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# taz.de -- Thüringen und die Biathlon-WM: Alles nur, um groß rauszukommen
> In Oberhof beginnt die Biathlon-WM. Für deren Erfolg wurde sehr viel
> investiert. Doch dem Sport in Thüringen hilft so ein Event nicht.
Bild: Training Mixed-Staffel am 7. Februar in Oberhof
Das [1][Wintersportzentrum Oberhof] im Thüringer Wald ist bereit für die am
heutigen Mittwoch beginnende und bis zum 19. Februar andauernde
Biathlon-WM. 144 Athletinnen und 164 Athleten aus 37 Ländern kämpfen in 12
Entscheidungen um die Medaillen. Der Schnee von Frau Holle kam Ende Januar.
Deshalb wurde für die Streckenpräparierung nur ein Teil der in insgesamt
fünf Schneedepots gelagerten 40.000 Kubikmeter der weißen Pracht gebraucht.
Und am gestrigen Dienstag hat es in Oberhof wieder einmal geschneit.
Mehrere große VIP-, Ehrengast- und Sponsorenzelte wurden am Grenzadler
aufgebaut. Mehr als nur Brot für die Spiele kann nun also gereicht werden.
Bei der WM ist noch alles größer als beim seit 1984 alljährlich hier
stattfindenden [2][Biathlon-Weltcup]. Im Iglu-Dorf auf dem Stadtplatz
präsentieren sich die Thüringer Tourismuswerber, die Landesregierung und
der Landessportbund. Mehr als 150.000 Tickets für die Wettkämpfe seien
verkauft, Karten für mehrere Entscheidungen noch immer verfügbar, verkünden
die Organisatoren.
Die enorme Summe von rund 250 Millionen Euro an Steuergeldern von Bund und
Land floss seit der Wiedervereinigung in die Sportanlagen und die
Kleinstadt, die laut aktueller Aussage von Landrätin Peggy Greiser nur noch
um die 1.300 Einwohner hat. Allein seit 2019 wurden rund 100 Millionen Euro
investiert, davon mehr als 40 Millionen in den Um- und Ausbau des
Biathlonstadions. Und die Anlagen werden immer größer – Sebastian König vom
BUND Thüringen kritisiert „den großen Flächenbedarf der Sportbauten“ wie
der Biathlon-Arena, der Skilanglaufhalle und der Kunsteisbahn sowie „die
versiegelten Flächen, die Dimensionen eines Industriegebietes annehmen“.
Viele Bäume wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten dafür abgeholzt.
Aktuell sorgt ein erst jetzt bekannt gewordener 86-seitiger Prüfbericht des
Landesrechnungshofes für Ärger, der beim Zweckverband Thüringer
Wintersportzentrum Oberhof für den Prüfzeitraum von 2013 bis 2020 16 zum
Teil erhebliche Mängel feststellt. Dazu gehören deutlich überteuerte Bauten
sowie fehlerhafte und unvollständige Rechnungen. Auch Leistungen von
Ingenieuren und Architekten seien mangelhaft, und es gebe Hinweise auf
Korruption. Auf Nachfrage antwortete der Zweckverband, er habe die
Kritikpunkte sehr ernst genommen und Maßnahmen ergriffen. Man sehe nun die
meisten der Beanstandungen als erledigt an.
Schon des Öfteren hatte die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit in
Oberhof in Sachen Korruption ermittelt. Der Bürgermeister kassierte einen
Strafbefehl, ein ehemaliger Leiter des Olympiastützpunktes kam mit einer
Geldauflage davon.
## Super Anlagen ohne großen Nutzen
Die teure Sportinfrastruktur von Oberhof ist einmalig. Nirgendwo sonst auf
der Welt befinden sich so viele Wintersportanlagen auf engstem Raum, was
den Athleten hervorragende Trainingsbedingungen bietet.
Doch was gerade für den regionalen Nachwuchs gut sein sollte, hat sich in
den vergangenen Jahren als problematisch erwiesen. Die einzige Thüringer
Sportlerin bei der aktuellen Biathlon-WM ist die 25-jährige Vanessa Voigt
aus Seligenthal.
Voigt gehört in der 12-köpfigen deutschen Mannschaft hinter der
Olympiasiegerin Denise Herrmann aus dem Erzgebirge zu den
Medaillenhoffnungen. Schließlich tritt die Olympiavierte von Peking 2022
über 15 Kilometer hier auf ihrer Heimstrecke an.
Bei der ersten Biathlon-WM im Jahr 2004 in Oberhof bestand aber das gesamte
Nationalteam noch zur Hälfte aus Thüringern. Eine Ursache für den
derzeitigen Mangel an Spitzenbiathleten im Freistaat dürfte in der
Vernachlässigung der Nachwuchsarbeit liegen. Zu viele junge Sportler hören
wegen Perspektivlosigkeit auf und orientieren sich lieber beruflich weiter
oder beginnen ein Studium.
Doch daran, dass diese WM ein Erfolg wird, zweifelt kaum jemand. Der
Biathlonweltverband IBU hatte die Organisatoren in Oberhof ordentlich unter
Druck gesetzt, auch in die Kunstschnee-Infrastruktur zu investieren. Wenn
sie sich da nicht gebeugt hätten, hätte der Weltcup-Standort Oberhof
künftig nicht mehr als gesetzt gegolten. Die [3][Schneesicherheit] würde
fehlen. So aber schüttet die finanzkräftige IBU bei der WM mit 1,57
Millionen Euro eine Rekordsumme an Preisgeldern für die Athleten aus. Für
einen Weltmeistertitel zahlt die IBU 25.000 Euro, für Platz 30 gibt es noch
200 Euro.
Was noch zu erwähnen ist, sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den
bis 2018 amtierenden IBU-Präsidenten Anders Besseberg wegen des Verdachts
der Korruption und der Vertuschung von Dopingfällen. Die norwegischen
Behörden haben ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen.
8 Feb 2023
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## AUTOREN
Thomas Purschke
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