# taz.de -- Ukrainischer Präsident in Brüssel: Empfangen wie ein Held | |
> Selenski wird bei seinem Besuch im EU-Parlament gefeiert. Und Meloni ist | |
> sauer, weil Macron sie nicht zum Essen eingeladen hat. | |
Bild: Emmanuel Macron und Giorgia Meloni am Donnerstag in Brüssel | |
BRÜSSEL taz | Es sollte ein Tag der Solidarität mit der Ukraine und deren | |
Präsident Wolodimir Selenski werden. Nach seinem [1][Besuch in London] und | |
einem Abendessen in Paris war Selenski mit Frankreichs Staatschef Emmanuel | |
Macron nach Brüssel geflogen, um an einem Sondergipfel der Europäischen | |
Union teilzunehmen. | |
Doch statt Solidarität gab es erst mal Stunk. Italiens stramm rechte | |
Regierungschefin Giorgia Meloni war sauer, weil Macron nur [2][den | |
deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz] zum Diner in Paris eingeladen hatte, | |
sie aber nicht. Das sei „unangebracht“, schimpfte Meloni bei ihrer Ankunft | |
zum EU-Gipfel. Es könne der gemeinsamen europäischen Sache schaden. | |
[3][Bei dem bis kurz vor Beginn geheimgehaltenen Treffen] in Paris am | |
späten Mittwochabend waren Scholz und Macron gemeinsam als Gastgeber | |
aufgetreten und hatten so ihre Solidarität mit der Ukraine demonstriert. | |
„Russland kann und darf nicht gewinnen“, hatten beide betont. | |
## Gerangel im Parlament – alle wollten dabei sein | |
Meloni war mit ihrem Frust über die deutsch-französische Geste nicht | |
allein. Alle wollten dabei sein, wollten sich im Licht des ukrainischen | |
Kriegsherren sonnen. Sogar im Europaparlament gab es Gerangel. Warschaus | |
Bürgermeister Rafał Kazimierz Trzaskowski, zu einem anderen Termin in | |
Brüssel, ergatterte in letzter Minute einen Platz. | |
Als Selenski dann endlich im Plenarsaal des Parlaments eintraf, war der | |
Ärger schnell verpufft. Die Abgeordneten sprangen von ihren Sitzen, Beifall | |
brandete auf. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die im April 2022 als | |
erste EU-Politikerin ins damals umkämpfte Kyjiw gefahren war, strahlte: | |
„Dies ist ein historischer Tag.“ | |
Die EU-Staaten müssten nun auch die „Langstreckensysteme und Kampfjets“ | |
liefern, forderte sie. Der EU-Beitritt müsse schnellstmöglich erfolgen. | |
Kein Abgeordneter widersprach. Dabei sind die Forderungen Selenskis nicht | |
nur in Deutschland umstritten. Die EU könnte zur Kriegspartei werden, | |
fürchten viele Menschen in Europa. | |
## Präsident spricht von „historischem Kampf“ | |
Selenski bemühte sich nicht, die Bedenken zu zerstreuen. Für ihn gibt es | |
keinen Unterschied zwischen der Ukraine und der EU mehr. „Dies ist unser | |
Europa, die EU ist unsere Heimat, der Beitritt ist der Weg nach Hause“, | |
erklärte er. „Nur unser Sieg wird den Erhalt unserer europäischen Werte | |
garantieren.“ Gemeinsam müsse man den „historischen Kampf“ gegen Russland | |
zu Ende führen. | |
Wieder Beifall. Die ukrainische Nationalhymne erklang, dann die | |
Europahymne. Danach ging es weiter ins Ratsgebäude, wo der EU-Gipfel tagte. | |
Auch hier wurde Selenski wie ein Held empfangen. Kurz nach Beginn des | |
Kriegs hatte er aus einem Bunker zu den 27 EU-Chefs gesprochen, unter | |
Lebensgefahr. Nun war er endlich mitten unter ihnen. | |
Seinen ersten persönlichen Auftritt in Brüssel nutzte der 45-Jährige im | |
Militärdress wie erwartet, um mehr Waffen zu fordern. Er brauche „wirklich | |
Munition, moderne Panzer, Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge“, sagte | |
Selenski in seiner Rede vor den EU-Chefs. „Wir müssen schneller sein als | |
der Angreifer“, ermahnte er die Mitgliedstaaten. | |
## Selenski sieht Bewegung beim Thema Waffenlieferung | |
Ähnlich hatte er sich schon beim EU-Ukraine-Gipfel vor einer Woche in Kiew | |
geäußert – bislang erfolglos. Frankreich hat immer noch keine Panzer | |
zugesagt, Deutschland will keine Kampfflugzeuge liefern. Auch in Brüssel | |
gab es keine neuen Zusagen. Kein Wunder: Der EU-Gipfel kann keine neuen | |
Waffenlieferungen beschließen. Das ist kein EU-Thema, [4][sondern eine | |
souveräne nationale Entscheidung.] | |
Immerhin scheinen sich nun doch noch einige EU-Staaten zu bewegen. „Ich | |
habe von einer Reihe europäischer Staats- und Regierungschefs gehört, dass | |
sie bereit sind, uns die nötigen Waffen und Unterstützung zu geben, | |
einschließlich Flugzeuge“, sagte Selenski. Die Details werde er jetzt in | |
bilateralen Gesprächen klären. | |
Wenn dabei Zusagen kommen sollten, hätte sich der Besuch in Brüssel für | |
Selenski gelohnt. Für die EU hingegen hinterlässt das Spitzentreffen | |
gemischte Gefühle. Italien, Deutschland und Frankreich sind aneinander | |
geraten, die Fassade der Einheit bröckelt. Neue Beschlüsse zur Ukraine | |
wurden nicht gefasst. | |
Und die Sorgen vieler Bürger spielten keine Rolle. Sie müssen sich mit | |
einem Zehn-Punkte-Plan für den Frieden zufrieden geben, den die EU | |
gemeinsam mit der Ukraine ausarbeiten will. Was die „Friedensformel“ | |
beinhalten soll, ist noch offen. Auch darüber gehen die Meinungen in den | |
EU-Staaten weit auseinander. | |
9 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Selenski-in-London/!5914590 | |
[2] /Olaf-Scholz-vor-EU-Sondergipfel/!5914608 | |
[3] /Selenski-trifft-Macron-und-Scholz-in-Paris/!5914796 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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