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# taz.de -- Repowering und alte Windkraftanlagen: Zu alt für die Energiewende
> In Schleswig-Holstein müssen Betreiber*innen alte Windkrafträder
> abbauen. Sie wünschen sich angesichts der Energieknappheit eine
> Verlängerung.
Bild: Nicht alle dürfen stehenbleiben: Windräder in Schleswig-Holstein
Rendsburg taz | Den Kran hat Tammy Wittmaack, Geschäftsführerin des
Bürgerwindparks Eider, bereits bestellt. In wenigen Tagen wird das schwere
Fahrzeug auf einer Fläche bei Hennstedt zwei Windräder abbauen. Die Mühlen
sind funktionsfähig und könnten noch lange Strom – rund drei Megawatt pro
Jahr – erzeugen.
Dass sie nun wegmüssen, liegt an einer Vorgabe des Landes: Viele ältere
Räder stehen auf Wiesen, die nach heutiger Planung nicht mehr als
Windkraftgebiet vorgesehen sind. Will ein Park eine neue Anlage errichten,
muss er dafür zwei alte abbauen.
Der Gedanke hinter diesem „Repowering“ ist, dass moderne Anlagen mehr
Leistung bringen, also unter dem Strich [1][weniger Mühlen mehr Strom
erzeugen]. „Ich stelle das grundsätzlich nicht in Frage“, sagt Wittmaack,
die im Ehrenamt Bürgermeisterin des Örtchens Wesselburener Deichhausen ist
und sich seit Jahrzehnten mit Windenergie befasst. „Aber die Lage ist
aktuell doch eine andere.“
Das sieht auch der Landesverband Windenergie so. „Ich kriege Anrufe unserer
Mitglieder, die sagen, das kann doch nicht wahr sein – es wird über
Mangellagen gesprochen und flüssiges Erdgas ins Land geholt, und wir müssen
Windräder abschalten“, sagt Jana Lüth, Sprecherin des Verbandes. Aktuell
habe sie sechs Anfragen von Mitgliedern auf dem Tisch, die alle in
absehbarer Zeit alte Anlagen im Tausch für neue abschalten müssen. Um wie
viele Rotoren es landesweit geht, kann das zuständige Innenministerium
nicht sagen.
## Weiterbetrieb lohnt sich
Manfred Lührs, der als Investor und Betreiber bei einer Reihe von Parks
beteiligt ist, berichtet von einem Treffen mit den energiepolitischen
Sprecher*innen der Landtagsfraktionen kurz nach Beginn des
Ukraine-Krieges: „Als ich das Thema ansprach, haben alle Anwesenden
signalisiert, dass es unsinnig sei, in der jetzigen Lage Windräder
abzuschalten.“
Doch als er sich mit Bitte um Laufzeitverlängerung an das Innenministerium
wandte, „kamen immer gleichlautende Ablehnungen“. Dabei, betont Lührs, gehe
es nicht darum, die Repowering-Regel wegfallen zu lassen: „Es geht nur um
die Zeit bis die Energienotlage beendet ist.“
Der Sprecher des Innenministeriums Tim Radtke vermutet, warum sich die
Windmüller*innen dafür einsetzen, die seit Jahren laufenden Verträge zu
ändern: „Durch die derzeit zu erzielenden Preise am Strommarkt rechnen sich
die Altanlagen betriebswirtschaftlich wieder.“
Zwar wäre „aus energiepolitischer Sicht ein Weiterbetrieb der Anlagen für
einen gewissen Zeitraum vielleicht wünschenswert“, so Radtke weiter. Aber
Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und ihr Haus fürchten, dass
„eine Abweichung vom Regionalplan zu erheblichen Rechtsunsicherheiten
führen würde“.
Mit Rechtsunsicherheiten bei der Windkraft hat die Regierung bereits
schlechte Erfahrungen gemacht: Nach zahlreichen Klagen und einem Verfahren
vor dem Verfassungsgericht musste das Land seine frühere Planung
einstampfen, das Ergebnis war ein langer [2][Stillstand beim
Windkraft-Ausbau].
So schlägt sich auch das von Tobias Goldschmidt (Grüne) geführte
Energiewendeministerium auf die Seite des Innenressorts: „Eine Abweichung
kann das Land aus Gründen der Rechtssicherheit nicht ermöglichen“, sagt
Sprecher Matthias Kissing. „Das Risiko, die gegenwärtige Regionalplanung zu
gefährden, wäre zu groß.“
Der Windkraftausbau ist auf Bundesebene als Maßnahme im „überragenden
öffentlichen Interesse“ eingestuft – daher wandte sich ein Windmüller aus
Schleswig-Holstein an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
In einem Schreiben, das der taz vorliegt, drückt das Wirtschaftsministerium
zwar Verständnis für die Anfrage aus und verspricht, das Thema in künftige
Planungen aufzunehmen. Aber „kurzfristig haben wir leider nicht die
Möglichkeit, auf kommunale Genehmigungsverfahren in der Zuständigkeit der
Bundesländer einzuwirken“, heißt es in dem Schreiben.
## Keine Pflicht zum Abbau
Immerhin gebe es keine Pflicht, alte Anlagen abzubauen, [3][teilt das
Kieler Energiewendeministerium mit]. Betreiber*innen könnten sie
weiterlaufen lassen – wenn sie keine neuen Räder errichten. Aber das Land
arbeite an Lösungen, um „unbürokratisch so viel Windstrom wie möglich ans
Netz zu bekommen oder am Netz zu lassen“, vespricht Kissing.
Der Opposition reicht das nicht. „Vor dem Hintergrund der aktuellen
Energiesituation ist es sinnvoll, ältere Windkraftanlagen zumindest über
den Winter 2023/2024 am Stromnetz zu belassen“, sagt der energiepolitische
Sprecher der SPD-Fraktion, Marc Timmer.
Windpark-Geschäftsführerin Tammy Wittmaack ist frustriert: „[4][Im
Koalitionsvertrag] zwischen CDU und Grünen verpflichten sich die Parteien,
den Ausbau Erneuerbarer Energien (EE) zu forcieren. Wenn es bei
Atomkraftwerken einen Streckbetrieb gibt, warum dann nicht bei Windrädern?“
22 Feb 2023
## LINKS
[1] /Erneuerbare-Energien/!5889088
[2] /Gruene-Energie-in-Schleswig-Holstein/!5849185
[3] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/…
[4] /Schwarz-Gruene-Koalitionsvertraege/!5863162
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Windkraft
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