# taz.de -- Jennifer Reeders „Perpetrator“: Es wabert, blubbert und fließt | |
> Jennifer Reeders Spielfilm „Perpetrator“ erzählt von einer jungen Frau, | |
> die eine besondere Verbindung zu Blut hat. Er ist ein Höhepunkt der | |
> Berlinale. | |
Bild: Jonny (Kiah McKirnan) hat in „Perpetrator“ ein eigentümliches Verhä… | |
Ein kurzes Nesteln am Schloss und die Tür öffnet sich. Jonny (Kiah | |
McKirnan) ist gut im Schlösserknacken und sichert mit Einbrüchen das Geld | |
für die Miete für sich und ihren Vater. Kurz vor ihrem 18. Geburtstag | |
nehmen die Nervenprobleme ihres Vaters zu. Als er in den Spiegel blickt, | |
zuckt sein Gesicht, als wolle es sich verformen. Jonny wird zurück nach | |
Chicago gebracht, die Stadt, in der sie geboren wurde und aus der sie | |
weggezogen ist, nachdem ihre Mutter auf mysteriöse Weise verschwand. Sie | |
kommt bei ihrer Tante Hildie unter, in einem düsteren Haus voller Kunst. | |
Zum Geburtstag backt ihre Tante ihr eine Torte, aus deren Innerem Blut | |
quillt. Die Highschool, an die sie nun geht, liegt einen Gang über den | |
Friedhof entfernt. Sie wird von einer Serie von Verbrechen erschüttert: | |
ständig verschwinden Mitschülerinnen. Die einzige Spur in „Perpetrator“ | |
(Täter), dem neuesten Film der US-Regisseurin Jennifer Reeder, scheint ein | |
junger Mann zu sein, der alle verschwundenen Mitschülerinnen gedatet hat. | |
Doch diese Spur führt schon bald ins Leere. Oder zumindest fast. | |
## Immer in der Highschool | |
Die Filme Jennifer Reeders führen fast unweigerlich in eine Highschool, die | |
sie als Spielort mit festem Figurenkabinett schätzt. Doch in „Perpetrator“ | |
hat Reeder den Ort gegen den Strich ihrer bisherigen Filme gebürstet und | |
ins Düstere gewendet. Einer der Lehrer veranstaltet alle paar Tage die in | |
den USA üblichen Übungen für Amokläufe, indem er mit einer Maske und einer | |
Wasserpistole mit roter Flüssigkeit durch die Klassenzimmer rennt. Wer | |
stirbt, wird bestraft. Die Schulkrankenschwester (Audrey Francis) trägt | |
beständig Pflaster ihrer diversen Schönheitsoperationen. Zusammen mit ihrem | |
Crush Elektra macht sich Jonny auf die Suche nach den verschwundenen | |
Mitschülerinnen. | |
Die Chicagoerin Reeder ist unermüdlich in ihrer Filmproduktion. Fünf Filme, | |
vier Kurzfilme und ein langer Fernsehfilm, entstanden alleine zwischen | |
[1][„Knives and Skin“, der 2019 ebenfalls auf der Berlinale Premiere | |
feierte], und ihrem neuesten Film. Dennoch begann die Geschichte, die zu | |
„Perpetrator“ führen sollte, direkt im Anschluss an ihren letzten Film auf | |
der Berlinale. Im Interview mit der Chicago Tribune berichtet sie, dass sie | |
nach „Knives and Skin“, der viele Elemente früherer Kurzfilme aufnahm, Lust | |
hatte, als nächstes großes Projekt einen Genrefilm zu drehen. | |
## Fröhlicher Genremix | |
„Perpetrator“ verbindet gleich mehrere Genres. In der Suche nach den | |
Verschwundenen klingen Thrillerelemente an und Jonny hat eine eigentümliche | |
Beziehung zu Blut. Noch dazu führt das Blut in ihrer Umgebung ein | |
Eigenleben, wabert und blubbert und fließt dann wie zielstrebig los. Mehr | |
noch, auch Jonny bemerkt plötzlich jene Gesichtszuckungen, die ihr Vater an | |
sich im Spiegel beobachtet hat. | |
Anders als bei ihren bisherigen Filmen wollte Reeder das Drehbuch zu | |
„Perpetrator“ nicht selbst schreiben. Im Interview mit der Chicago Tribune | |
berichtet sie: „Ich habe nach einem wirklich guten Drehbuch für einen | |
Actionfilm gesucht. Im vergangenen Jahr habe ich viele Drehbücher gelesen, | |
die im Grunde alle ‚Stranger Things‘ trifft Blablabla waren. Keines der | |
Drehbücher fühlte sich richtig an. Also schreibe ich eben meine eigenen | |
Actionfilme.“ | |
Wenige Regisseure wissen die Gestaltungselemente des Films, das Licht, den | |
Ton, die Ausstattung, so in den Dienst der Handlung zu stellen wie Jennifer | |
Reeder. Auch „Perpetrator“ steckt voller Details. Anders als „Knives and | |
Skin“ verliert sich die Handlung jedoch nie darin, sondern rast mit voller | |
Fahrt durch die Länge des Films. Fast überrascht es, dass Reeder im Sog der | |
Erzählung noch Platz findet für Szenen voller Zärtlichkeit für ihre | |
Figuren. „Perpetrator“ ist bildgewaltig, politisch, wütend, liebevoll und | |
einer der besten Filme des diesjährigen Festivals. | |
23 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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