!5826135
[3] /Umgang-mit-rechter-Gewalt/!5786356
## AUTOREN
André Zuschlag
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