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# taz.de -- Wintersport in Thüringen: Für Oberhof ist nichts zu doof
> Mit Rodel- und Biathlon-WM will der Freistaat Mittelpunkt des
> Wintersports werden. Kosten und Klimafolgen erscheinen da als völlig
> irrelevant.
Bild: Die drei von der Rodelbahn: Thüringens Regierungschef Bodo Ramelo (M.) u…
Mit Rodeln und Biathlon kommt das thüringische Wintersportzentrum Oberhof
derzeit groß raus. Und auch die thüringische Landespolitik möchte groß
rauskommen, wenn am 8. Februar die Biathlon-WM beginnt.
Am vergangenen Wochenende konnte zum Abschluss der 51. [1][Rodel-WM] schon
mal besichtigt werden, wie das funktioniert: Nicht nur die siegreichen
Sportlerinnen und Sportler betraten über einen langen Laufsteg die große
Bühne, auch Ministerpräsident Bodo Ramelow und sein Sportminister Helmut
Holter (beide Linke) sowie Finanzministerin Heike Taubert (SPD) wurden vom
Moderator lautstark angekündigt und ließen sich feiern. Es wirkte in Teilen
wie eine effektheischende Wahlkampfshow.
Die Vertreter der rot-rot-grünen Thüringer Koalitionsregierung wollten sich
nun in Oberhof aktuell dafür öffentlich bejubeln lassen, dass sie für mehr
als 42 Millionen Euro die Generalsanierung und Teilerneuerung der 1.354
Meter langen Kunsteisbahn durchgezogen haben. Zu 80 Prozent habe der Bund
und zu 20 Prozent das Land Thüringen dieses Mammutprojekt finanziert, heißt
es. Bei vielen Breitensportanlagen in Thüringen ist indes der
Sanierungsstau seit Jahren riesengroß.
Auch der zu einem Kurzbesuch zur WM nach Thüringen angereiste IOC-Präsident
Thomas Bach fabulierte ähnlich übertreibend wie Thüringens Spitzenpolitiker
und -funktionäre von Oberhof als der „Weltmetropole des Wintersports“.
## Staatsgelder für Randsportart
Diese Rodel-WM bewies einmal mehr, was internationale Rodelwettbewerbe
eigentlich immer zeigen: [2][deutsche Dominanz]. Von den insgesamt neun
WM-Goldmedaillen, die vergangene Woche vergeben wurden, gingen allein acht
an die deutschen Rodler und Rodlerinnen. Nur dem Österreicher Jonas Müller
gelang es im Einzelwettbewerb der Männer, Gold zu holen. Doch Müller hatte
die Unterstützung des im Jahr 2022 ins Nachbarland gewechselten
Techniktrainers und Tüftlergenies Georg Hackl, dreifacher deutscher
Olympiasieger. Von insgesamt 25 möglichen WM-Medailllen holte das deutsche
Team in Oberhof ganze 16.
Das hat Gründe. Im Rodelsport machen das Material wie die Gleitschienen des
Schlittens und der Schlittenaufbau mindestens schon 50 Prozent des Erfolgs.
Allein fünf Technikexperten der Außenstelle des Berliner Instituts für
Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) arbeiten in der
Sportkaserne der Bundeswehr in Oberhof an der Perfektionierung der
Rennschlitten. Kein Land der Welt investiert so viel Steuergeld in die
Randsportart Rennrodeln, wie es Deutschland bereits seit Jahrzehnten tut.
Ebenso gibt es in keinem anderen Land gleich vier energieverschlingende
Kunsteisbahnen, wie es in Deutschland mit Oberhof (Thüringen) und Altenberg
(Sachsen) sowie Winterberg (Nordrhein-Westfalen) und Königssee (Bayern) der
Fall ist, wenn auch Letztere wegen eines Erdrutsches 2021 noch immer stark
beschädigt ist.
Wie das Regionalblatt Freies Wort Suhl stolz ausgerechnet hat, ist
Deutschland in keiner anderen Sportart so erfolgreich wie im Rennrodeln. In
der Geschichte von bisher 50 Weltmeisterschaften seit 1955 haben die DDR,
die Bundesrepublik und das wiedervereinigte Deutschland insgesamt 290
WM-Medaillen gewonnen. Alle anderen Rodelländer zusammen heimsten hingegen
nur 265 Plaketten ein.
Zum Thema Nachhaltigkeit erzählte der Oberhof- und WM-Beauftragte der
Thüringer Landesregierung, Hartmut Schubert (SPD), der eigentlich im
Hauptberuf Staatssekretär im Finanzministerium ist, dass man die
Klimaneutralität bei all den vorhandenen Sportstätten erreichen wolle. Doch
nicht nur mehrere mit Gas beheizte Festzelte neben der Eisschlange,
darunter ein besonders großes Zelt für die Ehrengäste, sorgten bei der
Rodel-WM eher für Zweifel an dieser Aussage.
Die rot-rot-grüne Landesregierung schaute auch zu, wie im Jahr 2017 der
1884 in Betrieb gegangene Bahnhof von Oberhof stillgelegt wurde.
Bahnreisende aus Erfurt oder Würzburg müssen jetzt im tiefer gelegenen
Zella-Mehlis in Busse umsteigen, um nach Oberhof hinaufzufahren. Auch dies
spricht nicht gerade für eine nachhaltige Weitsicht.
Vom 8. bis zum 19. Februar kommen dann die weltbesten Biathleten zur WM
nach Thüringen. Biathlon war jahrzehntelang auch eine deutsche Domäne. Doch
in den vergangenen Jahren wurden Erfolge seltener. Viele andere Nationen
sind da an Deutschland vorbeigezogen.
31 Jan 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Thomas Purschke
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Schwerpunkt Klimawandel
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