# taz.de -- Klimaschutz im Berliner Wahlkampf: Die große Leerstelle | |
> Im Wahlkampf drückten sich fast alle Parteien erfolgreich um das große | |
> Zukunftsthema Klimakrise. Auch die Klimabewegung machte keinen Druck. | |
Bild: Die Klimakrise lässt sich nicht mehr lange ignorieren | |
So ein Wiederholungswahlkampf ist eine undankbare Angelegenheit. Nach nur | |
etwas über einem Jahr rot-grün-roter Regierung, das noch dazu von | |
zahlreichen globalen Krisen geprägt war, hat sich kaum etwas an Berlins | |
Problemlagen verändert: Die Mieten sind immer noch hoch, die Verwaltungen | |
überlastet, die Schulen marode, und die A100 soll immer noch gebaut werden. | |
So wirken die Debatten im Wahlkampf aufgewärmt, [1][neue Argumente der | |
Parteien gibt es kaum.] | |
Ist halt so, könntet man jetzt schulterzuckend sagen, die Entscheidung des | |
Verfassungsgericht kam ja überraschend, und so richtig gewollt hatte die | |
Wiederwahl niemand. Doch der Wahlkampf hätte eine Chance geboten, eine | |
klaffende Leerstelle zu füllen, die schon 2021 wenig thematisiert wurde: | |
die Klimakrise. Dabei müsste die Frage, wie Berlin angesichts der [2][immer | |
häufiger werdenden Dürren, Hitzewellen und Extremwettereignisse] lebenswert | |
bleibt, eigentlich das alles beherrschende Thema sein. | |
Doch bislang hat keine der im Parlament vertretenen Parteien einen Plan | |
vorgelegt, wie Berlin seine eigenen Klima- und Umweltziele einhalten will, | |
die 2016 im Berliner Energiewendegesetz verabschiedet worden sind und | |
[3][im August 2021 verschärft worden ist]. Um bis 2045 klimaneutral zu | |
werden, müsste sich allein im Gebäudesektor die Geschwindigkeit, mit der | |
Wohnungen energetisch saniert werden, vervierfachen. Angesichts steigender | |
Preise und des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist dringend | |
politisches Handeln gefragt, auch um die Modernisierungen sozial | |
verträglich zu gestalten. | |
## Keine Antworten | |
Oder der Verkehrssektor: Hier ist bis 2030 eine Reduktion von 70 Prozent | |
Kohlenstoffdioxid geplant. Doch in den letzten Jahren sind die Emissionen | |
kaum gesunken. Die Verkehrswende haben die Grünen zwar zum Thema gemacht. | |
Allerdings ist es den anderen Parteien erfolgreich gelungen, das politische | |
Projekt als eine Art Kulturkampf zwischen Rad- und Autofahrer:innen zu | |
framen. | |
Statt sich auf Wahlkampfpossen wie die [4][Sperrung der Friedrichsstraße] | |
einzulassen, hätte es gut getan, eine einfache Frage in den Vordergrund zu | |
stellen: Wie wollt ihr die Emissionen senken? Das es nicht dazu gekommen | |
ist, dürfte auch daran liegen, dass selbst die Grünen in vielen Bereichen | |
darauf keine Antworten haben – oder zumindest keine Antworten, mit denen | |
sich gut Wahlkampf machen lässt. | |
So wird die Notwendigkeit, in Berlin zehntausende Wohnungen zu bauen, von | |
keiner Partei angezweifelt. Dabei wäre das aus klima- und umweltpolitischer | |
Sicht ein Fiasko. Und inmitten der Energiekrise, in denen viele | |
Mieter:innen nicht wissen, wie sie ihre Nebenkosten zahlen können, ist | |
es wenig attraktiv, die Frage zu diskutieren, wer eigentlich die Kosten für | |
die energetischen Modernisierungen tragen soll. Das Ergebnis ist eine | |
kollektive Verdrängung der physikalischen Tatsachen, bei der letztendlich | |
wohl die CDU als Gewinner hervorgeht. | |
## Korrektiv Klimabewegung? | |
An dieser Stelle wäre eigentlich die Klimabewegung als Korrektiv gefragt, | |
um die Klimakrise im Wahlkampf ganz oben auf die Agenda zu setzen. Die | |
Voraussetzungen dafür waren gut: Durch die Blockaden der Letzten Generation | |
und die Räumung Lützeraths im Januar hat die Klimabewegung wieder an | |
Schwung gewonnen. Mit Massenaktionen des zivilen Ungehorsams hätte sich der | |
Widerspruch zwischen realitätsverweigerndem Business-as-usual und der | |
Klimakrise auch in der Berliner Landespolitik offenbaren können. | |
Doch scheinbar wurden die Wahlen nicht als lohnenswerter politischer Hebel | |
erkannt, oder die Zeit, sich auf die Neuwahlen einzuschießen, war zu kurz. | |
Auch die Entscheidung, den Volksentscheid Klimaneutral 2030 nicht am | |
Wahltag stattfinden zu lassen, dürfte zur Demobilisierung beigetragen | |
haben. Dieser soll erst am 26. März stattfinden. Vielleicht bekommt Berlin | |
ja dann seine Klimawahl. | |
11 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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