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# taz.de -- Rekordmann Felix Loch vor Rodel-WM: Ein hilfreiches Malheur
> Felix Loch könnte am Wochenende Rekord-Rodelweltmeister werden. Nach
> einem Fehler ist er so dominant wie zuvor.
Bild: Wieder alles im Griff: Bei Felix Loch stimmt das Material und die Form
Das erste Saisonziel hat Felix Loch bereits erreicht. Am vergangenen
Wochenende sicherte sich der 31 Jahre alte Rodler den Sieg im
Gesamtweltcup. Seine siebte große Kristallkugel. Das Saisonfinale in St.
Moritz ist nun eine Zugabe. Vor diesem Genuss-Wochenende Anfang Februar
wartet auf den 1,91 Meter großen Athleten noch Saison-Aufgabe Nummer zwei –
die Weltmeisterschaften. Der siebte Titel im Einzelrennen würde ihn zum
Rekordweltmeister machen. Angesichts der Vorleistungen mit acht Siegen in
acht Rennen ist Loch der Topfavorit, zumal die Titelkämpfe auf seiner
Heimbahn am Königssee ausgetragen werden. Doch Felix Loch ist ein
gebranntes Kind.
Rückblende, 11. Februar 2018, Olympic Sliding Center in Pyeonchang. [1][Vor
dem vierten Lauf führte Felix Loch überlegen], sein drittes Gold
hintereinander war zum Greifen nah. Doch dann unterlief ihm ein Fahrfehler,
statt dem Sprung aufs oberste Treppchen bei der Siegerehrung blieb ihm nur
Platz fünf. Der Traum, mit seinem Vorbild und Trainer Georg Hackl
gleichzuziehen, war jäh geplatzt. Von wegen Felix, der Glückliche. „In dem
Moment war das die größte Enttäuschung meiner Karriere“, sagt er im
Rückblick, „aber mit großem Abstand betrachtet war das eine Situation, die
mich weitergebracht hat.“
Dabei fehlte danach auch im Weltcup die Leichtigkeit und Eleganz, mit der
Loch davor die Klippen im Eiskanal gemeistert hat. Hatte das Malheur von
Pyeongchang so weitreichende Auswirkungen? Diesen Eindruck erweckte der
erfolgsverwöhnte Athlet, als er sich bei der WM 2019 in Winterberg über
eine Silbermedaille im Sprintrennen mehr gefreut hatte als davor über so
manche Goldene. Und zwischen Februar 2019 und November 2020 war er bei
keinem Weltcup mehr der Schnellste. „Außenstehende sehen diese Zeit als
schlimmer an, wie sie für mich war“, sagt Felix Loch.
Ihn haben einzelne gute Fahrten im Training oder auch im ein oder anderen
Rennen bestätigt, dass er es noch kann. „Aber ich habe es nie komplett über
zwei Rennläufe hinbekommen“, beschreibt er sein Dilemma. Dass es keine
verlorene Zeit war, bekennt er mit Genugtuung: „Wir haben, das muss ich im
Nachhinein sagen, sehr viel gelernt. Wir haben auch sehr viel ausprobiert.“
Dabei konnte er sich auch auf sein Team mit den Rodel-Olympiasiegern Georg
Hackl und Patric Leitner verlassen. Mit Hackl arbeitet er ständig an seinem
Schlitten, Leitner ist für die Athletik zuständig.
## Wie im Motorsport
Eine Erkenntnis aus den 22 Monaten ohne Sieg ist, „dass ich mich nicht aus
der Ruhe bringen lassen darf“. Und dass er sich wieder auf sein Material
verlassen kann. „Ich merke schon, dass wir am Schlitten einen gewaltigen
Schritt nach vorne gemacht haben“, berichtet er und ergänzt: „Nicht nur
einen, vielleicht sogar zwei.“ Diese Sicherheit hat ihm in den vergangenen
zwei Jahren gefehlt, „deshalb musste ich mehr ans Limit gehen“. Und
manchmal auch darüber hinaus. Was wieder Fahrfehler nach sich zog. In der
aktuellen Abstimmung werden ihm sogar kleinere Malheurs verziehen.
Dabei ist so ein Schlitten eigentlich ein ganz einfaches Sportgerät. Die
Sitzschale und die beiden Schienen werden mittels zweier Bügel, von den
Rodlern Böcke genannt, miteinander verbunden. „Stimmt“, sagt Felix Loch und
muss ob dieser Naivität lachen. „Das alles Entscheidende ist die Geometrie
der Schiene“, beginnt er dann zu dozieren. Man dürfe sich nicht vorstellen,
dass diese Schiene von vorne bis hinten gleich rund oder scharf sei. Und er
geht dann ins Detail.
„Sie ist in einem gewissen Teil abgerundet, in einem gewissen Teil ist sie
sehr scharf, um auf der Geraden nicht zu driften.“ Etwa 15 Schienen liegen
in Lochs Keller, während eines Winters kommen allerdings nur drei bis vier
zum Einsatz. So weit, so einfach. Kompliziert wird es dadurch, dass der
Winkel zwischen Schiene und Eis an die jeweilige Charakteristik angepasst
werden muss. „Das macht einen Schlitten schneller oder langsamer“, sagt
Loch. [2][In dieser Fahrwerksabstimmung ähneln sich Rodeln und Motorsport,
sagt Loch, der Motorsportfan.]
Doch diese Set-up-Arbeit ist nur ein Teil des Erfolgs. Neben Fahrgefühl ist
die Schnellkraft genauso wichtig, mit der sich die Rodler oben am Startbock
abziehen und mit den Paddelschlägen beschleunigen. Auch in diesem Bereich
hat Loch wieder zugelegt. Wie der Startrekord, den er beim Rennen in
Oberhof erzielt hat, beweist. „Ich habe definitiv mehr trainiert“, verrät
er. Denn wegen des Coronalockdowns im Frühjahr waren alle PR- und
Sponsorentermine ausgefallen. 20 Tage, so Coach Leitner, sei Loch mehr im
Kraftraum gewesen.
„Felix fährt sich derzeit in einen richtigen Rausch“, sagt Teamkollege
Johannes Ludwig, der Zweitplatzierte im Weltcup. Auch Olympiasieger David
Gleirscher ist desillusioniert: „Zur Zeit spielt Felix mit uns.“ Gute
Voraussetzungen, dass Felix Loch seine perfekte Saison am Wochenende krönt.
Bei der Weltmeisterschaft auf seiner Heimbahn am Königssee.
28 Jan 2021
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## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
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