| # taz.de -- Roman über queere Liebe in Helsinki: Mikrokosmos der Gefühle | |
| > Liebesleben und Panikattacken in Helsinki: Sofi Oksanens früher Roman | |
| > „Baby Jane“ wurde nun ins Deutsche übersetzt. Das Ende: ziemlich traurig. | |
| Bild: Weiß, wie man Spannungsbögen aufbaut: Autorin Sofi Oksanen (hier 2020 i… | |
| „Piki war eindeutig die coolste Lesbe in der Stadt, als ich als junges | |
| Mädchen nach Helsinki kam.“ Die namenlose Erzählerin in Sofi Oksanens Roman | |
| „Baby Jane“ ist ganz verzaubert von der Butch, die es verstand, „ihre Frau | |
| cool auszuführen und ihr cool in den Mantel zu helfen“. Die ihr beim | |
| Schlafen in den Nacken atmen wollte, „das war wichtig, […] damit sie den | |
| Duft meines Nackens genießen konnte“. | |
| Alles scheint so einfach und leicht. Auch die Idee, gebrauchte Slips und | |
| Strumpfhosen an Fetischisten zu verkaufen, funktioniert so gut, dass beide | |
| davon leben können. | |
| Komisch ist nur, dass alle paar Tage Bossa in Pikis Wohnung auftaucht, eine | |
| Frau, mit der Piki vor der Erzählerin zusammen war. Sie hat nicht nur einen | |
| Wohnungsschlüssel, sondern kauft auch alle Lebensmittel für Piki ein und | |
| wäscht ihre Wäsche. Warum, fragt sich die Erzählerin, kann sie das nicht | |
| übernehmen? Sie ist doch Pikis Frau. | |
| Und warum muss Piki immer schon ein paar Bier getrunken haben, bevor sie | |
| mit der Erzählerin ausgeht? Warum nicht erst zusammen mit ihr, in der Bar, | |
| in die sie gehen wollen? Hält sie die Erzählerin nicht anders aus? Aber auf | |
| all die Fragen schweigt Piki nur oder gibt einsilbige Antworten. | |
| ## Die falsche Therapie | |
| Klar, sie hat psychische Probleme. Sie hat Panikattacken und Depressionen, | |
| die verhindern, dass sie ein normales Leben führen kann. Das Verlassen | |
| ihrer Wohnung ist für sie eine schwierige, mit langer Planung verbundene | |
| Aufgabe. | |
| Das finnische Gesundheitssystem hat ihr zwar eine Therapie finanziert. Doch | |
| die Therapie hat nichts gebracht. Wahrscheinlich, vermutet die Erzählerin, | |
| war es die falsche Therapie, aber eine neue bezahlt die Krankenkasse nicht | |
| mehr. Was bleibt, sind nur der Alkohol und mäßig wirkende Medikamente. | |
| „Baby Jane“ ist Sofi Oksanens zweiter Roman. Das finnische Original | |
| erschien bereits 2005. Ein kleiner Liebesroman, nicht so episch breit | |
| angelegt wie „Stalins Kühe“ [1][oder „Hundepark“.] Eine Erzählung, di… | |
| ganz auf ihre beiden Protagonistinnen konzentriert. | |
| Doch wie in ihren späteren Büchern nimmt die Autorin ihre Leser von Anfang | |
| an mit, lässt sie mit der Erzählerin im höchsten Glück schweben und lässt | |
| sie abstürzen. Einen Mikrokosmos der Liebe mit seinen Höhen und Tiefen | |
| entfaltet sie in „Baby Jane“. | |
| ## Helsinki Ende der 1990er | |
| Die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft bleibt dabei erst mal im | |
| Hintergrund. Auch die Vergangenheit der beiden wird nur angedeutet. „Baby | |
| Jane“ ist kein psychologischer Roman, der seine Figuren zu erklären | |
| versucht. Das überlässt Sofi Oksanen ihren Leserinnen und Lesern. | |
| Stattdessen erzählt sie von den Träumen, Problemen und Widersprüchen ihrer | |
| Protagonistinnen, erzählt von den prekären Verhältnissen, in denen sie | |
| leben. Und sie erzählt von der Trennung der schwul-lesbischen und der | |
| heterosexuellen Welt Helsinkis am Ende der 1990er Jahre. | |
| Als die Erzählerin vor den Problemen mit Piki in eine Beziehung mit einem | |
| Mann flüchtet, macht Piki sie in der Szene unmöglich. Daraufhin kann sie | |
| sich nicht mehr in den Schwulen- und Lesbenbars sehen lassen. Gleichzeitig | |
| ist sie mit dem Mann im Bett unglücklich. | |
| Und sie weiß, was Piki dazu sagen würde. Sie „würde sagen, dass ich jetzt | |
| herumhurte. Und so war es auch. […] Ich hurte herum, damit ich nichts zu | |
| entscheiden brauchte, damit ich außer baden nichts anderes zu tun brauchte, | |
| damit ich nicht die Menschen zu sehen brauchte, die einmal zu meiner Welt | |
| und zu Pikis Welt gehört hatten.“ | |
| Vielleicht ist es Sofi Oksanens eigene Geschichte oder hat viel davon, auf | |
| jeden Fall ist es eine in hohem Maße literarisierte Geschichte. Sofi | |
| Oksanen weiß, wie man Spannungsbögen aufbaut, wie man Erwartungen beim | |
| Leser hervorruft und sie später erfüllt oder enttäuscht. | |
| Wie man Vergleiche und Metaphern richtig dosiert setzt. Die Literarisierung | |
| ist es, die die Geschichte zugänglich, verständlich macht. Dass die Liebe | |
| aber alles besiegt, wie es heißt, stellt Sofi Oksanen mit „Baby Jane“ | |
| infrage. Oder besteht die Tragik des Buches darin, dass Piki nicht wirklich | |
| lieben kann? Ist das der Grund, warum der Roman so traurig endet? | |
| 6 Feb 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fokke Joel | |
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