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# taz.de -- Kritik an Forschungsmission: „Marokkos Besatzung normalisiert“
> Vor den von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara forschen die Unis
> von Kiel und Hamburg. Das normalisiere die Besatzung, kritisieren
> Aktivisten.
Bild: Küste der Westsahara, fotografiert vom Astronauten Alexander Gerst
Hamburg taz | Die Beobachtung von Schiffen vor der Küste der [1][seit 1975
von Marokko besetzen Westsahara] ist seit Jahren Routine für die Aktivisten
der NGO Western Sahara Ressource Watch (WSRW). „Wir beobachten
Fischfangboote, deren Namen wir schon kennen oder Gas- und Öltanker, die
dort verkehren“, berichtet Erik Hagen von WSRW über das Schiffs-Tracking
auf frei zugänglichen Internetseiten wie [2][vesselfinder.com] oder
[3][marinetraffic.com].
Mitte Dezember allerdings machte die NGO, die sich seit vielen Jahren gegen
die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Westsahara einsetzt, eine
ungewöhnliche Entdeckung. Auf dem Schiffs-Tracker tauchte das deutsche
[4][Forschungsschiff Maria S. Merian] auf, das – finanziert von der
Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) und dem Bundesforschungsministerium
(BMBF) – unter Leitung der Universität Kiel geowissenschaftliche
Untersuchungen der Kontinentalhänge vor Nordwestafrika durchführte.
Das Interessante für Erik Hagen war, mit welcher Transparenz und
Professionalität die Leitung des Schiffes in Bordberichten ihre Tätigkeiten
und vor allem ihre exakte Position vermittelte und dabei mehrfach von
„marokkanischer“ Küste und der „marokkanischen [5][Ausschließlichen
Wirtschaftszone (AWZ)]“ schrieb.
„Es gab überhaupt keine politische Abwägung darüber, wo genau man sich
eigentlich befand“, berichtet Hagen – nämlich vor der Küste eines besetzt…
Gebietes mit völkerrechtlich ungeklärtem Status. Das sei, als wenn deutsche
Forscher an der Küste der Krim unterwegs wären und von Russland sprächen,
sagt der norwegische Aktivist.
## „Gebiet ohne Selbstverwaltung“
Organisiert werden solche Forschungsfahrten in Hoheitsgewässer anderer
Staaten von der [6][Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe (LDF) der
Universität Hamburg]. Auf Nachfrage räumt ein Mitarbeiter dort ein, noch
nie vom Westsahara-Konflikt gehört zu haben.
Aus der Pressestelle der Universität Kiel heißt es, man habe „exemplarisch
auf Arbeitsgebiete der Expedition aufmerksam gemacht“. Relativ schnell nach
Anfrage der taz wurde allerdings die Formulierung „marokkanisch“ in den
Bordberichten in „nordwestafrikanisch“ geändert.
Die Westsahara wird von den Vereinten Nationen völkerrechtlich als Gebiet
ohne Selbstverwaltung geführt. Außer den USA erkennt kein Land der Welt die
marokkanische Herrschaft dort an. Der Europäische Gerichtshof kam in
mehreren Urteilen zu dem Schluss, dass Marokko über kein Mandat zu deren
Verwaltung verfügt, da das Territorium „gesondert und unterschiedlich“ zu
betrachten ist.
Daraus folgt, dass EU-Abkommen mit dem Königreich nicht rechtmäßig auf die
Westsahara ausgedehnt werden können – es sei denn, mit ausdrücklicher
Zustimmung der Urbevölkerung der Saharauis.
„Wenn eine Forschungsinstitution – wie in diesem Fall die Universität Kiel
– von Marokko spricht, ist offensichtlich, dass keine solche Zustimmung
eingeholt wurde“, sagt Erik Hagen. In der Tat: Die Genehmigung für das
Forschungsschiff Maria S. Merian, das erst vor der Küste der Westsahara und
später vor der Küste Marokkos unterwegs war, haben laut
Bundesforschungsministerium marokkanische Behörden erteilt.
„Der Bundesregierung sind in Bezug auf die Westsahara keine anderen Staaten
oder Institutionen bekannt, die Vorgaben für eine Anzeige zur
wissenschaftlichen Meeresforschung im Sinne des Seerechtsübereinkommens
anführen“, teilt ein Sprecher des BMBF mit.
Dabei gäbe es mit der Befreiungsbewegung Frente Polisario durchaus eine
international anerkannte Organisation, die man in solchen Fällen befragen
könnte, sagt deren Deutschland-Vertreterin Nadjat Hamdi. Sie wirft auch die
Frage nach der künftigen Nutzung der Forschungsergebnisse auf. „Wer
profitiert davon, und mit welchem Ziel genehmigt Marokko eine solche
Forschungsmission?“
„Die Expedition diente ausschließlich der Grundlagenforschung“, heißt es
dazu sowohl aus der Presseabteilung der Universität Kiel als auch vom
Bundesforschungsministerium.
## Wirtschaftlich interessant
Pläne für die wirtschaftliche Nutzung der Gewässer vor der Westsahara gibt
es allerdings schon lange. Erst im Dezember 2022 gab das israelische
Unternehmen NewMed Energy bekannt, dass es mit dem marokkanischen
Ministerium für Energie und Bergbau eine Vereinbarung zur Förderung von
Erdgas im sogenannten Offshore-Block Boujdour Atlantique vor der Küste der
Westsahara unterzeichnet habe. Unternehmungen, für die seismische Daten vom
Meeresboden sicher hilfreich wären.
Erik Hagen von WSRW will keinen direkten Zusammenhang zwischen der
Forschungsmission der Maria S. Merian und derartigen Wirtschaftsaktivitäten
herstellen. „Das wäre Spekulation“, sagt er. Für ihn geht es um das
generelle Problem des Westsahara-Konfliktes: „Marokko hat das Ziel, die
Besatzung zu normalisieren. Vor diesem Hintergrund ist so eine
Forschungsmission kontrovers, da sie der Besatzung eine legitime Aura
verleiht“, erklärt der Aktivist.
21 Feb 2023
## LINKS
[1] /Arabische-Liga/!5888966
[2] https://www.vesselfinder.com/
[3] https://www.marinetraffic.com/en/ais/home/centerx:-12.0/centery:25.0/zoom:4
[4] /Auswirkungen-der-Golfstrom-Zirkulation/!5865846
[5] /Russlands-Marine-uebt-vor-Irlands-Kueste/!5827455
[6] https://www.ldf.uni-hamburg.de/
## AUTOREN
York Schaefer
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Schwerpunkt Syrien
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