| # taz.de -- Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland: Die Vielfalt des Antiziganism… | |
| > Diskriminierung gegen Sinti:zze und Rom:nja ist in Deutschland | |
| > alltäglich, wie ein Bericht zeigt. Besonders betroffen sind ukrainische | |
| > Geflüchtete. | |
| Bild: Mehmet Daimagüler (l-r), Bundesbeauftragter gegen Antiziganismus, Guille… | |
| Berlin taz | „Wir müssen in den Abgrund blicken, nicht auf die Gefahr hin, | |
| dass der Abgrund zurück blickt, sondern in dem Wissen, dass er | |
| zurückblicken wird“. Mehmet Daimagüler, Antiziganismus-Beauftragter der | |
| Bundesregierung, wählte eindringliche Worte zur Vorstellung des ersten | |
| Jahresberichts der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA). | |
| Die Stelle war im vergangenen Jahr eingerichtet worden, um Gewalt und | |
| Diskriminierung gegen Sinti:zze und Rom:nja sichtbarer zu machen. | |
| Betroffene können antiziganistische Vorfälle, ob strafbar oder nicht, | |
| anonym melden. | |
| Am Montag stellte MIA-Leiter Guillermo Ruiz Torres gemeinsam mit Daimagüler | |
| und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, | |
| zum ersten Mal Zahlen vor. 621 antiziganistische Vorfälle wurden demnach | |
| bei MIA 2022 gemeldet. „Das ist aber nur ein Bruchteil der tatsächlichen | |
| Vorfälle“, betonte Ruiz Torres. | |
| ## Die gesellschaftliche Ausgrenzung ist eine Alltagserfahrung | |
| Ein Großteil der Geschehnisse, die für den MIA-Bericht ausgewertet wurden, | |
| entfallen auf Diskriminierung und verbale Stereotypisierungen. Doch auch | |
| ein Fall „extremer Gewalt“ und mehrere Angriffe und Bedrohungen waren | |
| darunter. | |
| Zu finden sei [1][antiziganistische Diskriminierung in allen | |
| Lebensbereichen], berichtete der Zentralratsvorsitzende Rose: „Für Sinti | |
| und Roma ist gesellschaftliche Ausgrenzung eine Alltagserfahrung, der sie | |
| bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz, in der Schule und im täglichen | |
| Leben begegnen.“ Antiziganismus zeige sich besonders durch ein | |
| vorurteilsbehaftetes, gesellschaftliches Bild, das durch Staat und Medien | |
| zementiert werde. | |
| Besondere Kritik übten alle drei Vertreter bei der Pressekonferenz an | |
| Polizei und Behörden. 119 Vorfälle wurden der MIA 2022 in diesem Kontext | |
| gemeldet. Rose berichtete von [2][antiziganistischem Profiling], bei dem | |
| die Polizei die Staatsangehörigkeit von Verdächtigen gezielt ignorieren und | |
| sich auf eine vermeintliche Abstammung konzentrieren würde: „Das | |
| stigmatisiert die Minderheit der Sinti und Roma als Ganzes“. | |
| ## Freifahrtschein für drangsalierendes Verhalten | |
| Der Regierungsbeauftragte Daimagüler schilderte einen Fall aus dem Jahr | |
| 2021, bei dem in Baden-Württemberg ein elfjähriger Sinti-Junge in | |
| Handschelle von der Polizei abgeführt und eingeschüchtert worden sei. Vier | |
| Polizeibeamt:innen seien im Nachgang bestraft worden. Auch in | |
| Debatten rund um vermeintliche „Clankriminalität“ gebe es immer wieder | |
| stigmatisierende Berichte in den Medien. Polizist:innen würden den | |
| Kampf gegen vermeintliche „Clans“ als [3][Freifahrtschein für | |
| drangsalierendes Verhalten gegen Minderheiten] und besonders auch gegen | |
| Sinti:zze und Rom:nja werten. | |
| Ein besonderes Augenmerk legt der Bericht auf den diskriminierenden Umgang | |
| mit ukrainischen Sinti:zze und Rom:nja, die vor dem Krieg nach | |
| Deutschland geflohen seien. Ein Siebtel aller gemeldeten Vorfälle 2022 | |
| entfielen Ruiz Torres zufolge auf diese Gruppe. Der Bericht enthält | |
| Schilderungen über systematisch schlechtere Versorgung in den Unterkünften | |
| für ukrainische Geflüchtete, in denen mehrheitlich Sinti:zze und Rom:nja | |
| untergebracht waren. Auch bei der Integration sei diese Gruppe systematisch | |
| benachteiligt worden, beispielsweise bei der Wohnungssuche oder beim | |
| Schulbesuch. | |
| „Der Bericht zeigt, wie vielfältig Antiziganismus ist“, so Ruiz Torres. | |
| Neben Angriffen auf Menschen sehe man auch immer wieder Angriffe gegen | |
| Orte, die an den Genozid an den Sinti:zze und Rom:nja durch die | |
| Nationalsozialisten erinnern. Daimagüler berichtet, dass Menschen in | |
| Schleswig-Holstein ihren Sperrmüll an einem Mahnmal abstellen, in Darmstadt | |
| gab es Schmierereien. Während der Loveparade in Berlin hätten sich | |
| Teilnehmer:innen in einem Wasserbecken erfrischt, das Teil eines | |
| Mahnmals sei. | |
| ## Verantwortungsbewusstere Medien | |
| Daimagüler wünscht sich eine konsequentere Anerkennung des NS-Völkermords | |
| und eine gründliche Aufarbeitung der Diskriminierung, die Sinti:zze und | |
| Rom:nja, teilweise als Überlebende der NS-Vernichtungslager, nach Ende des | |
| zweiten Weltkriegs in Deutschland erlitten haben. Deutsche Behörden hätten | |
| ihnen Ausweispapiere verweigert, womit die Betroffenen staatenlos wurden – | |
| was ihre Nachkommen zwei Generationen später teilweise immer noch seien, so | |
| der Beauftragte. | |
| Um dem Antiziganismus etwas entgegenzusetzen, forderte MIA-Leiter Ruiz | |
| Torres unter anderem ein dichteres Netz von Melde- und Beratungsstellen, | |
| Verantwortungsbewusstsein bei den Medien, bei Sprache und Bildern auf | |
| Stereotype zu verzichten, und eine Ausweitung des allgemeinen | |
| Gleichbehandlungsgesetzes auf staatliche Institutionen. Der | |
| Zentralratsvorsitzende Rose appellierte an die Gesellschaft, sich mehr | |
| [4][mit der Kultur und den Leistungen derer zu beschäftigen], die der | |
| Minderheit der Sinti:zze und Rom:nja zugerechnet werden. | |
| 18 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jana Ballweber | |
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